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# taz.de -- Kolumne Kapitalozän: Börsenabstürze als Entgiftungskur
> Ich freue mich über die Kursstürze an den Aktienbörsen. Es wird Zeit zur
> vollständigen Finanzapokalypse. Denn ich will nur eines: Rache.
Bild: Börsenabstürze, das ist, als verbünde sich der Weltgeist für ein paar…
Juhu! [1][Kursstürze an den Aktienbörsen]! Wundervoll, ich will mehr, mehr,
mehr! Ich will den kompletten Crash, alles soll abrauschen bis zur
vollständigen Finanzapokalypse. Die schönsten Tagesschaubilder sind die von
verzweifelten Börsianern, die sich entsetzt die Haare raufen. Ich liebe es,
wenn sie weinen, verzweifeln, an ihren Krawattenknoten rumfummeln, als
erwürge sie jemand. Wir stehen in den tiefen Schluchten der
Finanzmetropolen der Welt und rufen alle: Jump, you fuckers.
Ich will Rache. An wem auch immer. Für all die Ungerechtigkeit dieser Welt.
An diesen Millionen von Idioten, Zockern, Börsenheinis, diese Nichtsnutze,
die einem abgrundtief kranken System dienen, das sie reich und andere arm
macht. Möge ihr Leben hohl und leer sein, mögen sie in tiefer Einsamkeit
sterben.
So, Ingo, jetzt mal kräftig durchatmen. Puh. „Einen Rachegedanken haben und
ihn ausführen, heißt einen heftigen Fieberanfall bekommen, der aber
vorübergeht“, schreibt Nietzsche. Ich hab gerade wirklich Fieber. Aber,
sagen wir mal, den Grundreflex, den können Sie vielleicht teilen:
Börsenabstürze, das ist der Triumph der Mittellosen, des Proletariats,
wobei man heute wohl eher von Mittelschicht und Postmaterialisten spricht.
Börsenabstürze, das ist, als verbünde sich der Weltgeist für ein paar Tage
mit dir. Einen Rachegedanken zu haben und keine Kraft und Mut, ihn
auszuführen, das heißt „eine Vergiftung an Leib und Seele mit sich
herumtragen.“ Auch Nietzsche. Börsenabstürze sind eine Entgiftungskur für
die Seele.
## Systemische Korruption bleibt konsequenzlos
Leider bringen sie bei Lichte betrachtet nichts. Niemand wird aus einem
Banktower springen. Es gibt Boni, wenn man Verlust macht, denn Finanzmärkte
sind Selbstbedienungsläden. [2][Spätestens seit der letzten Finanzkrise]
weiß jeder, dass systemische Korruption in Großbanken straflos und
konsequenzlos ist.
Wobei, nicht ganz. Nach der Krise wurde ich Zeuge des wohl einzigen Opfers,
das die Finanzwelt nach dem Crash zu beklagen hatte. Ich spazierte im
Herbst 2008 durch Frankfurt am Main und traf auf einen Banker: gesunder
Teint, helle Augen, akkurat gegeltes Haar. Er stand vor den Zwillingstürmen
der Deutschen Bank, und touchscreente auf seinem Handy herum. Plötzlich
hielt er inne und schüttelte seinen Kopf. Erst bedächtig, dann immer
schneller und seltsam ruckartig.
Schließlich rotierte sein Kopf um 360 Grad auf seinem Hals, dabei läutete
er wie ein Börsengong, immer höher und lauter gongte er. Aus seinem Mund
drang grüner Schleim, den er zu allen Seiten verspritzte. Er streckte seine
Hände aus und taumelte zombiegleich, mit rotierendem Kopf, auf mich zu,
sprintete dann los, ich sprang gerade noch zur Seite. Er rannte mit dem
Kopf voraus in eine Laterne. Die kam mit einem Knick davon. Der Banker fiel
zur Seite und lag regungslos auf dem Boden, in seinen Augen zuckten Blitze,
dann erloschen sie. Seitdem weiß ich: Sie sind keine Menschen. Sie sind
Roboter. Und sie ernähren sich von grüner Grütze.
6 Feb 2018
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## AUTOREN
Ingo Arzt
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