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# taz.de -- ZDF-Doku „37°: Einsatz im Wüstensand“: Rosenmontagsumzug mit …
> Fünf Monate lang begleitet ein Filmteam einen Bundeswehr-Offizier bei
> seinem Einsatz in Mali. Kritische Nachfragen? Fehlanzeige.
Bild: Matthias Lehner (im Vordergrund, mit Halstuch) hat in Mali die meiste Zei…
Da hat das ZDF jetzt also Sam Mendes’ „Jarhead“ neu verfilmt. Das Drama
eines US-Marines (Jake Gyllenhaal) in Zeiten der Automatisierung des
Kriegshandwerks, dessen Einsatz im Irakkrieg nur aus langweiligem Warten
besteht und der am Ende nach Hause zurückkehrt, ohne einen einzigen Schuss
abgefeuert zu haben.
Im deutschen Remake wird der Soldat von Matthias Lehner gegeben. Fünf
Monate dauert [1][sein Minusma-Einsatz in Mali,] am Ende wird es auch über
ihn und seine Kameraden heißen: „Einen Schuss haben sie nie abgegeben.“ Das
mit Mauer und Stacheldraht bewehrte Lager haben sie nur gepanzert und
schwer bewaffnet für gelegentliche Patrouillenfahrten verlassen. Dialoge
zwischen den Soldaten gingen so: „Was machst du heut noch? Nichts, ne?“
„Nö. Wie immer. Nee, keine Ahnung. Und heut Abend würd ich eigentlich nur
chillen, nix machen.“
Nur einmal wurde es plötzlich doch noch brenzlig, beinahe: Ein Panzer ist
auf eine Sprengfalle gefahren. Der Fahrer schwer verletzt. Lehners Soldaten
leisten erste Hilfe. Mitten in der Wüste lässt der Zugführer den Ernstfall
proben. In einer anderen Szene stehen die Soldaten auf ihrem Radpanzer und
bewerfen die umstehenden Kinder mit Süßigkeiten, als wär’ Rosenmontag: „…
Matthias Lehner und seine Soldaten sind es diese Momente, die ihnen Sinn
und Halt geben in einem Einsatz, der oft wie eine ziellose Reise durch den
Wüstensand wirkt.“ Aus dem Off ertönt die vertraute Stimme von Schlagerstar
Freddy Quinn: „Brennend heißer Wüstensand …“
Nein, stopp, so nicht. Aber außer Freddy Quinn stimmt alles – und das ZDF
meint das natürlich furchtbar ernst. Das „Jarhead“-Remake [2][ist eine
Dokumentation] (der Autoren Daniel Moj und Jörg Stolpe) aus der Reihe
„37°“. Da geht es um „Menschengeschichten“. Das stellt bereits der Vor…
unmissverständlich klar – der mit Mainzelmännchen davor und danach auch als
Werbespot eines Lebensversicherers funktionieren würde.
## Kein Nachhaken
Die erste und die letzte Einstellung zeigen einen Babybauch in
Großaufnahme. So darf der Zuschauer annehmen, dass Matthias Lehner seinen
Castingerfolg nicht allein seinem feschen Aussehen und seinem
artikulierten „Pflichtbewusstsein“ verdankt. Er lässt während seines
Einsatzes eine schwangere Frau zurück. Dass die sich sehr sorgt, wenn der
Mann im Krieg ist, versteht sich. Nicht so der Erkenntnisgewinn, sie genau
das immer wieder in die Kamera sagen zu lassen. Es liegt wohl am Konzept
der Reihe, ein jedes Thema auf diese (penetrant) menschelnde Weise
erschließen zu wollen. Egal, wie komplex das Thema ist. Dabei wäre es hier
so einfach gewesen, einmal nachzuhaken.
Während der Mann sich in Mali langweilt, legt die Frau in München nämlich
gerade ihre erste juristische Staatsprüfung ab. Und wer ein bisschen vor
ihr, in den späten 90er Jahren, einmal Jura studiert hat – als die
rot-grüne Bundesregierung die Bundeswehr in den Kosovo-Krieg geschickt und
Joschka Fischer dafür einen roten Farbbeutel abbekommen hat –, der musste
sich noch sehr wundern, wie historisch das damals in den Rechtsbibliotheken
zu Artikel 24 Absatz 2 Grundgesetz verfügbare Schrifttum plötzlich war,
dessen Wortlaut doch eigentlich nur von der Einordnung in ein „System
gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ erzählt.
Jahrzehntelang hatten deutsche Soldaten in der Gewissheit gelebt, dass sie
erst dann wieder Krieg erleben würden, wenn die Bundesrepublik oder eine
anderes Nato-Mitglied direkt angegriffen würde. Also wahrscheinlich nie.
„Irgendwer muss es machen“, sagt der heimgekehrte Matthias Lehner am Ende
des Films, nachdem das ZDF die Idylle der inzwischen dreiköpfigen Familie
am Fuße des Obersalzbergs bebildert hat. Was für ein kapitaler Irrtum.
Es gibt ja in der Tat gute – politische wie juristische – Argumente, die
für die [3][„humanitären“ Einsätze der Bundeswehr sprechen]. Zwingend si…
sie nicht. Es gibt auch gute Argumente, die dagegen sprechen.Diese
Argumente zu kennen und zu nennen; sie immer wieder gegeneinander
abzuwägen, neu zu gewichten; diese Einsätze ein ums andere Mal infrage zu
stellen – nicht weniger möchte man von Soldaten, die sich als „Bürger in
Uniform“ verstanden wissen wollen, erwarten dürfen. Und vom
öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit seinem Programmauftrag übrigens auch.
26 Jun 2018
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## AUTOREN
Jens Müller
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