# taz.de -- Gipfelreffen in Helsinki: Das Spiel der Mächtigen | |
> US-Behörden werfen 12 russischen Agenten Einmischung in den US-Wahlkampf | |
> vor. Wird Präsident Trump ihre Auslieferung von Putin verlangen? | |
Bild: Trump und Putin: Schon immer eine besondere Beziehung | |
NEW YORK taz | Donald Trump könnte jetzt aufatmen. Denn nachdem der | |
US-Präsident bislang weder präzise Themen noch Ziele für sein Gipfeltreffen | |
mit Wladimir Putin genannt hat, wäre es seit Freitag möglich, in Helsinki | |
eines seiner Hauptanliegen in den Vordergrund zu stellen: die Verteidigung | |
der nationalen Sicherheit. Die nötigen Argumente dazu hat ihm | |
US-Vizejustizminister Rod Rosenstein geliefert, als er in Washington die | |
Anklage gegen Agenten des russischen militärischen Geheimdienstes GRU | |
vorstellte. | |
Es ist die erste Anklage aus dem Büro von Sonderermittler Robert Mueller, | |
die sich direkt gegen die russische Spitze richtet, und sie nennt zwölf | |
Russen namentlich, denen sie Datendiebstahl, Geldwäsche und Verschwörung | |
vorwirft – alles mit dem Ziel, den US-Präsidentschaftswahlkampf zu stören | |
und für Chaos zu sorgen. Vor allem sollen sie 2015 und 2016 bei der | |
Demokratischen Partei und bei Hillary Clinton gewildert haben. Doch auch | |
die Daten von einer halben Million WählerInnen aus dem Wahlbüro des | |
Bundesstaates Illinois sollen sie gestohlen haben. | |
Bei dem Treffen in Helsinki könnte der US-Präsident die Auslieferung der | |
Agenten von dem russischen Präsidenten verlangen, um sie vor ein US-Gericht | |
zu stellen; er könnte auch darauf bestehen, dass die [1][politisch | |
motivierte Cyberspionage], die nach Ansicht sämtlicher US-Geheimdienste | |
auch in dem gegenwärtig laufenden Wahlkampf für die Midterms | |
(Zwischenwahlen) stattfindet, aufhört. | |
Die demokratische Opposition in den USA verlangt sogar, dass er den Gipfel | |
komplett absagt. Und zumindest ein republikanischer Senator argumentiert | |
ebenfalls in diesem Sinne. Falls Trump den russischen Präsidenten nicht zur | |
Rechenschaft ziehen will, so John McCain, solle er den Gipfel platzen | |
lassen. | |
## Trump will russische Spionage Obama anhängen | |
Doch Trump will nichts von alledem wissen. Bei seinem Vieraugengespräch mit | |
Putin will er lediglich danach „fragen“, ob sich Russland in den | |
US-Wahlkampf eingemischt habe. Und selbst das stellt er dar, als wäre es | |
eine alberne Frage. Vor JournalistInnen fügte er witzelnd hinzu, dass er | |
kein Geständnis von Putin erwarte. | |
Am Tag nach Rosensteins Pressekonferenz legte Trump von seinem Golfplatz in | |
Schottland aus mit einer Verschwörungstheorie nach. In einem Tweet machte | |
er Barack Obama für etwaige russische Einmischungen verantwortlich und | |
versuchte, die Anklageschrift der US-Justiz mit den Worten „Deep State“ und | |
einem Fragezeichen zu diskreditieren. Ein Kampfbegriff, der suggeriert, | |
dass geheime Seilschaften von GeheimdienstlerInnen und anderen angeblichen | |
Obama-AnhängerInnen gegen seine Präsidentschaft konspirieren. | |
Eine Verteidigung der US-Demokratie gegen mutmaßliche ausländische | |
Einmischungen sucht man auch im Kommunique des Weißen Hauses, das am | |
Freitag wenige Minuten nach den Anklagen kam, vergeblich. Es zeigt vor | |
allem Erleichterung, weil die neuen Anklagen sich nicht gegen | |
