# taz.de -- Rechter Medienkonzern in den USA: Trump-naher Sender ausgebremst | |
> Per Fusion will die ultrakonservative „Sinclair Broadcast Group“ ihre | |
> Macht im Lokalfernsehen ausbauen. Doch es gibt einen Rückschlag. | |
Bild: Hatte einen Sinneswandel: Ajit Pai, der Vorsitzende der US-Rundfunkkommis… | |
Berlin taz | Noch bis vor Kurzem sah es so aus als würden sich die | |
Trumpisten demnächst ein Monopol im US-Lokalfernsehen sichern. Der | |
ultrakonservative, Trump-nahe Medienkonzern „Sinclair Broadcast Group“ will | |
die Wettbewerberin „Tribune Media“ aufkaufen und würde damit seine | |
Reichweite massiv ausbauen. Die US-Rundfunkaufsicht FCC schien das nicht zu | |
stören, im Gegenteil: Sie erleichtere noch im November die bevorstehende | |
Fusion, [1][indem sie den Markt ein wenig in Sinclairs Sinn deregulierte]. | |
Jetzt aber hat sich die Behörde urplötzlich umentschieden und lässt die | |
Fusion von einem Verwaltungsgericht prüfen. Er habe „ernsthafte Bedenken“ | |
was die Fusion angeht, sagte der FCC-Vorsitzende Ajit Pai vergangene Woche | |
und überraschte damit die Gegner*innen der Fusion. Eigentlich gilt Pai, der | |
von Donald Trump in die Kommission berufen wurde, als Befürworter der | |
Konzernverschmelzung. | |
„Sinclair Broadcast Group“ hat seinen Hauptsitz in Maryland, nahe der | |
US-Hauptstadt Washington D.C. Der Konzern betreibt knapp 180 lokale | |
Fernsehsender über die Staaten verteilt. Für 3,9 Milliarden Dollar will | |
Sinclair 39 weitere Sender durch die Übernahme von Tribune Media erwerben. | |
Kritiker*innen, darunter die Organisation FreePress und der linksgerichtete | |
Thinktank „Media Matters“, warnen seit über einem Jahr davor, dass Sinclair | |
sich zu einem Monopolisten im lokalen Fernsehmarkt entwickeln könnte – und | |
zwar zu einem mit klarer rechter, nationalistischer und | |
verschwörungstheoretischer Ideologie. | |
Vielen gilt Sinclair als Trump-Propagandamaschine. Der Sender ist eng | |
verflochten mit Trumps ehemaligem Wahlkampfteam. Trumps Kampagnenstratege | |
Boris Epshteyn ist dort politischer Kommentator und verteidigt den | |
Präsidenten in seinen Videokommentaren regelmäßig gegen seine | |
Kritiker*innen. Während des Wahlkampfs gab der Kandidat Trump | |
Sinclair-Sendern regelmäßig Exklusivinterviews. | |
Brisant ist zudem: Lokalsender im Sinclair-Netzwerk sind vertraglich | |
verpflichtet, diese und andere Trump-freundliche Beiträge aus der | |
Zentralredaktion zu senden – und das obwohl die örtlichen Redaktionen | |
eigentlich autonom sind. Diese so genannten „Must-runs“ beinhalten neben | |
Epshteyn-Kommentaren auch reißerische „Terrorismus-Nachrichten“ sowie im | |
März dieses Jahres eine [2][orchestrierte Verunglimpfung der | |
„Mainstream-Medien“]. | |
## Vertrauen in lokales Fernsehen ist groß | |
Diese Art von politischen Botschaften gerade im Lokalfernsehen zu | |
verbreiten ist PR-technisch besonders interessant, weil die lokalen | |
Fernsehsender in der Regel ein breites Vertrauen genießen. In einer | |
[3][Umfrage] 2016 gab knapp die Hälfte der US-Amerikaner*innen an, dass sie | |
ihre Nachrichten aus dem lokalen Fernsehen beziehen. Wesentlich weniger | |
nannten Onlinequellen (38 Prozent) und überregionale Sender (30 Prozent). | |
Printzeitungen liegen mit 20 Prozent noch weiter hinten. | |
Lokalsender in den USA senden meistens ein Rahmenprogramm, das sie von den | |
großen Netzwerken wie ABC, Fox oder MSNBC einkaufen – den Rest gestalten | |
die Lokalredaktionen mit örtlichen Nachrichten über Verkehr, Wetter, | |
Kriminalfälle und Stories über Menschen aus der Gegend. Zuschauer*innen | |
verbinden „ihren“ Lokalsender meist mit ihrem Wohnort und empfinden ihn als | |
etwas Vertrautes. Den wenigsten ist klar, dass sie Inhalte aus einer | |
Zentralredaktion an der Ostküste sehen. | |
Sollte Sinclair die Konkurrentin Tribune Media aus Chicago schlucken, dann | |
