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# taz.de -- Polizeischüsse im Berliner Dom: Mit dem Leben davongekommen
> Polizisten schießen auf einen mit einem Messer Bewaffneten. Der wird ins
> Bein getroffen. Vergleichbare Fälle gehen zumeist tödlich aus.
Bild: Tatort: Berliner Dom
Es war kein versuchter Anschlag. Immer wieder sprach der zum Berliner Dom
geeilte Polizeisprecher den Satz am Sonntag in die Mikrofone: „Es gibt
keinerlei Anhaltspunkte für eine terroristische oder islamistische
Motivation.“ Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich das Aufatmen in
Sicherheitskreisen vorzustellen. Dass es noch eine andere wichtige
Nachricht gab, ist indes vollkommen untergegangen: Der mit einem Messer
bewaffnete Mann, der am Sonntag im Dom randaliert hat, hat es überlebt,
dass ein Polizist auf ihn geschossen hatte.
Zum Glück kommt es nicht alle Tage vor, dass Polizisten im Dienst auf
Menschen zielen und abdrücken. Aber wenn es dazu kommt, enden diese Fälle
in vermeintlichen oder tatsächlichen Notwehrsituationen nicht selten
tödlich.
Doch es geht auch anders, wie der Sonntag gezeigt hat. Ein 53-jähriger
Österreicher war laut Polizei am Nachmittag mit einem Messer im Dom
aufgetaucht, hatte sich aggressiv benommen und Menschen beschimpft. Rund
100 Besucher wurden vom Personal in Sicherheit gebracht. Zwei Beamte einer
Funkwagenbesatzung seien zuerst am Ort eingetroffen, heißt es laut Polizei.
Die Beamten hätten den Mann mehrmals aufgefordert, das Messer aus der Hand
zu legen. Das habe der Randalierer ignoriert. Die Beamten hätten dann
Reizgas eingesetzt, aber auch das habe bei dem Mann offenbar keine Wirkung
gezeigt.
In der Folge habe einer der Polizisten mehrmals geschossen und den Mann an
den Beinen verletzt. Er traf auch seinen Kollegen, aber nur leicht. Während
der Beamte noch am Sonntag das Krankenhaus verlassen konnte, befindet sich
der 53-Jährige laut Polizei noch immer in stationärer Behandlung im
Krankenhaus.
Der Mann habe einen verwirrten Eindruck gemacht, zitieren Medienberichte
Zeugen. Psychisch auffällig und dann noch mit einem Messer bewaffnet –
Polizeisprecher Thomas Neuendorf nannte das am Montag gegenüber der taz
eine hochgefährliche Mischung. Denn: „Solche Menschen handeln nicht
unbedingt rational.“
Einer Recherche der taz zufolge haben zwischen 2009 und 2017
deutschlandweit 74 Menschen durch Polizeischüsse ihr Leben verloren. Bei
mehr als der Hälfte fanden sich Hinweise auf psychische Erkrankungen. Das
größte Problem sei, dass Polizisten das Problem vor Ort unbedingt selbst
und sofort lösen wollten, statt Fachleute zurate zu ziehen, sagte der
Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes zur taz.
Ein solcher Experte war am Sonntag nicht im Dom. Im Unterschied zu dem mit
einem Messer bewaffneten Nackten, der im Sommer 2013 im Neptunbrunnen am
Alexanderplatz von einem Polizisten erschossen worden ist, hat der
Österreicher Glück gehabt. Oder war es Können, dass der Beamte auf die
Beine zielte? Das wird man wohl nie erfahren. Aber interessant wäre es.
4 Jun 2018
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei Berlin
Neptunbrunnen
Terrorgefahr
Tödliche Polizeischüsse
Polizei Berlin
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Pfefferspray
Polizei Berlin
Schusswaffen
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