| # taz.de -- Kolumne Eier: Mehr Mütterlichkeit für Männer | |
| > Warum werden Männer, die „noch bei Mama“ wohnen, mehr verachtet als | |
| > diejenigen, die grapschen? Schluss mit den männlichen Rollenbildern. | |
| Bild: Manchmal nervt sie, manchmal braucht man sie: Die Fürsorge der Mutter | |
| Noch ehe ich meinen Kaffee geschlürft habe, bekomme ich eine SMS. Meine | |
| Mutter informiert mich ohne Grußformel, dass sie mit einem schlechten | |
| Gefühl ins Bett gegangen ist. Ob alles in Ordnung sei. Ich denke seitdem, | |
| dass ich Krebs haben muss oder dass mir ein Zehennagel einwächst, denn die | |
| Vorahnungen meiner Mutter sind legendär. Um also nicht darüber nachdenken | |
| zu müssen, was mir womöglich Schlimmes widerfährt, schreibe ich schnell | |
| eine Kolumne über Mütter. Die bin ich ohnehin schuldig, nachdem ich in der | |
| letzten [1][Folge auf den Vätern rumgehackt habe]. | |
| Es hat sich mir nie erschlossen, warum „Muttersöhnchen“ eine Beleidigung | |
| ist. Der Begriff weist darauf hin, dass es da ein schwieriges Verhältnis | |
| zwischen Männern und ihren Müttern gibt. Zu geben hat. Von einem | |
| „Vatertöchterchen“ habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Und es stimmt: | |
| Die mutterspezifischen Angewohnheiten, die der recht eingeschränkte | |
| Gender-Baukasten bereithält, wurden mir zum Problem. Das Rumfummeln in | |
| meinen Haaren, die Hinweise darauf, was für ein Wonneproppen ich als Baby | |
| war, und die ständige Sorge um mein Wohlergehen wurden lästig. | |
| „Geh doch zu Mami!“, werfen Männer sich zu, um zu sagen: Du kommst nicht | |
| klar ohne die Fürsorge anderer Menschen (zudem einer Frau!). Unsere | |
| Gesellschaft ist darauf aufgebaut, dieses peinliche | |
| Mal-aus-einer-Vulva-gekommen-Sein zu verdrängen und die metaphysische | |
| Nabelschnur am besten zu verhackstücken. Für die Mütter, die überzeugt | |
| sind, dass da seit der Schwangerschaft irgendeine magische Verbindung | |
| besteht, kommt das natürlich nicht infrage. Was folgt, ist ewiges Gezerre. | |
| ## Fürsorge kann zur Ausbeutung werden | |
| Was nicht heißt, dass man sich nicht emanzipieren soll, und irgendwann mal | |
| … Nest-Vogel-Metapher hier einfügen. Fürsorge kann in Ausbeutung umkippen, | |
| wenn man nicht aufhört, die Dreckwäsche vorbeizubringen. | |
| Aber es ist schon bezeichnend, dass die am wenigsten anerkannte | |
| Männlichkeit nicht diejenige ist, die grapscht und verletzt – sondern die, | |
| die „noch bei Mama“ wohnt. Der Horrorklassiker der Filmgeschichte, | |
| „Psycho“, baut auf unser Misstrauen gegen „Muttersöhnchen“ auf. Vom | |
| Ödipuskomplex ganz zu schweigen. | |
| Für Männer sollte es cool sein, wenn sie Zuwendung und Zuneigung von einer | |
| elterlichen Person zulassen und feiern. Das muss nicht unbedingt eine Frau | |
| sein. Aber Sie wissen ja, wie das ist mit den Rollenbildern. Klar, unsere | |
| Mütter kannten uns, als wir doof, ungelenk und verletzlich waren. Das | |
| würden wir gerne ausklammern. Aber ein bisschen Mütterlichkeit in der | |
| eigenen Männlichkeit zu verkraften ist wahrscheinlich besser, als sich ein | |
| Leben lang einzureden, dass man ganz toll alleine klarkommt. Der nächste | |
| Schritt ist dann natürlich, selber auch ein bisschen „mütterlich“, also | |
| fürsorglich zu werden. | |
| Ich habe die SMS jedenfalls umgehend beantwortet und meiner Mutter damit | |
| gedroht, dass ich den morgendlichen Schreck mit einer Kolumne bestrafe. Sie | |
| hatte nichts dagegen. | |
| 27 Jul 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Eier/!5519281/ | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
| ## TAGS | |
| Mutter | |
| Eier | |
| Männlichkeit | |
| Stereotype | |
| Feminismus | |
| Feminismus | |
| Psycho | |
| Eier | |
| Urlaub | |
| Paris | |
| Burnout | |
| Journalismus | |
| Eier | |
| Eier | |
| Eier | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar zum Vulva-Kommerz: Neue Wörter, keine Klamotten! | |
| Die Luxus-Modemarke Fendi verkauft einen Schal in Form einer Vulva. Mit | |
| Feminismus hat das aber nichts mehr zu tun. | |
| Kolumne Eier: Bin ich gemacht oder mache ich? | |
| Der Konflikt zwischen Biologie und sozialer Konstruktion prägt | |
| Feminist*innen. Trans Leute laufen Gefahr, zerrieben zu werden. Das muss | |
| nicht sein. | |
| Kolumne Psycho: Die Angst vor der eigenen Zivilcourage | |
| Es darf nicht selbstverständlich sein, ohne Gegenwind Rassismus in der | |
| Öffentlichkeit zu verbreiten. Doch oft kommt die Schlagfertigkeit zu spät. | |
| Kolumne Eier: Dieses ewige Alles-infrage-Stellen | |
| Seine Männlichkeit neu zu justieren macht keinen Spaß, ist anstrengend und | |
| verfolgt einen bis in den Schlaf. Tja, Pech, da müssen wir durch. | |
| Kolumne „Psycho“: Im Urlaub mit der Unzulänglichkeit | |
| Die Angst vor dem Kofferpacken ist eine weit verbreitete Krankheit. Es | |
| spricht nur niemand darüber. Dafür ist die Scham einfach zu groß. | |
| Kolumne „Eier“: Chichi um Pipi de Paris | |
| Die französische Hauptstadt stellt Uritrottoirs für Männer auf, weil die | |
| nicht dazu zu bewegen sind, eine Toilette zu benutzen. Ach, Penis. | |
| Kolumne Psycho: Erschöpfung ist keine Faulheit | |
| Eigentlich sollte ich aufräumen, saubermachen, in den Waschsalon fahren. | |
| Eigentlich will ich auch. Aber meine Kapazitäten sind begrenzt. | |
| Digitaler Gewinn beim „Guardian“: Es nennt sich Umschichtung | |
| Der „Guardian“ macht mehr Gewinn mit seinem digitalen Angebot als mit der | |
| Printausgabe. Eine gute Nachricht? Was ist Ihnen die Antwort wert? | |
| Kolumne Eier: Herr Urvertrauen | |
| Für die existenziellen Krisen von Kindern sind meist Frauen verantwortlich. | |
| Das ist ein Problem. Männer, kämpft ums Kotzeaufwischen! | |
| Kolumne „Eier“: Männer, die an Knöpfen scheitern | |
| Maschinen waren einmal metallgewordene maskuline Muskelkraft. Heute | |
| hingegen muss man sie streicheln wie ein Mäusebaby. | |
| Kolumne Eier: The Oscar goes to Himbeer-Flokati | |
| Anzug, Anzug, Anzug. Rote Teppiche sind das langweiligste der Welt, wenn | |
| man sich für Männermode begeistert. Geht da nicht mehr? |