# taz.de -- Berliner Kommentar der Woche II: Ein offenes Wort unter Vertrauten | |
> Ein Polizist schreibt eine SMS mit einem bekannten Code für den | |
> verbotenen Nazigruß „Heil Hitler“. Brisant daran: der Mann arbeitet beim | |
> Staatsschutz. | |
Bild: Die Berliner Polizei hat aktuell ein Problem mit Nazi-Sprüchen | |
Man muss sich das mal bildlich vor Augen führen: Ein Polizist schreibt kurz | |
nach dem Weihnachtsmarktanschlag eine Silvester-SMS an mehrere Personen, | |
darunter seinen Chef: „Kommt jut rinn. haltet euch von Merkel & Co und | |
ihren scheiß Gut-Menschen fern. Ich erwarte euch im nächsten Jahr. Bis | |
denne“ – keine drei Wochen später sendet er: „Haltet die Ohren steif“ … | |
kurz darauf „88“. Letzteres ist der weithin bekannte Code für den | |
verbotenen Nazigruß „Heil Hitler“. | |
Als die Geschichte am Donnerstag durch Recherchen von Morgenpost, NDR und | |
[1][„Kontraste“] ans Licht kam, fiel vermutlich so manchem die Kinnlade | |
herunter. Tatsächlich weiß man ja gar nicht, worüber man sich am meisten | |
aufregen soll. | |
Dass ein Polizist – und zwar nicht irgendeiner, sondern einer vom | |
[2][Staatsschutz] – also der Elitetruppe, die uns vor Extremisten schützen | |
soll – in Nazisprache redet? Dass er dafür nur einen Verweis bekommen hat, | |
die mildeste Form der Disziplinarstrafe, ansonsten aber weiter seinen | |
Dienst als „Freund und Helfer“ versehen darf?? Dass der Polizeisprecher | |
erklärt, „bei den betroffenen Beamten wurde keine extremistische Gesinnung | |
festgestellt“??? | |
## Nur zufällig kam die Sache ans Licht | |
Noch viel gruseliger als all dies ist die Vorstellung, in welcher | |
Atmosphäre solche Nachrichten geschrieben werden. Offenkundig wusste der | |
Absender, dass er und sein Chef sich in dieser Sache einig sind – wer traut | |
sich schon, in rechtsextremistischer Weise zu wettern, wenn er nicht ganz | |
sicher weiß, dass der Chef genauso tickt? Damit lag er ja auch nicht | |
falsch, der Vorgesetzte hat nichts unternommen, nur zufällig kam die Sache | |
ans Licht. | |
Und als ob das noch zu toppen wäre: Offenkundig gab es weitere Adressaten, | |
die SMS richten sich ja an mehrere: „Kommt jut rin“, „haltet euch von | |
Merkel fern“. Von den derart Angesprochenen hat – soweit bislang bekannt – | |
niemand protestiert. Wirklich eine illustre Runde, die da beim Staatsschutz | |
arbeitet. | |
All dies erfährt man einen Tag nach den Urteilen im Münchener NSU-Prozess. | |
In vielen Kommentaren dazu wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass sehr | |
vieles in diesem gesamten Komplex bislang nicht aufgearbeitet wurde. Zum | |
Beispiel, wie blind unsere Staatsorgane auf dem rechten Auge wirklich sind. | |
14 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-12-07-2018/rechtse… | |
[2] https://www.berlin.de/polizei/dienststellen/landeskriminalamt/lka-5/ | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Nazis | |
Staatsschutz | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
Rocker | |
Staatsschutz | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Anis Amri | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Polizei und Rocker-Mord: Mord mit Eskorte | |
Berliner LKA-Beamte ließen einen Mord geschehen, um einen Rockerchef zu | |
überführen. Den Rechtsstaat haben sie liquidiert, womöglich auch aus | |
Rassismus. | |
Amri-Ermittler verschickt Neonazi-SMS: Extremisten bei der Polizei? Aber nein! | |
Beamter im Staatsschutz verschickt SMS mit rechtsextremistischem Gruß „88“ | |
– und bekommt nur einen Verweis. Linke und Grüne sind empört. | |
NSU-Aufklärung in Berlin: Debatte um Untersuchungsausschuss | |
Rot-Rot-Grün will Konsequenzen aus dem NSU ziehen und weiter aufklären. | |
Nicht einig ist man sich, ob es einen Untersuchungsausschuss braucht. | |
Anwalt über heimliches Datensammeln: „Das Ausmaß lässt sich erahnen“ | |
Anwalt Sven Adam vertritt Betroffene, über die der Staatsschutz wohl | |
illegal Daten gesammelt hat. Daran, dass die gelöscht wurden, hat er | |
Zweifel. | |
Polizei Berlin und der Fall Amri: Nun doch ein Ausschuss | |
Parlament befasst sich mit Vertuschungsvorwürfen beim Staatsschutz. | |
Sonderermittler berichtet. R2G will jetzt auch einen Untersuchungsausschuss | |
einrichten. |