# taz.de -- Amri-Ermittler verschickt Neonazi-SMS: Extremisten bei der Polizei?… | |
> Beamter im Staatsschutz verschickt SMS mit rechtsextremistischem Gruß | |
> „88“ – und bekommt nur einen Verweis. Linke und Grüne sind empört. | |
Bild: Neonazi-Codes wie „88“ gibt es viele: Hier ein Verkaufsstand beim Neo… | |
BERLIN taz | Ist die Polizei zu nachsichtig, wenn es um Rechtsextremisten | |
in ihren eigenen Reihen geht? Ein Verdacht in diese Richtung ist immer | |
heikel – [1][an Tag eins nach dem Urteil im NSU-Prozess] ist er besonders | |
brisant. Und doch stellt sich nach den jüngsten Enthüllungen von Berliner | |
Morgenpost, Kontraste und NDR die Frage: Wie kann es sein, dass ein | |
Berliner Beamter der Abteilung für Staatsschutz, für die Verfolgung | |
politischer Extremisten zuständig, in SMS an seinen Vorgesetzten | |
rechtsextremistisches Vokabular benutzt – und dafür nur einen Verweis | |
bekommt? | |
Die genannten Medien zitierten am Donnerstag aus einem ihnen vorliegenden | |
polizeiinternen Vermerk: Danach hat ein für die Ermittlungen gegen den | |
Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri zuständiger Polizeioberkommissar | |
seinem Vorgesetzten, einem Kriminalhauptkommissar, in einer SMS an | |
Silvester 2016, knapp zwei Wochen nach dem Anschlag, geschrieben, er möge | |
sich von „Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen“ fernhalten. In einer | |
anderen SMS an denselben Adressaten nutzte er wenige Wochen später als | |
Abschiedsgruß die Ziffern „88“ – ein Code von Rechtsextremisten für „… | |
Hitler“. | |
Laut den Berichten wurden die Kurznachrichten nur zufällig entdeckt: bei | |
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Vorgesetzten wegen des | |
Verdachts der Aktenmanipulation im Amri-Fall. Er und ein weiterer | |
Staatsschützer waren verdächtigt worden, im Nachhinein einen Aktenvermerk | |
über Amri manipuliert zu haben, um ihre Untätigkeit vor dem Attentat zu | |
kaschieren. [2][Das Verfahren wurde im April eingestellt.] | |
Bei diesen Ermittlungen sei das Handy des Kriminalhauptkommissars | |
ausgelesen, die SMS an die Dienststelle 324 des Landeskriminalamts | |
weitergegeben worden. Diese habe den Vermerk erstellt, der nun bekannt | |
wurde. Darin heißt es laut Morgenpost, der Vorgesetzte habe nicht die | |
„erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen“ gegen seinen Mitarbeiter in | |
die Wege geleitet – wozu er als Vorgesetzter laut Dienstvorschrift aber | |
verpflichtet wäre. | |
## Polizei: „Keine extremistische Gesinnung“ | |
Die Polizei bestätigte die Sachlage laut Morgenpost soweit, der | |
SMS-Schreiber habe einen Verweis bekommen, das Verfahren gegen den | |
Vorgesetzten sei noch offen. Ein Sprecher erklärte weiter gegenüber der | |
Zeitung: „Bei den betroffenen Beamten wurde keine extremistische Gesinnung | |
festgestellt.“ | |
Eine taz-Anfrage, welche anderen Gründe vorliegen könnten, wurde bis | |
Donnerstag Nachmittag (Stand 15:30 Uhr) nicht beantwortet. | |
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nahm die Beschuldigten teilweise in | |
Schutz. Zwar habe der Kollege einen „schwerwiegenden Fehler“ gemacht, aber | |
die Nachricht „offenbar nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte | |
geschrieben“, erklärte GdP-Landesvorsitzender Norbert Cioma. Der | |
Vorgesetzte habe dem Kollegen daraufhin im persönlichen Gespräch „die | |
Leviten gelesen“. | |
Nicht alle sehen das so gelassen. Dass der SMS-Schreiber weiter im | |
Polizeidienst ist, kommentierte der innnenpolitische Sprecher der | |
Linken-Frakion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, am Donnerstag auf | |
Twitter mit: „Polizei, wir haben ein Problem!“ Der FDP-Abgeordnete und | |
Innenpolitiker Marcel Luthe erklärte laut dpa, bei einem Verweis dürfe es | |
nicht bleiben: „Ich möchte keinen Polizisten, der mit ‚Heil Hitler‘ grü… | |
Und schon gar nicht beim Staatsschutz.“ | |
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, kündigte laut | |
Morgenpost an, den Fall im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages | |
aufarbeiten zu wollen. Und Berlins ehemaliger Polizeidirektor Michael Knape | |
sagte Kontraste: „Es ist nicht zu tolerieren. Polizeibeamte, die im | |
polizeilichen Staatsschutz Dienst verbringen und so einen Sprachgebrauch | |
pflegen, haben sich charakterlich disqualifiziert und gehören nicht in den | |
Polizeidienst.“ | |
12 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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