# taz.de -- Antrag an die Justizministerkonferenz: Polizei, dein Freund und Ein… | |
> Bayern und Rheinland-Pfalz wollen der Polizei das heimliche Betreten von | |
> Wohnungen genehmigen, um PCs mit Spähsoftware zu manipulieren. | |
Bild: „Spurenlos“ soll die Polizei Wohnungen betreten dürfen, so lautet de… | |
FREIBURG taz | Die Polizei soll künftig in Wohnungen einbrechen dürfen, um | |
Trojaner auf Computern zu installieren. Über einen entsprechenden Antrag | |
von Bayern und Rheinland-Pfalz diskutiert an diesem Mittwoch und Donnerstag | |
die Justizministerkonferenz (Jumiko) in Eisenach. Der Antrag liegt der taz | |
vor. | |
[1][Erst seit letztem Sommer] darf die Polizei zur Strafverfolgung Trojaner | |
nutzen. Mit der Spähsoftware soll der Inhalt ganzer Computerfestplatten an | |
die Polizei überspielt werden („Onlinedurchsuchung“). | |
Außerdem sollen das Abhören und Mitlesen verschlüsselter Kommunikation | |
ermöglicht werden („Quellen-TKÜ“). Die Befugnisse gelten auch für | |
Smartphones. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte in einem laufenden | |
Gesetzgebungsverfahren überraschend eine entsprechende Formulierungshilfe | |
eingebracht. Nach kurzer Diskussion stimmte die Große Koalition im | |
Bundestag zu. | |
Doch schon ein Jahr später soll die Strafprozessordnung nachgebessert | |
werden. „Um die neuen Ermittlungsmaßnahmen effektiv und praxistauglich | |
einsetzen zu können“, fordern Bayern und Rheinland-Pfalz „die Schaffung | |
eines gesetzlichen Betretungsrechts zum Zwecke der Aufbringung der | |
Software“. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) soll einen | |
entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, so der Antrag. | |
Mit „Betretungsrecht“ ist der heimliche Einbruch in die Wohnung gemeint. | |
Dabei sollen wohl Nachschlüssel und ähnliche spurenlose Methoden benutzt | |
werden, denn der Wohnungseigentümer soll ja nicht merken, dass die Polizei | |
seine Geräte manipuliert hat. Dass Bayerns Justizminister Winfried Bausback | |
(CSU) einen derartigen Vorschlag macht, ist nicht überraschend. Erstaunlich | |
ist dagegen sein Partner, der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert | |
Mertin, ein FDP-Mann. Der Vorstoß ist zumindest im Kreis der Länder | |
aussichtsreich. Bei einer Abstimmung im vorbereitenden | |
Jumiko-Strafrechtsausschuss waren sieben Länder dafür, sechs dagegen und | |
drei enthielten sich. | |
## Vereinbarung mit dem Grundgesetz umstritten | |
Die Nutzung von Trojanern zur Strafverfolgung ist hoch umstritten. | |
Datenschützer kritisieren, dass der Staat zur Installation der Spähsoftware | |
gezielt [2][Sicherheitslücken] der Computer und Smartphones nutzen will. | |
Statt die Hersteller über die Sicherheitslücken zu informieren, wollten die | |
Behörden die Lücken selbst nutzen und nähmen so in Kauf, dass auch | |
Kriminelle die fortbestehenden Schwachstellen nutzen können. | |
Wollen Bayern und Rheinland-Pfalz also künftig nicht mehr digitale | |
Sicherheitslücken nutzen, sondern lieber physisch in die Wohnungen der | |
Zielpersonen eindringen? Nein, sagt das bayerische Justizministerium auf | |
Nachfrage. Andere Möglichkeiten würden durch das Betretungsrecht | |
„selbstverständlich nicht tangiert“. Man will also sowohl Sicherheitslück… | |
nutzen als auch einbrechen. | |
Im Grundgesetz heißt es: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ In Bayern hält | |
man aber eine Grundgesetzänderung für unnötig. „Durchsuchungen“ auf | |
gesetzlicher Grundlage seien schließlich erlaubt. Wenn in der fremden | |
Wohnung nach einem Computer gesucht wird, stelle dies „in rechtlicher | |
Hinsicht eine Durchsuchung dar“. Obwohl Wohnungsdurchsuchungen bisher stets | |
offen (also in Gegenwart des Betroffenen oder von Zeugen) stattfinden, | |
verbiete das Grundgesetz heimliche Durchsuchungen nicht, heißt es aus | |
Bayern. | |
Bundesjustizministerin Barley hält wenig von der Initiative. Aus ihrer | |
Sicht besteht derzeit „kein Änderungsbedarf im Hinblick auf die erst in der | |
letzten Legislaturperiode neu geschaffenen Ermittlungsmaßnahmen der | |
Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung“, hieß es auf Anfrage der taz. Auch im | |
Koalitionsvertrag ist ein „Betretungsrecht“ nicht vorgesehen. In der Praxis | |
spielen Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung noch keine Rolle, weil die | |
Polizei kaum einsatzfähige Trojaner zur Verfügung hat. | |
6 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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