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# taz.de -- „Frauenmarsch“ in Berlin: AfD gendert Frauendemo
> Beim letzten Mal wurden sie noch blockiert, diesmal kamen sie durch:
> Wenige AfD-Frauen und mehr -Männer gelangten bis zum Kanzleramt.
Bild: Was man so „Frauenmarsch“ nennt: In der ersten Reihe Frauen, dahinter…
Berlin taz |„Einen Platzverweis erteile ich ihnen. Hier kommt gleich der
AfD-Aufmarsch vorbei und das ist zu ihrer Sicherheit und auch für die
Demoteilnehmer.“ Die Gäste im Außenbereich eines kleinen Cafés auf dem
südlichen Ende der Friedrichstraße in Berlin-Kreuzberg werden von den
Polizeibeamten an diesem Samstagnachmittag bis auf wenige Ausnahmen dem
Augenschein nach der linken Szene zugeordnet und aufgefordert, um die Ecke,
hinter die nächste Absperrung zu gehen.
Auch sonst zeigt die Polizei wenig Langmut. Wer versucht, näher an den
sogenannten Frauenmarsch der Anmelderin Leyla Bilge zu gelangen oder ihn
gar zu blockieren, wird zügig abgedrängt.
Überhaupt ist das Polizeiaufgebot gemessen an der Größe der Demonstration
gewaltig. Auf dem ersten Kilometer der Friedrichstraße reiht sich ein
Mannschaftswagen an den nächsten. Berlin-Mitte ist in weiten Teilen
abgeriegelt. So gelingt es den etwa 300 TeilnehmerInnen der neuerlichen
AfD-Veranstaltung ihre komplette Demoroute zu laufen, vom Kreuzberger
Mehringplatz bis vor das Kanzleramt, vorgeblich zur Mahnung vor
frauenverachtenden Verbrechen von Geflüchteten und Migranten – [1][der Name
Susanna fällt oft].
Gesammelt hatte sich der Aufmarsch im inneren Rund des Mehringplatzes. Als
die Demo beginnt, halten im äußeren Ring gut 150 GegendemonstrantInnen eine
Kundgebung ab. Schon seit dem Vormittag sind sie hier, blockiert von der
Häuserfront und den Gittern der Polizei. Sichtbarer ist der Protest mit
Transparenten, die aus Fenstern und von Balkons hängen. Solange die
Demonstration an Wohnhäusern vorbeizieht, manifestiert sich so die
Abneigung der AnwohnerInnen.
## Einschlägige Tattoos
Relativ pünktlich startet der „Frauenmarsch“, der sich zu mindestens 60
Prozent aus Männern zusammensetzt. In einiger Entfernung finden sich
wiederholt Protestierende mit Anti-AfD-Sprechchören. Vereinzelt gibt es die
sogar sehr nah an der Demonstration, offenbar waren nicht alle Café-Gäste
an der Route bei der polizeilichen Gesichtskontrolle auffällig geworden. Am
Brandenburger Tor schließlich kommt der Gegenprotest dem Marsch recht nahe,
Tätlichkeiten bleiben auf der gesamten Strecke aus.
Der Verantwortliche im Lautsprecherwagen der Polizei gibt sich gut gelaunt
und lobt unter anderem „die Besonnenheit“ der AfDler: „Wir machen ja auch
die Strecke frei, wie es sich gehört“. Und so scheint niemand eine vorab
angekündigte rechte Bikergang zum Schutz des sogenannten Frauenmarsches zu
vermissen. Immerhin haben einige der Teilnehmer einschlägige Tattoos,
darunter der persönliche Bodyguard der Anmelderin Bilge.
Einige jugendliche Anhänger der identitären Gruppe tragen T-Shirts mit dem
Spruch „Defend Europe“ auf, Warnwesten mit der Aufschrift „Free Tommy
Robinson“ sind häufig zu sehen. Robinson ist ein mehrfach vorbestrafter
englischer Rechtsradikaler, der sich zur Zeit wegen Verstoßes gegen
Bewährungsauflagen in Haft befindet. Unter seinesgleichen wird er als
Vorkämpfer der Meinungsfreiheit gehandelt und als Anti-Islam-Aktivist
gefeiert.