US-Staatsangehörige richten und weil sie nicht sagen, dass die russische | |
Verschwörung das Wahlergebnis in den USA verändert habe. | |
Trumps Vertrauter Rudolph Giuliani reagierte auf die Anklagen mit der | |
Aufforderung an Mueller, seine Ermittlungen einzustellen, weil er nur | |
Russen gefunden habe. Und mehrere republikanische Hinterbänkler planen ein | |
Amtsenhebungsverfahren gegen Vizejustizminister Rosenstein, statt gegen die | |
Cyberhacker vorzugehen. | |
## Sabotage der Sonderermittlungen | |
Rosenstein hat Mueller im Mai 2017 als Sonderermittler engagiert und | |
funktioniert als dessen Vorgesetzter, weil Justizminister Jeff Sessions | |
sich in den Russlandermittlungen für befangen erklärt hat. Sessions tat | |
das, als bekannt geworden war, dass er den Kongress über seine Kontakte zu | |
dem damaligen russischen Botschafter Sergei Kisljak belogen hatte. | |
Trump hat die Arbeit von Sonderermittler Mueller von Anfang sabotiert und | |
als „Hexenjagd“ und parteipolitisches Manöver bezeichnet. Die russische | |
Einmischung bezeichnete er als „Falschmeldung“ und mutmaßte, dass die | |
Cyberattacken ebenso gut auf das Konto anderer, etwa „China“, gehen | |
könnten. | |
Diese Dinge wiederholte er so häufig in der Öffentlichkeit, bis sie wie | |
Fakten klangen. Die Trump schweigend ergebene Mehrheit des republikanischen | |
Apparates nimmt sowohl die Milde gegenüber Moskau als auch die FBI-Schelte | |
hin, obwohl Moskau für Republikaner jahrzehntelang der „Feind“ war und das | |
FBI eine der konservativsten Institutionen der USA ist. | |
Dabei haben die Chefs sämtlicher US-Geheimdienste – darunter auch Trumps | |
Außenminister Mike Pompeo in seiner früheren Eigenschaft als CIA-Direktor – | |
wiederholt bestätigt, dass sich Russland in den US-Wahlkampf eingemischt | |
hat. | |
## Der furchtlose Sonderermittler | |
[2][Sonderermittler Mueller], ein Republikaner und einer der bestvernetzten | |
Männer in Washington, hat das FBI von den Attentaten im September 2001 bis | |
ins Jahr 2013 geführt. Bei jeder neuen Nominierung – sowohl von George W. | |
Bush als auch von Obama – bekam er die Zustimmung beider Parteien im Senat. | |
Trump aber begegnet ihm mit derselben Mischung aus Verachtung und Blockade, | |
die er gegenüber FBI-Direktor James Comey gezeigt hat, den er im Mai 2017 | |
feuerte, als er nicht bereit war, die Ermittlungen gegen Trumps ehemaligen | |
Berater für die Nationale Sicherheit, Michael Flynn, einzustellen. | |
Wenn Mueller Familienangehörige und Mitarbeiter von Trump vorlädt und erst | |
recht, wenn er Trump-Vertraute anklagt übt der Präsident Druck aus und | |
erwägt öffentlich Vergeltungsschläge. Bislang hat Mueller neben Dutzenden | |
anderen Personen fünf Mitarbeiter aus Trumps Präsidentschaftskampagne | |
angeklagt. Drei von ihnen – darunter Flynn – haben sich in einzelnen | |
Punkten schuldig bekannt und scheinen mit Mueller zusammenzuarbeiten. Zwei | |
weitere Angeklagte aus Trumps innerstem Kreis scheinen gegensätzliche Wege | |
einzuschlagen. | |
## Aufklärung sei eine „patriotische“ Angelegenheit | |
Trumps langjähriger New Yorker Anwalt Michael Cohen, der Frauen, die | |
Verhältnisse mit Trump hatten, Schweigegelder zahlte und für Trump | |
Geschäfte mit russischen Oligarchen anbahnte, ist offenbar zur Aussage | |
