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# taz.de -- SPD-Innenpolitiker über Anker-Zentren: „Sprengsatz schlechthin“
> Die niedersächsische CDU hat im Alleingang ein Konzept für Anker-Zentren
> präsentiert. Mit dem Koalitionspartner SPD war das nicht abgesprochen,
> kritisiert Ulrich Watermann.
Bild: Platz für ein Ankerzentrum? Flüchtlinge im Camp Bad Fallingbostel West
taz: Herr Watermann, wird es Anker-Zentren in Niedersachsen geben?
Ulrich Watermann: Das kann man noch nicht sagen. Wir warten noch darauf,
dass uns mal vorgestellt wird, was damit überhaupt gemeint ist. Ich kann
nichts beurteilen, von dem ich nur den Namen kenne.
Sie haben davon gesprochen, dass ein „irrlichternder Bundesinnenminister“
hier „ausschließlich Schlagwort-Politik“ mache. Was meinen Sie damit?
Wenn man den Vorhang wegnimmt, ist dahinter nichts. Aktuell bedient der
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit seiner Politik Schlagwörter,
löst aber keine praktischen Probleme. Es wird der Öffentlichkeit
vorgegaukelt, dass er etwas erledigt, aber beim näheren Hingucken merkt
man, dass das nicht stimmt. Das halte ich für gefährlich.
Weil es den politischen Diskurs verschärft?
Es fördert alle die, die mit falschen Parolen unterwegs sind. Es hilft nur
sachlich gute, praktische Politik – nicht das Bedienen von
Rechtspopulisten.
Hat der Vorschlag der CDU-Fraktion in Niedersachsen (siehe Kasten) mehr
Substanz als Seehofers oft wiederholte Ankündigungen?
Noch einmal: Der Bundesinnenminister hat noch nichts vorgeschlagen. Der
Vorschlag der CDU-Fraktion ist in Teilen geeignet. Es ist allerdings die
Frage, ob Anker-Zentren notwendig sind. Unsere Erstaufnahmeeinrichtungen in
Niedersachsen funktionieren hervorragend. Die Probleme liegen woanders.
Und zwar?
In der Umsetzung von Abschiebungen. Da gibt es oft Schwierigkeiten, weil
Ersatzpapiere nicht da sind oder Menschen nur mit Linienflügen zurück
geführt werden können. Außerdem weigern sich manche Herkunftsländer, die
Menschen zurück zu nehmen. Wenn man solche praktischen Beispiele anpacken
würde, könnte man zeigen, dass man es ernst meint. Schlagworte bringen da
gar nichts.
Wie sehr wurden Sie von dem Vorstoß Ihres Koalitionspartners überrumpelt?
Die CDU hat das Konzept im Alleingang erarbeitet und der Presse
vorgestellt.
Das war nicht mit uns abgestimmt und ich habe vorher auch nichts davon
gewusst. Das ist unüblich so, aber jede Fraktion kann ja machen, was sie
will.
Was halten Sie vom politischen Stil der CDU in dieser Frage?
Wenn man etwas erreichen will, muss man miteinander kommunizieren, sonst
wird es schwierig.
Knirscht es beim Thema Innenpolitik in der Koalition?
Wir kommen von sehr unterschiedlichen Positionen, haben uns aber beim
Koalitionsvertrag auf Gemeinsamkeiten geeinigt und daran muss man sich
entlang arbeiten.
Haben Sie das Gefühl, die CDU und im speziellen Ex-Innenminister Uwe
Schünemann versuchen Innenminister Boris Pistorius (SPD) unter Druck zu
setzen?
Das weiß ich nicht. Wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Der jetzige
Innenminister heißt Boris Pistorius und damit ist die Sache erledigt.
Wie beurteilen Sie das vorgestellte Vier-Säulen-Modell der CDU inhaltlich?
Ich beschäftige mich nicht so intensiv mit den Vorschlägen der
CDU-Fraktion, weil sie nicht gemeinsam eingebracht worden sind. Vorschläge
zu machen ist Aufgabe des Innenministeriums. Wir werden aber mit der
Koalitionsfraktion sprechen, weil ich glaube, dass einige Abläufe gar nicht
klar sind.
Inwiefern?
Vieles von dem, was dort gefordert wird, praktizieren wir in Niedersachsen
schon. Dass Menschen, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, länger in
den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, ist gang und gäbe. Wo es absehbar
ist, dass bald eine Rückführung stattfindet, ist das in Ordnung. Der
Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung darf nur kein Dauerzustand sein.
Wenn es unklar ist, wann ein Mensch zurück geführt wird, muss er in eine
Kommune kommen.
Die CDU will einen „maximalen Schutz“ der Einrichtungen durch die Polizei.
Werden das Hochsicherheitstrakte?
Die Menschen, die dort leben, können sich frei bewegen. Das ist auch gut
so. Wir leben in einem freien Land. Wenn die Einrichtungen im Fokus von
Angriffen stehen, müssen wir sie schützen. Und wenn es Reibungen zwischen
den Bewohnern gibt, dann muss man das auch klären. Das machen wir die ganze
Zeit so.
Und die Idee, in den Zentren bis zu 1.000 Menschen unterzubringen?
Da halte ich gar nichts von. Das ist der Sprengsatz schlechthin. Wir haben
Zeiten gehabt, in denen unsere Erstaufnahmeeinrichtungen aus allen Nähten
geplatzt sind. Da haben wir gemerkt, dass das nicht gut ist, weil schnell
Aggressivität entsteht, wenn an einem Ort viele Menschen mit einer
unsicheren Perspektive sind. Deshalb: Möglichst kleine Einrichtungen und
möglichst schnelle, rechtsstaatliche Entscheidungen.
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge viele Bescheide fehlerhaft ausgestellt hat – und zwar nicht nur
zum Vorteil von Geflüchteten. Ist es bei dieser offensichtlichen
Überforderung der Behörde nicht fahrlässig, weiter schnellere Verfahren zu
fordern?
Das lag aber nicht an der Geschwindigkeit, sondern daran, dass es an der
Besetzung mit fachkundigen Kräften mangelte. Man hat einen Haufen Leute
dorthin geschickt, aber sie nicht ordentlich qualifiziert. Darauf sollte
sich der Bundesinnenminister konzentrieren. Auf gefühlte Probleme zu
reagieren war noch nie zielführend.
21 Jun 2018
## AUTOREN
Andrea Maestro
## TAGS
Ankerzentren
CDU Niedersachsen
Flüchtlingspolitik
Migration
Uwe Schünemann
Schwerpunkt Flucht
Fünf-Prozent-Hürde
Integrationspolitik
Geflüchtete
Soziales Engagement
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