# taz.de -- Ausstellung in der Akadamie der Künste: Vergangenes und Jetzt verk… | |
> In einer Schau der Akadamie der Künste geht es um Freundschaft – die | |
> zwischen Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter. | |
Bild: Filmstill aus Männerfreundschaften – Homoerotik in der Goethezeit (201… | |
Ein bisschen herrscht noch Baustelle in der Akademie der Künste am Pariser | |
Platz. Der titelgebende Schriftzug zur Ausstellung „Abfallprodukte der | |
Liebe“ klebt erst in Teilen, und es wimmelt zwischen den Exponaten noch von | |
fleißigen Menschen, die auf Kränen Beamer justieren, riesige Infotafeln | |
hängen oder letzte Kisten auspacken. Es ist Dienstag, zu früh. Eröffnung | |
ist am Donnerstag, in zwei Tagen, aber das meiste strahlt schon. Fünf Räume | |
sind es für das Werk von drei Filmschaffenden; alle sehr unterschiedlich, | |
alle sehr faszinierend – die Räume und diese Menschen. | |
Claudia Lenssen, kuratorische Beraterin der Ausstellung, ist da. Elfi | |
Mikesch und Rosa von Praunheim sind da, denn um ihr Werk geht es. Sie | |
gucken sich konzentriert, aber freudig um, klären letzte Details, | |
besprechen sich. Werner Schroeter ist nicht da, er guckt seit acht Jahren | |
von oben zu. Er ist der Dritte in diesem Freundschaftsbund, der bis in die | |
1960er zurück geht und jetzt seine eigene Ausstellung bekommen hat. | |
Im ersten Raum, dem „Freundschaftsraum“, steht in der Mitte ein Rosenbett. | |
Wer ein bisschen vertraut ist mit Werner Schroeter, der Filme, Fotografien, | |
Theaterstücke und Opern gemacht hat, erinnert sich an den Film „Der | |
Rosenkönig“ von 1986, bei dem Elfi Mikesch die Bilder machte: Film als | |
homoerotische Oper, die Schroeter für seine Freundin Magdalena Montezuma | |
inszenierte. | |
Es geht um sie, um junge Männerkörper, um Rosen und darum, ein Publikum | |
allein mit Bildern zu verzaubern. Im Arsenal lief der Film nach dem Tode | |
Schroeters 2010. Rosa von Praunheim sprach damals. Später sang Ingrid Caven | |
in der Volksbühne, an der Schroeter inszenierte, „Die großen weißen Vögel… | |
in einem Meer aus Rosenblättern. | |
## Ein junger, unglaublich schöner Werner Schroeter | |
Ein riesiges, bedrucktes Stoffbanner wird im zweiten Raum bis zur Decke | |
hoch gezogen. Ein junger, unglaublich schöner Werner Schroeter fährt | |
überlebensgroß plötzlich in Richtung Himmel. Er hält ein Bild von einem | |
anderen, ebenfalls schönen Mann in der Hand: Rosa von Praunheim in jung. | |
Sein Liebhaber, jedenfalls für einige Zeit. | |
Auf der Rückseite dann der alte Schroeter, mit weißer Rose in der Hand, | |
beim Filmfest von Venedig, wo er 2008 einen Ehrenlöwen für sein Lebenswerk | |
erhielt. Im Raum ist Schroeter dann doch ganz da: Seine Stimme als | |
Klanginstallation, im Gespräch mit Praunheim oder Isabelle Huppert; er | |
redet über Maria Callas, über die Zeit und über Orgasmen und ist plötzlich | |
wieder sehr lebendig. | |
Im Eingang führt ein Zusammenschnitt der Filme von Rosa von Praunheim, Elfi | |
Mikesch und Werner Schroeter in ihre oft miteinander verwobenen Werke ein. | |
Über 40 Filme hat Mikesch als Kamerafrau gemacht, 20 in Eigenregie. Bei | |
Rosa von Praunheim sind es bis heute 150, Zahl jährlich steigend. Schroeter | |
war Regisseur von 30 Filmen. | |
Gegenüber stehen Vitrinen, die zweite ist typisch Praunheim: augenzwinkernd | |
ich-bezogen, mit einer Auswahl seiner Medikamente, seinem | |
Bundesverdienstkreuz, allerlei Scheußlichkeiten und einem Teil seiner | |