bereit, nachdem das FBI Razzien in seinem Büro und seiner Wohnung gemacht | |
und ihn inhaftiert hat. Für Cohen, der einst erklärt hat, er würde „eine | |
Kugel für Trump“ in Kauf nehmen, sind neuerdings seine Familie und sein | |
Land oberste Priorität. | |
Anders verhält sich Trumps ehemaliger Kampagnenchef Paul Manafort, den | |
Mueller ebenfalls hinter Gitter gebracht hat. Bevor Manafort im Wahlkampf | |
für Trump tätig wurde, hatte er unter anderem den prorussischen Wiktor | |
Janukowytsch bei dessen Wahlkampf in der Ukraine beraten. Die Millionen, | |
die Manafort dafür kassierte und vor dem US-Fiskus verheimlichte, sind | |
einer der Anklagepunkte, die Mueller gegen ihn hat. Doch bislang verweigert | |
Manafort jede Zusammenarbeit mit Mueller. | |
Die Anklage gegen zwölf Russen drei Tage vor dem Gipfel in Helsinki war | |
eine politische Bombe. Am Freitag teilten US-Kabelsender ihre Bildschirme | |
in Rosenstein auf der einen und Trump, der gerade die Queen Elizabeth II. | |
auf Schloß Windsor besuchte, auf der anderen Hälfte. | |
Rosenstein begründete die Terminwahl für seine Pressekonferenz mit dem Gang | |
der Ermittlungen. Und sagte, er habe Trump vorab informiert. Aber zugleich | |
machte der Vizeminister, dessen Tage im Amt gezählt sein mögen, keinen Hehl | |
aus seinem Unbehagen. Aufklärung über Cyberspionage sei weder eine | |
republikanische noch eine demokratische Angelegenheit, sagte er, sondern | |
eine „patriotische“. | |
## Hackangriff auf Befehl und Geldflüsse aus Russland | |
Eines der Details der 29-seitigen Anklageschrift geht zurück auf den 27. | |
Juli 2016. An jenem Tag forderte Kandidat Trump „Russland“ auf, die | |
Computer seiner Widersacherin Clinton zu hacken. „Russland“, rief er, „ich | |
hoffe, du findest die 30.000 verschwundenen E-Mails.“ Bei derselben | |
Pressekonferenz pries Trump die „Führungsqualitäten“ von Wladimir Putin, | |
die „viel besser als die von Barack Obama“ seien. | |
Als hätten sie den Bittsteller aus Florida gehört, sollen russische Agenten | |
laut Anklageschrift noch am selben Tag erstmals in die Computer der | |
Clinton-Kampagne eingedrungen sein. Danach sollen die von ihnen | |
geschaffenen virtuellen „Guccifer 2.0“ und „DCLeaks“ mit der | |
Veröffentlichung der gestohlenen Dokumente und E-Mails begonnen haben. | |
Die wenigen Informationen und die zahlreichen Spekulationen über die | |
Ermittlungen von Mueller sind schon jetzt verwirrend. Erschwerend kommt | |
hinzu, dass Trump sie als „zu lang“ und „zu teuer“ kritisiert. Doch auch | |
die Sonderermittlungen über mutmaßlich kriminelle Machenschaften früherer | |
US-Präsidenten waren verwirrend, lange und teuer. Und viele von ihnen | |
nahmen oft erst im zweiten Jahr neue und letztlich entscheidende Wenden. | |
## Aufmerksamkeit auf Russland | |
Die bisherigen Anklagen von Mueller, darunter die vom Freitag, zeigen, dass | |
auch dieses Mal ein Richtungswechsel bei den Ermittlungen nicht | |
ausgeschlossen ist. Vorerst ist unklar, ob es geheime Absprachen zwischen | |
dem Kandidaten Trump und den russischen Agenten gab, und unklar, ob die | |
Ermittlungen eines Tages zu einer Amtsenthebung von Trump führen werden. | |
Aber es zeichnet sich ab, dass sich die Ermittler für mögliche | |
Abhängigkeiten des US-Präsidenten interessieren. Unter anderem | |
