| # taz.de -- Digitaler Gewinn beim „Guardian“: Es nennt sich Umschichtung | |
| > Der „Guardian“ macht mehr Gewinn mit seinem digitalen Angebot als mit der | |
| > Printausgabe. Eine gute Nachricht? Was ist Ihnen die Antwort wert? | |
| Bild: Wie hält man das nochmal? Und wo ist der Aktualisierungsbutton? | |
| Gedruckte Tageszeitungen sind Geschichte, immerhin noch Zeitgeschichte. | |
| Aber ökonomisch betrachtet, ist die Ära vorbei, in der Verlage mit Print | |
| eine Redaktion unterhalten konnten. | |
| Immer weniger Leser*innen schätzen das tägliche Stück Papier und sind | |
| bereit, dafür einen merklichen Teil ihres Einkommens auszugeben. Bei den | |
| Tageszeitungen sind Aboeinbußen um mindestens 10 Prozent im letzten | |
| Jahrzehnt normal geworden, meist ist es mehr. Digitale Artikel sind | |
| schneller, praktischer – und häufig umsonst. Wer also keinen Plan für die | |
| Umstellung von Print auf Digital hat, kann vor allem eines tun: seiner | |
| papiertreuen Leser*innenschaft beim Wegsterben zuschauen. Verzeihen Sie | |
| die makabre Pointe. | |
| Nun hat der britische Guardian-Verlag am Dienstag verkündet, dass er seit | |
| Neuestem mehr Geld über sein Digitalangebot einnimmt als durch seine | |
| gedruckten Zeitungen The Guardian und The Observer. Ein aufregender | |
| Moment, den der linksgerichtete Verlag gleich zu einer hoffnungsvollen | |
| Botschaft weiterspinnt: „Digitale Einnahmen der Guardian Media Group | |
| überholen zum ersten Mal in der Geschichte den Print“, flötet man in | |
| [1][London]. | |
| Abos und Werbung hätten 15 Prozent mehr Geld eingebracht als im Jahr davor. | |
| Das ist wie Balsam für die Seele aller, die hoffen, dass es in zwanzig | |
| Jahren noch rentablen Journalismus geben wird. Der Autor wird dann noch | |
| nicht im Ruhestand sein und gehört also dazu. | |
| ## Mit allergrößter Vorsicht | |
| Hoffnung ist deswegen wichtig, weil die meisten Verlage gar nicht mehr groß | |
| verbergen, dass sie mächtigen Bammel vor den Folgen der digitalen | |
| Revolution haben. Seit Jahren stehen Nachrichten frei zugänglich im Netz – | |
| eine Bezahlkultur für Onlineinhalte hat sich nie entwickelt. Anzeigen im | |
| Netz bringen weitaus weniger ein als solche in reichweitenstarken | |
| Printmedien. | |
| Mit allergrößter Vorsicht haben die Verlage daher in den letzten Jahren | |
| Bezahlschranken auf ihren Websites eingezogen. Es ist eine Art Mutprobe: | |
| Wer traut sich als Erster, für den Großteil seiner Texte Geld zu verlangen | |
| – und damit seine Reichweite aufs Spiel zu setzen? Umso schöner scheint es, | |
| dass nun ausgerechnet der Guardian die digitale Transformation des | |
| Journalismus anführt. Der Guardian, der statt harter Paywalls – ähnlich wie | |
| die taz – ein freiwilliges Bezahlmodell und ein solidarisches Prinzip | |
| ausprobiert. | |
| Scheint es. Denn dass die Digitaleinnahmen des britischen Blatts inzwischen | |
| höher sind als die Printerlöse, hat vor allem damit zu tun, dass die | |
| Printauflage seit Jahren dramatisch sinkt. Von über 200.000 Stück Anfang | |
| des Jahrzehnts, auf mittlerweile 160.000. Und so steht dem Zuwachs um 15 | |
| Prozent im digitalen Bereich ein Schrumpfen um 10 Prozent im Printbereich | |
| gegenüber. Zwar ist die digitale Strategie des Guardian erfolgreich. Aber | |
| hier haben eher die Printeinnahmen die Onlineeinnahmen „unterholt“ als | |
| umgekehrt. Millionenverluste macht der Verlag weiter. | |
| Es ist schon richtig, bei der schwierigen Umstellung auf Web jeden Erfolg | |
| zu feiern. Viele Tageszeitungsverlage baumeln am Print wie an einem | |
| verrottenden Ast über dem Abgrund, weil die Alternative noch nicht gefunden | |
| ist. Ein digitales Produkt, für das Menschen täglich und regelmäßig | |
| bezahlen, wie sie es früher für die Papierzeitung taten, gibt es noch | |
| nicht. Mit Spiegel Daily wollte der Spiegel Verlag das Prinzip Tageszeitung | |
| ins Netz übertragen. Ohne Rascheln, ansonsten im Kern gleich. Das | |
| Experiment wurde nach einem Jahr wieder eingestellt. | |
| Das Informationsangebot im Netz ist schlicht zu groß, deswegen hat | |
| Information an sich keinen Warenwert mehr. Um dem bezahlmuffligen Publikum | |
| zu beweisen, dass Journalismus etwas wert ist, sind inzwischen größere | |
| Stunts nötig als eine nett layoutete Titelseite mit knackigem Kommentar. | |
| Die New York Times etwa vermeldet für 2017 50 Prozent mehr Einnahmen im | |
| Digitalen. Die US-Zeitung profitiert davon, dass ihre Marke als Gegenpol | |
| zum Trump-Amerika verstanden wird. | |
| Die Süddeutsche Zeitung hat kurzfristig durch die Enthüllungen der Panama | |
| Papers und Paradise Papers Abonnent*innen dazugewinnen können. Diese Form | |
| der Berichterstattung ist teuer und zeitaufwendig. Aber sie wird honoriert. | |
| Merke also: Journalismus wird dann als Wert begriffen, wenn er seiner | |
| Aufgabe als Machtkorrektiv nachkommt. | |
| 26 Jul 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.theguardian.com/media/2018/jul/24/guardian-media-group-digital-… | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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