# taz.de -- Kolumne Kapitalozän: Der Kapitalismus der Liebe | |
> Love is the way. Warum soll das, was für die Royal Wedding gut ist, nicht | |
> auch für den Kapitalismus taugen? Den Schnepfenvogel würde es freuen. | |
Bild: Häuser am See für alle! | |
Ich musste bei der Royal Wedding von Meghan und Harry weinen, als ich die | |
Predigt von Michael Curry hörte. Jenem schwarzen Bischof, der voll heiligen | |
Feuers dem popoweißesten Adelsgeschlecht des Universums in dessen | |
heiligstem Kirchenschiff von den Liedern der Sklaven und der [1][Kraft der | |
Liebe erzählte]. „Stellen Sie sich die Wirtschaft und die Geschäftswelt | |
vor, wenn die Liebe der Weg wäre.“ Okay. Imagine, love is the way. Stellen | |
wir uns einen Kapitalismus der Liebe vor. | |
Zunächst möchte ich, um nicht albern zu werden, körperliche Liebe | |
ausschließen. Bonobo-Affen kopulieren zwar, um die Verteilung von Futter zu | |
regeln, aber Sex als Zahlungsmittel in einer modernen Gesellschaft? Stellen | |
Sie sich vor, Sie stehen in einer Bäckerschlange. Christian Lindner ist der | |
Verkäufer. Das macht Angst. | |
Es geht hier, wie Curry ausführte, um „selbstlose, aufopfernde, erlösende | |
Liebe“. Also auch nicht um die „erste Zeit der jungen Liebe“, von der Marx | |
spricht: Jenes Gefühl, wenn man als Fabrikant gerade Megagewinne einfährt, | |
weil man dank neuer Maschinen ein paar Arbeiter feuern konnte. | |
Beginnen wir mit einem Gedankenspiel: Sie sind arm und möchten ein Häuslein | |
am See bauen, in dem sie in Würde leben können. Sie fragen also die Bank | |
nach einem Kredit. Die sagt, selbstlos und erlösend: „Unterirdischer | |
Schufa-Score, kaum Einkommen? Egal. Wir opfern uns gern.“ | |
Sie bauen das Haus und sind glücklich. Das spricht sich herum. Auf einmal | |
bekommen alle Kredit und bauen und bauen und bauen noch die letzte | |
Brutstätte des Kampfläufers zu, eine gefährdete Schnepfenvogelart. Wenn die | |
Bank auch noch Liebeskredite für Konsumgüter raushaut – etwa für | |
Rasenmähroboter oder Lasernasenhaarschneider –, dann frage ich mich: Führt | |
Liebe zu Hyperinflation wie 1923? | |
Weit gefehlt. Denn die Inflation schwindete, die Schnepfe lebte, hielten | |
wir uns alle an das Prinzip der aufopfernden Liebe. Wenn wir nicht nur den | |
Kampfläufer liebten, sondern auch das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. | |
Nach heiliger Erlösung gierend, würden wir selbstlos auf Konsum verzichten, | |
bis die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel von 2 Prozent wieder | |
erreichte. | |
Zugegeben, die Theorie ist noch sehr lückenhaft. Nehmen Sie nur folgendes | |
Allokationsproblem: Es gäbe nicht genug Villen am See für alle. Dann würden | |
zwar alle selbstlos darauf verzichten, am Ufer zu wohnen, und stattdessen | |
aus Liebe in ein stickoxydbelastetes Kellerloch Ecke | |
Kurt-Schumacher-Damm/A100 ziehen wollen. Doch auch von diesen dunklen | |
Kellerlöchern gäbe es nicht genug für alle. Wo soll nun wer aus Liebe | |
wohnen? | |
An dieser Stelle möchte ich die großen Ökonomen unserer Zeit bitten, zu | |
übernehmen. Und ziehen Sie sich noch die [2][Royal-Wedding-Version von | |
„Stand by me“] rein. Wenn Sie nicht ein kleines Tränchen verdrücken, wird | |
das eh nichts mit dem Kapitalismus der Liebe. | |
22 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=3PyIi4qfnsc | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=odZ9GVuyfkc | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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