Bücher, originalverpackt wie in einer Supermarktauslage. | |
## Keine Musealisierung | |
In einer anderen Vitrine ein Brief von Magdalena Montezuma an Elfi Mikesch, | |
darin ein Schlüsselsatz für diese Ausstellung: „Nun hab ich halt ein | |
schlechtes Verhältnis zur Reproduktion von Vergangenem, das ist auch mein | |
Problem mit Fotos, ich weiß nie, was ich mit dem endgültigen Bild | |
eigentlich soll.“ | |
Mikesch und Praunheim haben hier bewusst dafür gesorgt, dass sie weder sich | |
selbst noch Schroeter musealisieren, sondern das Vergangene mit dem Jetzt | |
verknüpfen – dass es um neu bespielte, lebendige Räume mit oft neuen | |
Arbeiten oder Installationen gehen soll. | |
Bestes Beispiel hierfür ist das letzte Riesenzimmer, das Rosa von Praunheim | |
sich selbst widmet, und in dem er sein Publikum mal wieder herzlich zum | |
Lachen einlädt. Hier erlebt man, wie Mikesch es treffend sagt, „Praunheim | |
wie er leibt und lebt“. Man geht durch Gitterstäbe hindurch (Praunheim | |
wurde in einem Gefängnis geboren) und betritt eine sehr schwule Villa | |
Kunterbunt, in der man von den riesigen Erektionen einiger | |
Schaufensterpuppen begrüßt wird. | |
Kleine, begehbare Hütten stehen in den Ecken, darin: knallbunte Kunst, | |
Kitsch und wunderbar Vulgäres – und natürlich eine Matratze. Ansonsten | |
Praunheims halbes Wohnzimmer als Exponat, schwulenbewegte Parolen und | |
Kampfsprüche an den Wänden, römische Säulen mit Plüsch und Plunder, seine | |
beiden Mütter, seine Filme, Poster, Penisse: ein fabelhaftes Durcheinander, | |
konsequent und komisch inszeniert vom wichtigsten und produktivsten Pionier | |
des aktivistischen, schwulenbewegten Films. | |
## Die Ehe von Fotografischem und Filmischem | |
Auch Elfi Mikeschs Raum ist eine Ausstellung für sich – ebenso konsequent, | |
aber gegenteilig im Konzept. Konzentriert sieht man zwischen Blackbox und | |
White Cubes begehbare Mini-Kinos, kleine Camera Obscuras, in denen | |
faszinierende Fotofilme zu sehen sind oder frisch montiertes Filmmaterial | |
in Dreifachprojektion. | |
Riesig sind Mikeschs beeindruckende Fotografien an den Wänden: Porträts, | |
Architekturen, ungerahmte Prints von fast abstrakten Fleischereiszenen – | |
Bilder aus ihrem letzten Film „Fieber“ (2014). In einer Ecke eine | |
Klanginstallation, an der Wand: tätowierte Haut neben Tierfüßen. | |
Negativplatten aus einem Fotoatelier, in dem Mikesch in den 1950er Jahren | |
arbeitete, hängen an der Wand in einem Lichtkasten und dann wieder als | |
Riesenprint an einer Black Box. Es geht um Perspektivwechsel und | |
Blickwinkel, um die Ehe von Fotografischem und Filmischem im Werk von | |
Mikesch und darum, dass das Vergangene neu lebt und eben nicht nur | |
reproduziert wird. Sensationell auch die Wiederentdeckung eines verschollen | |
geglaubten Films: „Macumba“ von 1982, in der Hauptrolle Magdalena | |
Montezuma, ist ausschnitthaft an die weiße Wand projiziert. | |
Maria Callas hat es geschafft aus der Zeit einen Raum zu machen, sagt | |
Werner Schroeter in einer Klanginstallation. Damit beschreibt er auch sehr | |
schön, was Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim hier gelungen ist. | |
Berührend, aber unsentimental erinnert ihre Ausstellung an das Vergangene, | |
ohne es zu sehr zu reproduzieren. Vielmehr geht es um neue Arbeiten, neue | |
Räume und neue Erfahrungen; und um eine Freundschaft. | |
20 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Toby Ashraf | |
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