| # taz.de -- Wie die AfD gegen ihre Gegner mobilisiert: Demokraten im Visier | |
| > „Miteinander“ kämpft für eine offene Gesellschaft. Das findet die AfD g… | |
| > nicht gut. Sie versucht, solchen Gruppen das Wasser abzugraben. | |
| Bild: Aktion gegen die Teilnahme der AfD an der „Meile der Demokratie“ in M… | |
| Magdeburg/Berlin taz | Der Verein hat seine Räume in einem alleinstehenden | |
| Haus im Süden Magdeburgs, der Putz an den Wänden ist grau. Im Erdgeschoss | |
| ist eine Versicherung untergebracht, die Treppe hoch im ersten Stock ist | |
| die Geschäftsstelle des Vereins „Miteinander“ untergebracht. Pascal | |
| Begrich, 44, Historiker und seit neun Jahren Geschäftsführer, lässt sich | |
| zum Gespräch auf einem der alten, rot gepolsterten Stühle an dem kleinen | |
| Tisch in seinem Büro nieder. „Was wir machen, ist Demokratieförderung“, | |
| sagt Begrich, „das gefällt der AfD nicht“. | |
| „Miteinander e. V. Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in | |
| Sachsen-Anhalt“, wie es vollständig heißt, hat sich vor 20 Jahren | |
| gegründet, als die rechtsextreme DVU mit 12 Prozent in den Magdeburger | |
| Landtag eingezogen war. Heute gibt es 27 MitarbeiterInnen, drei Standorte, | |
| ein Jahresbudget von 1,7 Millionen Euro. Das Geld kommt vor allem aus den | |
| Bundes- und Landesprogrammen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. | |
| Die MitarbeiterInnen recherchieren zu Rechtspopulismus und | |
| Rechtsextremismus, geben ihr Wissen an Politik und Medien weiter, führen | |
| Workshops an Schulen und Fortbildungen mit SozialarbeiterInnen durch, | |
| beraten Opfer rechter Gewalt und dokumentieren diese Attacken. 2017 waren | |
| das 198. In ihrer Bilanz für das Jahr beschreibt die Arbeitsstelle | |
| Rechtsextremismus, die auch zu „Miteinander“ gehört, wie sich die | |
| Strukturen der radikal Rechten in Sachsen-Anhalt umgruppiert haben. | |
| „Umfangreich belegt ist, dass und wie Personen, die zuvor im offen | |
| neonazistischen Kontext politisch aktiv waren, nun im Umfeld der AfD tätig | |
| sind“, heißt es da. | |
| „Die AfD will eine illiberale Gesellschaft etablieren“, sagt Begrich. Vor | |
| diesem Hintergrund müsse man auch die parlamentarischen Initiativen der | |
| Partei sehen. Eine davon: die Drucksache 7/2246 des Landtags von | |
| Sachsen-Anhalt, 236 Fragen zur „Fördermittelvergabe an den Verein | |
| ‚Miteinander e. V.‘ und angeschlossene Projekte“. Die AfD-Fraktion hat sie | |
| Ende vergangenen Jahres an die Landesregierung gestellt. Die AfD will | |
| wissen, ob ein nachgewiesener Kontakt mit Linksextremen den Verein als | |
| Träger der Jugendhilfe ausschließen würde. Welche Erkenntnisse oder | |
| Verdachtsmomente der Landesregierung über die Zusammenarbeit mit | |
| Extremisten vorliegen. Unter welchen Umständen die Gemeinnützigkeit des | |
| Vereins aberkannt werden könnte. So geht das 26 Seiten lang. „Natürlich | |
| können Fraktionen zu öffentlichen Fördergeldern Fragen stellen“, sagt | |
| Begrich. „Aber der AfD geht es nicht um eine sachlich fundierte | |
| Auseinandersetzung, sondern um Diskreditierung.“ | |
| André Poggenburg, früher Landes- und Fraktionschef der AfD, heute ihr | |
| Sprecher gegen Extremismus, hält „Miteinander“ für einen „staatlich | |
| subventionierten linken Verein“, der Meinungsmache gegen die AfD betreibe: | |
| „Da darf kein Cent Fördergeld mehr reingehen.“ | |
| ## Das Ziel: öffentliche Mittel entziehen | |
| Als sich die Landesregierung vor den Verein und seine Arbeit stellte, | |
| setzte die AfD nach. Vor einigen Wochen beantragte sie, „Miteinander“ die | |
| öffentlichen Mittel zu entziehen. Der Antrag scheiterte. Doch einige | |
| Mitglieder der CDU enthielten sich. „Die CDU steht hinter dem | |
| Landesprogramm für Demokratie und der Förderung von uns als Träger“, sagt | |
| Begrich. „Die Frage ist, ob das so bleibt.“ Der gesellschaftliche Diskurs | |
| habe sich schon stark nach rechts verschoben. | |