konzentrieren sie ihre Aufmerksamkeit auf Geldflüsse aus Russland, die an | |
Trump gingen, als US-Banken ihn wegen seiner Konkurse für nicht mehr | |
kreditwürdig hielten. | |
15 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Cyberangriffe-im-US-Wahlkampf/!5351110 | |
[2] /US-Sonderermittler-Mueller/!5456938 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## TAGS | |
Donald Trump | |
Wladimir Putin | |
Gipfeltreffen | |
Helsinki | |
Hackerangriff | |
Russland | |
USA | |
Midterms | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Paul Manafort | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Wladimir Putin | |
Präsident Trump | |
Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
US-Bürger in Russland verurteilt: 16 Jahre Haft für Paul Whelan | |
Ein Ex-US-Marine, der 2018 in Moskau verhaftet wurde, ist wegen Spionage zu | |
16 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Er beteuert seine Unschuld. | |
Midterm-Wahlen in den USA: Tindern für Wähler*innen | |
Zu wenig junge Menschen gehen in den USA wählen. Tech-Unternehmen wollen | |
das ändern – und starten Kampagnen zur Wahlregistrierung. | |
Kommentar Urteile gegen Trump-Berater: Standhaft wie eine Sekte | |
Trump zeigt, wie ein eigentlich demokratisches System zum Autoritarismus | |
umgebaut werden kann. Nur die WählerInnen können ihn stoppen. | |
Trumps Ex-Vertraute vor Gericht: Schwere Bürde für den Wahlkampf | |
Trumps Ex-Kampagnenchef wird für schuldig befunden. Sein langjähriger | |
Anwalt belastet ihn. Das schmälert auch die Chancen der Republikaner. | |
Prozessauftakt gegen Trumps Ex-Berater: Manafort steht vor Gericht | |
Jetzt begann der Prozess gegen Trumps ehemaligen Kampagnenchef Paul | |
Manafort. Er ist wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe angeklagt. | |
Kommentar zum Treffen Putin-Trump: Zu Hause wartet Ärger | |
Nach dem Gipfel in Helsinki steht Donald Trump in der Kritik. Putin | |
gegenüber demütigte er die CIA – eine Todsünde für einen US-Präsidenten. | |
Gipfeltreffen von USA und Russland: Viel Lärm um nichts | |
Experten in der Ukraine erwarten wenig von dem Treffen zwischen Trump und | |
Putin: der eine sei unberechenbar und der andere auf alles vorbereitet. | |
Gastkommentar Trump-Putin-Gipfel: Manipulieren und polarisieren | |
Es ist kein Zufall, dass Trump die Hackerangriffe im US-Wahlkampf bei | |
seinem Treffen mit Putin außen vor lässt. Die Demokratie ist ihm egal. | |
Treffen zwischen Putin und Trump: Demonstrationen in Helsinki | |
In der finnischen Hauptstadt protestieren Menschen gegen den Besuch von | |
Putin und Trump. Letzterer bedauert das angespannte Verhältnis beider | |
Länder. | |
US-Präsident droht Nato-Partnern: Ein blauer Brief von Trump | |
Vor dem Nato-Gipfel in einer Woche setzt Donald Trump die Alliierten unter | |
Druck. Er fordert mehr Geld fürs Militär – und macht Putin Avancen. | |
Versuchte Wahlbeeinflussung in den USA: Sanktionen gegen Russland | |
Späte Reaktion aus dem Weißen Haus: US-Geheimdienste beschuldigen Russland | |
seit längerem, sich in die Präsidentschaftswahl 2016 eingemischt zu haben. | |
Entscheidung im US-Repräsentantenhaus: Neue Sanktionen gegen Russland | |
Es ist ein Signal an Präsident Trump: Die Abgeordneten wollen seiner | |
Russland-Politik Grenzen setzen. Es gibt aber auch Kritik an der | |
Entscheidung. |