## „Apartheid-Islam“ und „Antifanten“
Wohl etwas überrascht vom eigenen Erfolg und reichlich ermüdet erreicht der
Aufzug gegen 17.30 Uhr das Kanzleramt. Beim letzten Versuch im Februar war
die Demo noch in Kreuzberg von GegendemonstrantInnen gestoppt worden. Die
kurzen Redebeiträge auf dem Weg an diesem Samstag beschränken sich auf
überschwängliche Dankesworte an die Berliner Polizei. Die Playliste des
Demo-Lautsprecherwagens ist mit wenigen Liedern erschöpft, die ständig
wiederholt werden.
Der national orientierte Widerstand vereinnahmt sogar Joan Baez' Version
von „We shall overcome“ und das DDR-Pionierlied „Unsere Heimat“. Selbst…
scheint Angelika Barbe nicht zu stören. Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin,
spätere SPD-, dann CDU-Politikerin, jetzt Pegida-Rednerin und Mitglied im
Kuratorium der Bundesstiftung der AfD schwadroniert auf der
Abschlusskundgebung vom „Apartheid-Islam“ und den „Antifanten“, die wohl
vom Demogeld an den Strand gefahren seien.
Unbedingt weghaben haben will sie die Berliner Senatoren Behrend (Justiz,
Grüne) und Lederer (Kultur, Linke) wegen ihrer Haltung zum
Neutralitätsgesetz. Aber eigentlich spricht sie, wie alle, die noch reden
werden, Angela Merkel direkt an. Angefeuert von „Merkel muss
weg“-Spechchören, wird die Kanzlerin konkurrenzlos in den Fokus der
präsentierten Wut gestellt.
## Mahnende Worte an die Kanzlerin
So auch von Michaela, die sich selbst als Transperson identifiziert und die
zunächst skeptischen DemoteilnehmerInnen mit engagiert vorgetragenem Islam-
und Merkelhass zumindest für diesen Moment auf ihre Seite ziehen kann. Als
nächste spricht die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, deren
Nominierung für das Kuratorium der Magnus-Hirschfeld-Stiftung für
erheblichen Protest gesorgt hatte. Höchst zeigt sich gerne als erklärte
Feindin der „Gender-Ideologie“. Heute sind alle gegen den gemeinsamen Feind
vereint.
So auch die Ordensschwester Hatune Dogan, eine christlich-orthodoxe
Fundamentalistin, die in einer schier endlosen Tirade einen Kulturkampf
zwischen Islam und Christentum in den grellsten Farben malt. Bis zurück in
die maurische Zeit zeichnet sie ein monströses Feindbild, unterfüttert mit
dunkelsten Horrorgeschichten von sexueller Gewalt und Verstümmelungen,
natürlich sämtlichst von ihr in tausenden persönlichen Gesprächen im Rahmen
ihrer wohltätigen Arbeit verifiziert.
Abschließend dankt Leyla Bilge erneut der Berliner Polizei und explizit
deren neuer Präsidentin Barbara Slowik. Bilge ist sich sicher, dass die AfD
und ihr letzter, blockierter, Frauenmarsch Slowiks Vorgänger Kandt gestürzt
habe. Dann hat auch sie noch ein paar mahnende Worte an die Kanzlerin. Doch
die kann Bilge und ihren kleinen Frauenmarsch nicht hören. Tatsächlich ist
Angela Merkel heute weg: [2][auf Dienstreise, in Kanada], nämlich.
Ganz am Ende wird die Nationalhymne gesungen, nur die dritte Strophe. Die
Fahnen werden eingerollt, viel Schwarz-Rot-Gold, die bei Pegida so beliebte
Stauffenbergflagge und sogar eine preußische Fahne waren auch dabei. Am
Samstagabend kurz nach sieben ist der sogenannte Frauenmarsch vorbei.
10 Jun 2018
## LINKS
[1] /Mordfall-Susanna-F/!5511845
[2] /G7-Gipfel-in-Kanada/!5511837
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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Islam
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