| Bei den Landtagswahlen im März 2016 erzielte die AfD in Sachsen-Anhalt mit | |
| 24,3 Prozent der Stimmen ihr bislang bestes Ergebnis. Die CDU musste sich | |
| mit SPD und Grünen zusammenschließen, damit der Christdemokrat Reiner | |
| Haseloff zum Ministerpräsidenten gewählt werden konnte. Nicht allen | |
| Christdemokraten gefällt dieser Kurs, manche haben, so heißt es, mit der | |
| AfD mehr gemein als mit ihren Koalitionspartnern. Einmal schon stimmten | |
| weite Teile der CDU-Fraktion für einen Antrag der AfD: als diese vor knapp | |
| einem Jahr die Einsetzung einer Enquetekommission zur Untersuchung von | |
| Linksextremismus beantragte. Vorsitzender wurde André Poggenburg. | |
| Die Kampagne gegen „Miteinander“ ist nicht der erste Versuch der AfD in | |
| Sachsen-Anhalt, gegen zivilgesellschaftlich Engagierte vorzugehen. Bereits | |
| im Februar 2017 legte die AfD-Fraktion einen „Alternativen-Haushaltsplan“ | |
| vor, in dem sie nach eigenen Angaben 4,5 Millionen bei „ideologischen | |
| Projekten in den Bereichen Kampf gegen Rechts / Willkommenskultur / linkes | |
| Vereinswesen“ streichen wollte. Im September beantragte sie, die linken | |
| Recherchenetzwerke „rechercheMD“ und „Sachsen-Anhalt rechtsaußen“ zu | |
| verbieten. Im Mai forderte die AfD im Landtag, „Schule ohne Rassimus“ die | |
| Fördermittel zu entziehen. 137 Schulen machen in Sachsen-Anhalt bei dem | |
| Netzwerk mit, das Vorurteile abbauen und Rassismus und Antisemitismus | |
| bekämpfen will. Die Begründung der AfD: Schule ohne Rassismus sei „linke | |
| Indoktrination, Meinungs- und Gesinnungsdiktatur“. „Bei ‚Schule ohne | |
| Rassimus‘ geht es um Demokratieförderung und Menschenrechtsbildung, damit | |
| hat die AfD offensichtlich ein Problem,“ sagt Cornelia Habisch von der | |
| Landeszentrale für politische Bildung dazu, die das Netzwerk koordiniert. | |
| Viele PolitikerInnen aus der Landesregierung seien Paten von „Schule ohne | |
| Rassismus“-Lehranstalten, darunter Ministerpräsident Haseloff. | |
| Im Januar meldeten die Rechtspopulisten sich bei der „Meile der Demokratie“ | |
| an. Anlass für deren Gründung war 2009 der Versuch von Rechtsextremen, den | |
| Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs während des Zweiten Weltkriegs | |
| revisionistisch aufzuladen. Ein breites Bündnis setzte demonstrierenden | |
| Neonazis einen Aktionstag entgegen. | |
| ## Demokratiefreunde auseinanderdividiert | |
| Aber jetzt gemeinsam mit der AfD? Einer Partei, die im Landtag vertreten | |
| ist, die Teilnahme zu verwehren, schien juristisch nicht durchsetzbar. | |
| „Miteinander“ und einige andere Organisationen blieben der Meile fern, | |
| andere wollten sich das Projekt von den Rechtspopulisten nicht nehmen | |
| lassen. Eine Spaltung. „Die Debatte dazu in dieser Schärfe habe ich nicht | |
| erwartet“, sagt Begrich. „Da hat sich etwas verändert, auch durch die | |
| Verunsicherung.“ Schließlich veröffentlichten 54 Organisationen und | |
| Einzelpersonen eine Erklärung: „Gegen ein Klima der Angst und Denunziation. | |
| Angriffe auf die pluralistische Zivilgesellschaft zurückweisen.“ | |
| Pascal Begrich beobachtet, dass kleinere Initiativen das scharfe Vorgehen | |
| der AfD im Parlament verunsichert. „Wir halten da stand, wir sind es | |
| gewohnt, von weit rechts angegriffen zu werden“, sagt er. „Aber andere | |
| Organisationen werden vorsichtiger, auch in der Zusammenarbeit mit uns.“ | |
| Ein anderer „Miteinander“-Mitarbeiter wird deutlicher: „Kleinere Projekte… | |
| Fraueninitiativen, Migrantenvereine, Organisationen aus der Kinder- und | |
| Jugendarbeit – haben große Angst, von der AfD an den Pranger gestellt zu | |
| werden. Sie fragen sich: Halten wir das durch? Können wir uns gegen die AfD | |
| positionieren?“ | |
| Parlamentarische Anfragen der AfD, die zivilgesellschaftliche Initiativen | |
| aufs Korn nehmen, hat es auch in anderen Landtagen wie Thüringen, | |
| Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen gegeben. Im Bundestag zieht die AfD mit | |
