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# taz.de -- Tödlicher Schuss an Südgrenze der USA: Mit lockerem Finger am Abz…
> Mit einem Kopfschuss tötete ein US-Grenzschützer eine 20-jährige
> Einwanderin. Videos zeigen, dass die Polizei bei ihrer Rechtfertigung
> gelogen hatte.
Bild: Die Tante von Claudia Patricia Gómez González zeigt ein Photo ihrer get…
New York taz | Claudia Patricia Gómez González war fast am Ziel ihrer
langen und beschwerlichen Reise angekommen, als sie von einer Kugel
getroffen wurde. Ein Grenzpolizist in Rio Bravo, Texas, schoss ihr am
vergangenen Mittwoch direkt in den Kopf. Die 20-jährige Guatemaltekin starb
in einem Garten. „Warum?“, schrie die Anwohnerin Marta Martinez, die die
Szene auf dem Nachbargrundstück von ihrem Zaun aus verfolgt hatte, „warum
habt Ihr das Mädchen getötet?“
Stunden danach lieferte die US-Grenzpolizei eine Erklärung. „Zahlreiche
illegale Fremde“, hieß es in dem Kommunique, hätten den Grenzpolizisten
„mit stumpfen Waffen angegriffen“. Doch die Anwohnerin hatte weder Waffen
noch einen Kampf gesehen. Und nach ihrer Beobachtung hatten die jungen
Leute auch nicht gekämpft, sondern waren weggerannt als der Grenzpolizist
kam.
Unmittelbar nach dem Schuss hat Martinez begonnen, den anschließenden
Großeinsatz von Feuerwehr, Border Patrol und FBI auf der Centeno Street und
in der Luft darüber zu filmen. Sie filmte weiter, als drei junge Migranten
aus einem leerstehenden Haus abgeführt wurden. Und auch als ein
Uniformierter ihr in ihrem Vorgarten mit einer Festnahme drohte. Die fünf
Videos sind auf [1][ihrer Facebookseite] zu sehen.
Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod im Garten lieferte die US-Grenzpolizei
am Freitag eine neue Version des Vorfalls. Es war keine Rede mehr von
„Waffen“ und der „Angriff“ der Migranten war zu einem „angeblichen An…
geschrumpft. Der Grenzschützer wollte nun von ihnen „bestürmt“ worden sei…
als er sie aufforderte, sich ins Gras zu legen. Statt „zahlreicher“
Migranten nennt das neue Kommunique auch nur noch sechs Personen, von denen
zwei von der Centeno Street aus über den Rio Grande zurück nach Mexiko
geflohen seien.
Der Todesschütze, der seit 15 Jahren im Dienst der Grenzpolizei ist,
befindet sich inzwischen im Zwangsurlaub. Der Vorgang wird untersucht. Aber
Mitgefühl für die Tote, die so zierlich und klein wie ein Kind war, sucht
man bei den BehördenvertreterInnen vergebens. Eine ganz andere Stimmung war
zu spüren, als am Samstagabend mehrere Dutzend Mitglieder der „Laredo
Immigration Alliance“ im Dos Laredos Park, am Ufer des Rio Grande,
zusammenkommen. Sie erleben, wie immer mehr GrenzschützerInnen kommen, mit
zunehmend lockerem Finger am Abzug. Ihr Grenzstädtchen Laredo, von deren
EinwohnerInnen viele übergangslos vom Englischen ins Spanische und zurück
wechseln können und dessen südlicher Teil Nuevo Laredo zu Mexiko gehört,
ist eine militarisierte Zone geworden.
## „Gerechtigkeit für Claudia“
Am Samstagabend legen die DemonstrantInnen eine Schweigeminute für die Tote
ein. Auf einem handgeschriebenen Transparent ist zu lesen: „Gerechtigkeit
für Claudia“. Ein Geistlicher sagt, dass sie jetzt „ein Engel“ sei. Er
erinnert auch daran, dass die USA ein „Einwandererland“ seien und daraus
Größe bezögen. Er verlangt, dass der Kongress in Washington endlich das
seit Jahren versprochene umfassende Einwanderungsgesetz verabschiedet.