wäre der Konzern in vielen Gegenden der USA der einzige Anbieter von | |
Lokalfernsehen. Zwar könnten Zuschauer*innen noch zwischen verschiedenen | |
Kanälen umschalten, es wäre jedoch eine Scheinwahl. Das betrifft unter | |
anderem Gegenden in politisch relevanten Swing-States wie Pennsylvania und | |
Michigan. Bisher war eine solche Komplettübernahme im lokalen Fernsehen | |
verboten, die entsprechende Regel hat die Aufsichtsbehörde FCC allerdings | |
im November gekippt. Bisher sah es so aus, dass der FCC-Vorsitzende Ajit | |
Pai die Fusion nicht nur erlauben, sondern sogar erleichtern wollte. | |
FreePress klagt deshalb bereits vor einem Gericht in D.C. gegen die Fusion. | |
Die journalistische NGO sowie Kritiker*innen behaupten, dass Sinclair nach | |
dem kauf von Tribune Media 7 von 10 US-Haushalte mit seiner Version der | |
Realität erreichen würde. Zahlen wie diese sind hypothetisch und fallen je | |
nach Grundlage unterschiedlich aus, Einigkeit besteht jedoch weitgehend | |
darüber, dass es mehr als 39 Prozent der US-Haushalte wären – das ist die | |
Schwelle, die laut den Regeln der FCC nicht überschritten werden darf. | |
Bisher sah es aber so aus, dass Sinclair durch Tricks diese Regel umgehen | |
würde. Etwa indem der Konzern Sender verkauft und durch informelle | |
Vereinbarungen faktisch weiter betreibt. Auch das hat die FCC im November | |
durch eine entsprechende Ausnahmeregel ermöglicht. Das Berufungsgericht in | |
Washington D.C. prüft jetzt, ob das rechtmäßig war. Mit einer Entscheidung | |
ist allerdings nicht vor dem Herbst zu rechnen – bis dahin könnte die | |
Fusion schon beendet sein. | |
## Konservativer Konkurrent fühlte sich bedroht | |
Um so wichtiger also, dass jetzt ausgerechnet der FCC-Vorsitzende Pai seine | |
Bedenken anmeldet. Dass sich Pai augenscheinlich einmal um hundertachtzig | |
Grad gedreht hat, kann mehrere Gründe haben. Zum einen befasst sich durch | |
die FreePress-Klage nun auch das Justizministerium mit dem Fall, womit sich | |
der Druck auf die FCC vergrößert. | |
Ebenfalls möglich ist, dass Pais Sinneswandel mit einem konservativen | |
Medienunternehmer zu tun hat, den die Fusion in seinen Geschäftsplänen | |
stören würde: Trump-Unterstützer Christopher Ruddy, der die einflussreiche | |
konservative Nachrichtenplattform Newsmax.com herausgibt. Ruddy sieht in | |
einem potenziellen Megakonzern Sinclair eine Gefahr für seine eigene | |
Reichweite – und hat diese Bedenken offenbar auch schon gegenüber dem | |
Präsidenten geäußert, will die konservative New York Post erfahren haben. | |
Sinclair hatte noch in aller Schnelle auf die Äußerungen Ajit Pais mit | |
Zugeständnissen reagiert und angeboten, drei lokale Sender aus der | |
Verkaufsmasse von Tribune Media herauszunehmen. Die FCC überzeugte das | |
nicht, sie entschied am Mittwoch einstimmig, dass die geplante Fusion von | |
einem Verwaltungsgericht überprüft werden muss. Damit sind die | |
Fusionsverhandlungen wahrscheinlich fürs erste unterbrochen, was ein | |
Rückschlag für Sinclair ist. | |
Komplett zerschlagen sind die Fusionsbestrebungen damit allerdings noch | |
lange nicht. Möglich ist, dass das Gericht weitere Auflagen macht. Und auch | |
diese könnte der rechte Konzern wieder durch Ausnahmereglungen umgehen. | |
Dazu kommt, dass Sinclair – zumindest aus Sicht Donald Trumps – gar nicht | |
mal so viele Lokale Märkte kontrollieren müsste. Um den Präsidenten zu | |
seiner Wiederwahl 2020 zu verhelfen, reichen einige ausgewählte Regionen in | |
den entscheidenden Swing-States. | |
20 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtslastiges-Fernsehen-in-den-USA/!5461142 | |
[2] https://theconcourse.deadspin.com/how-americas-largest-local-tv-owner-turne… | |
[3] http://www.journalism.org/2016/07/07/pathways-to-news/ | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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