| einer Anfrage gegen die Publikation „Aktivitäten gegen den ‚Gender-Wahn‘… | |
| des Soziologen Andreas Kemper zu Felde, der sich seit Jahren mit | |
| Antifeminismus beschäftigt. In Bremen geht die AfD gegen einen Lehrer vor, | |
| der die Neutralitätspflicht verletzt haben soll, weil er Schüler auf die | |
| Website „AfD-Watch Bremen“ aufmerksam gemacht hat. „Die AfD will kritische | |
| Stimmen verunsichern und mundtot machen“, sagt Begrich. | |
| Drucksache 18/12127 im Berliner Abgeordnetenhaus. 129 Fragen zu | |
| „Linksextremistischen Netzwerken in Berlin“, wie der AfD-Abgeordnete | |
| Thorsten Weiß seine Anfrage nennt. Rund 50 Organisationen rückt die AfD | |
| darin in die Nähe zum Linksextremismus, darunter das Anne Frank Zentrum, | |
| den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, den DGB und die Amadeu Antonio | |
| Stiftung. | |
| Die Stiftung und ihre Chefin Anetta Kahane hat die AfD besonders im Visier. | |
| An einem Dienstag Anfang Juli sitzt Robert Lüdecke auf einem Podium im | |
| Reichstag, die Fraktion der Linkspartei hat zu einem Fachgespräch unter dem | |
| Titel „Angriffe auf Demokratie und Menschenwürde“ geladen. Lüdecke ist der | |
| Pressesprecher von Amadeu Antonio. Er berichtet vom Frühjahr und Sommer | |
| 2016, als sie erst eine Handreichung zum Umgang mit der AfD und dann eine | |
| zum Umgang mit Hetze gegen Geflüchtete veröffentlichte. „Danach brach eine | |
| unglaubliche Welle des Hasses über uns ein“, sagt Lüdecke. „Wir wurden | |
| bedroht.“ Mit dem Gerede von „Stasi 2.0“ und der „Stiftung der Schande�… | |
| habe die AfD dies angeheizt. „Seitdem ist für uns der Druck enorm | |
| gewachsen. Psychisch und materiell.“ Die Stiftung fuhr die | |
| Sicherheitsvorkehrungen hoch, aber auch die einzelnen Mitarbeiter machen | |
| sich Sorgen. Was ist, wenn ich alleine abends am Bahnhof stehe? | |
| Veröffentlichungen werden inzwischen akribisch geprüft. „Das alles kostet | |
| Zeit und Geld, unsere inhaltliche Arbeit leidet massiv darunter“, so | |
| Lüdecke. | |
| Auch auf dem Podium sitzt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen. „Wir haben | |
| die Gnade der frühen Wahl“, sagt er. Sachsen war im August 2014 das erste | |
| Bundesland, in dem die AfD in den Landtag einzog – mit knapp 10 Prozent. | |
| Von den 14 Abgeordneten sind noch 9 übrig geblieben. „Die stellen auch | |
| solche Anfragen, haben aber nicht die Kraft, das weiterzuverfolgen“, so | |
| Nattke. Im kommenden Jahr könnte das vorbei sein. Bei der Landtagswahl will | |
| die AfD das Ergebnis in Sachsen-Anhalt toppen. Und stärkste Kraft in | |
| Sachsen werden. Ausgeschlossen ist das nicht. | |
| 21 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Demokratie | |
| Antifaschismus | |
| AfD Bremen | |
| Freunde | |
| Brandenburg | |
| DDR | |
| Stephan Kramer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Radio-Bremen-Autor bei rechter Partei: Journalist will AfD zähmen | |
| Ein Radio-Bremen-Autor ist im Landesvorstand der Bremer AfD. Er suche dort | |
| „konservative“ Antworten, sagt er. Dabei ist der Bremer Parteiverband | |
| besonders rechts. | |
| Hilfe, mein Kumpel wählt die AfD!: Keine Panik | |
| Ihre Freundin aus dem Chor wählt AfD, auch Ihr Kumpel driftet nach rechts? | |
| Jetzt heißt es cool bleiben, Argumente sammeln und nicht draufhauen. | |
| Nachruf auf Erardo Rautenberg: Fritz Bauer als Kompass | |
| Engagierter Kämpfer gegen rechts: Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo | |
| Cristoforo Rautenberg ist tot. Nazijäger wurde er genannt. | |
| Debatte Aufarbeitung von SED-Unrecht: Das große Schweigen | |
| Rechtspopulisten gewinnen in DDR-Opferverbänden an Einfluss. Und die wollen | |
| ihre Anfälligkeit für Geschichtsrevisionismus nicht wahrhaben. | |
| Zoff um die Amadeu-Antonio-Stiftung: Zwischen allen Fronten | |
| Gerade erst wurde die Stiftung von Rechten attackiert. Nun kritisieren | |
| antirassistische Initiativen, dass eine Nähe zum Verfassungsschutz bestehen | |
| soll. |