Doch Donald Trump sieht das anders. Fast 5.000 Kilometer nordöstlich von
dem texanischen Garten nahm der US-Präsident am Mittwoch fast gleichzeitig
mit Claudia González Tod an einem Runden Tisch zum Thema Migration in Long
Island, New York, teil. Im Vordergrund stand die weitere Aufrüstung, sowohl
die militärische wie die sprachliche. Bei der live im Fernsehen
übertragenen Debatte benutzte Trump mehrfach das Wort: „Tiere“. Was damit
gemeint ist, hatten seine MitarbeiterInnen schon zwei Tage zuvor auf der
offiziellen Webseite des Weißen Hauses verdeutlicht, als sie einen Text mit
der Überschrift veröffentlichten: „Was Sie über die gewalttätigen Tiere d…
MS-13 wissen müssen“. Das Worte „Tiere“ kommt auf dem zwei DIN-A-4-Seiten
langen Text zehnmal vor.
Trump versprach, dass er die „MS-13“-Gangmitglieder abschieben und damit
die Sicherheit der USA verbessern werde. Was er wie üblich unerwähnt ließ,
ist, dass die „MS-13“ ein in den USA entstandenes Problem sind. In den
80er-Jahren gründeten junge Latinos die Gang in Kalifornien. Als die USA
Massenabschiebungen von „MS-13“-Mitgliedern begannen, exportierten sie die
Gang zuerst nach El Salvador, später auch nach Honduras und Guátemala. Von
dort aus begann „MS-13“ eine Zusammenarbeit mit mexikanischen
Drogenkartellen, die sie heute zu einer transnationalen kriminellen
Organisation mit einer Reichweite von Mittelamerika bis in die USA macht,
deren Terror viele MittelamerikanerInnen in die Flucht in die USA treibt.
Trump hatte sich lange auf den Bau einer Mauer längs der Südgrenze
konzentriert. Seinen Wahlkampf hatte er mit einer pauschalen Gleichstellung
von Mexikanern mit Vergewaltigern und Dealern begonnen. Für ihn ist die
Kampfansage an die „MS-13“ das Synonym für eine harte und kompromisslose
Einwanderungspolitik geworden. Und alle, die genau hinhören, verstehen,
dass mit den „Tieren“ nicht nur Gang-Mitglieder gemeint sind. „Er
beschreibt uns als Tiere“, sagte Karina Alvarez, die Gründerin der „Laredo
Immigrant Alliance“ gegenüber Journalisten, „und jetzt schießen sie auf u…
wie auf Tiere.“
## Zunehmende Gewalt gegen MigrantInnen
Längs der Südgrenze der USA nimmt die Verrohung viele Formen an. In den
ersten sechs Monaten dieses Jahres haben Grenzschützer neun Mal häufiger
zur Schusswaffe gegriffen als ein Jahr zuvor. Die [2][Bürgerrechtsgruppe
ACLU] berichtet über „regelmäßige“ Anwendung von Gewalt, inklusive
sexuellem Missbrauch in der Abschiebehaft. Zudem werden seit Anfang dieses
Monats vielerorts Kinder von ihren Eltern getrennt, wenn sie die Grenze
ohne Papiere überqueren. Allein in den ersten zwei Maiwochen sind 658
Kinder, davon manche noch im Vorschulalter, in Institutionen eingewiesen
worden. Manche Kinder riskieren, ihre Eltern nie wieder zu sehen. Denn nach
rund 40 Tagen können sie in Pflegefamilien gegeben werden, wenn ihre Eltern
weiterhin in Gefangenenlagern sind oder bereits abgeschoben wurden.
In San Juan Ostuncalco nordwestlich von Quetzaltenango, von wo Claudia
González Anfang Mai in Richtung USA aufgebrochen war, hatte die Familie der
jungen Frau gehofft, dass sie genug Dollars verdienen würde, um sich das
Studium leisten zu können, von dem sie seit ihrem Berufsabschluss als
Buchhalterin vor zwei Jahren träumte. „Wir sind arm und es gibt keine
Arbeit hier“, sagte ihre weinende Mutter Lidia González einem Journalisten,
„deswegen ist sie in die USA gegangen“.
Die Tante der Toten, Dominga Vicente, erklärte bei einer Pressekonferenz
der Migrantenorganisation „Conamigua“ in Ciudad de Guatemala, dass es nicht
„fair“ sei, Menschen wie Tiere zu behandeln: „Bloß, weil sie aus weniger
entwickelten Ländern kommen.“
27 May 2018
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/marta.v.martinez.3
[2] https://www.aclu.org/
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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