# taz.de -- So überprüft die Regierung NGOs: Das ist die Haber-Methode | |
> Mindestens 51 Demokratieprojekte wurden seit 2004 vom Verfassungsschutz | |
> kontrolliert. Die Überprüfung kann per Email angefordert werden. | |
Bild: Emily Haber hat das Prozedere der Überprüfung formuliert (Archivbild 20… | |
Der Erlass aus dem Bundesministerium des Innern hat sieben Seiten, doch auf | |
dreien davon stehen nur Adressen. Auf den weiteren vier Seiten ist dagegen | |
geregelt, wie die Bundesregierung etwa Demokratieprojekte vom Bundesamt für | |
Verfassungsschutz überprüfen lassen kann: Das ist der Haber-Erlass. | |
Die taz hatte [1][Mitte Mai berichtet], dass das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz seit 2004 allein im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ | |
ingesamt 51 Förderträger und -projekte im Auftrag der Bundesregierung auf | |
verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse überprüft hatte. Das hatte die | |
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke | |
(Linksfraktion) mitgeteilt. Die betroffenen Organisationen, die im Auftrag | |
des Bundesfamilienministeriums etwa Gelder zur Rechtsextremismusbekämpfung | |
erhielten oder beantragen wollten, hatten daraufhin öffentlich | |
[2][gefordert, diese Praxis einzustellen.] | |
Nun hat das Auskunftsportal [3][„Frag den Staat“] im Rahmen einer Anfrage | |
nach dem Informationsfreiheitsgesetz den Erlass angefordert, der die genaue | |
Praxis beschreibt – und die Bundesregierung hat zügig geantwortet. Das | |
gesamte Dokument [4][ist an dieser Stelle einzusehen]. | |
## Es reicht eine Email | |
In dem Schreiben vom Februar 2017 an die Staatssekretärinnen und -sekretäre | |
der Bundesministerien formuliert die damalige Innenstaatssekretärin Emily | |
Haber, die inzwischen deutsche Botschafterin in Washington ist, das | |
Prozedere zur Überprüfung durch den Verfassungsschutz auf Wunsch der | |
Bundesregierung. Demnach haben sämtliche Ministerien grundsätzlich die | |
Möglichkeit, Organisationen, Projektträger oder einzelne Personen vom | |
Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Dazu genügt es, eine | |
Email an eine bestimmte Stelle innerhalb des Bundesamtes zu senden. | |
Die Praxis zielt darauf ab, Projekte zu überprüfen, die in den Genuss | |
staatlicher Förderung kommen oder Interesse daran signalisieren, etwa im | |
Kampf gegen Rechtsextremismus. Überprüft werden kann jedoch bereits, wer | |
eine sogenannte „immaterielle Förderung“ erhält. Als solches wird schon | |
angesehen, wenn Vertreter eines Bundesministeriums sich an Podien oder | |
Diskussionsforen beteiligen. | |
## Podiumsdiskussion reicht | |
In dem Schreiben heißt es dazu: „Extremisten nutzen solche Veranstaltungen | |
z.T. gezielt, um mittels einer für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Nähe zu | |
Bundesbheörden den Anschein staatlicher Akzeptanz zu erwecken.“ Bereits bei | |
der Teilnahme an einem Podiumsgespräch kann ein Ministerium also eine | |
Überprüfung anfordern. Ziel der Praxis sei es, so heißt es, „eine | |
missbräuchliche Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu verhindern“. | |
Das Schreiben regelt allerdings auch, dass im Rahmen der Anfrage keine | |
personenbezogenen Informationen seitens des Bundesamts für | |
Verfassungsschutz an die Ministerien weitergegeben werden dürfen. Zur | |
Konkretisierung oder bei Rückfragen müssen sich die anfragenden Ministerien | |
dann direkt an das Bundesinnenministerium wenden, das bei Bedarf weitere | |
und tiefergehende Informationen vermitteln kann. Das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz teilt den einzelnen Ministerien lediglich mit, ob | |
verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse zu einer angefragten Person oder | |
Organisation vorliegen. | |
Wenn dies der Fall sei, so heißt es in dem Schreiben, bedeute dies, „dass | |
aus Gründen des Schutzes der verfassungsmäßigen Ordnung Maßnahmen unter | |
Einbindung der angefragten Organisationen / Person nicht angezeigt sind.“ | |
Allerdings wird dagegen in dem Schreiben ebenfalls betont, dass die | |
Entscheidungskompetenzen der einzenen Ministerien vom Ergebnis der Prüfung | |
nicht berührt seien. Auch sei die Möglichkeit einer Überprüfung lediglich | |
ein „Angebot“. Wie stark es genutzt wird, hängt also von den einzelnen | |
Ministerien der Bundesregierung ab. Das Bundesfamilienministerium nutzte | |
die Möglichkeit offenbar gerne. | |
22 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungsschutz-ueberpruefte-NGOs/!5506316 | |
[2] /Verfassungsschutz-ueberpruefte-NGOs/!5507067 | |
[3] https://fragdenstaat.de/ | |
[4] https://fragdenstaat.de/files/foi/87760/haber-diwell-erlass.pdf | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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