# taz.de -- Streik an den Hochschulen: Eine Woche gegen Lohnverzicht | |
> Seit 17 Jahren hat es für studentische Beschäftigte keine Anpassung des | |
> Lohns mehr gegeben. Jetzt stehen die Zeichen auf Erzwingungsstreik. | |
Bild: Schon am 4. Mai demonstrierten die studentischen Beschäftigten | |
BERLIN taz | „TV-Stud und VSG – Arbeitgeber in die Spree“, rufen | |
Studierende im gut gefüllten größten verfügbaren Hörsaal im Hauptgebäude | |
der Humboldt-Universität. Mit Sprechchören begrüßen sie Angestellte der | |
Vivantes Service Gesellschaft (VSG), die sich an diesem Dienstag seit 35 | |
Tagen im unbefristeten Erzwingungsstreik befinden. Sie wollen endlich ein | |
Angebot, das sie in eine reguläre Tarifstruktur integriert. Dasselbe | |
Anliegen haben die studentischen Beschäftigten der Hochschulen, die in der | |
HU ihre Streikversammlung abhalten und unter anderem mit einer Geldsammlung | |
Solidarität mit ihren KollegInnen von der VSG zeigen. | |
Seit mehr als 17 Jahren hat es für die Studierenden keine Anpassung des | |
Lohns mehr gegeben, im Gegenteil, das Weihnachtsgeld wurde gestrichen. Seit | |
Montag sind die Beschäftigten deshalb zum Warnstreik aufgerufen, um vor der | |
nächsten Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern am 24. Mai | |
Kampfbereitschaft zu signalisieren. Das Ziel der gewerkschaftlichen | |
Tarifkommission ist eine schnellstmögliche Anhebung der Löhne und ihre | |
Kopplung an den Tarifvertrag der Länder, um die strukturelle | |
Schlechterstellung der studentischen Beschäftigten gegenüber anderen | |
Hochschulangestellten zu beenden. | |
„Sorry we’re closed.“ Im Zugang zum Computerpool der Freien Universität | |
versperrt ein Aufsteller den Weg. Darauf wird auf den Warnstreik verwiesen. | |
Der Benutzerservice wird hier wie an den anderen Berliner Hochschulen | |
vornehmlich von Studierenden getragen. Ihr Stundenlohn beträgt 10,98 Euro. | |
Dieselbe Vergütung erhalten Hilfskräfte in Bibliotheken, an Lehrstühlen, | |
aber auch in der Kinderbetreuung oder technischen Dienstleistungen an | |
Datenbanken und Netzwerken. | |
„Die Aktivsten im Streik sind naturgemäß die, für die der Lohn hier einen | |
wesentlichen Teil ihrer Lebenshaltungskosten deckt.“ Tom*, der als | |
Entwickler im ebenfalls bestreikten Rechenzentrum der HU arbeitet, muss | |
sich sein Studium komplett selbst finanzieren. Positiv sieht er schon am | |
Montag die im Vergleich hohe Beteiligung am Streik. Die Streiklisten der | |
Gewerkschaften füllen sich zügig, und das trotz der zum Teil schwierigen | |
Vernetzbarkeit der studentischen Hilfskräfte. | |
## Eingeschränkter Service | |
Der Mobilisierung hilft der einwöchige Aktionszeitraum. Er ermöglicht es, | |
anders als bei den bisherigen eintägigen Streiks, die nur tage- und | |
stundenweise arbeitenden KollegInnen auch tatsächlich zu erreichen. Lisa, | |
die in einer zentralen Einrichtung der Technischen Universität beschäftigt | |
ist, bestätigt diese Beobachtung: „Gut ist auch, dass wir am Samstag | |
streiken. Wie die Abende werden die Wochenendöffnungszeiten der | |
Bibliotheken hauptsächlich von Studierenden abgedeckt, der Einschnitt wird | |
so auch noch einmal deutlicher spürbar.“ Und tatsächlich, mehrere der | |
Hochschulbibliotheken müssen die Spätöffnungszeiten bereits am ersten | |
Streiktag deutlich reduzieren. | |
Dazu kommen andere Einrichtungen wie das Selbstlernzentrum der FU, das | |
komplett geschlossen ist, ebenso der Studierendenservice mit dem | |
Info-Center für Erasmusstudierende. An der TU, wo ein großer Teil des | |
Studiums durch von Studierenden betriebene Tutorien gestützt ist, sind die | |
streikbedingten Ausfälle unübersehbar. Markus, Student an der | |
Alice-Salomon-Hochschule und tätig im Rechnenzentrum, bringt die Stimmung | |
auf den Punkt: „An der Kasse von Aldi kann man im Moment mehr verdienen als | |
hier. Klar, soziale Berufe erlernt man nicht, um reich zu werden, aber | |
schon allein die drastisch gestiegenen Mieten werden von 10,98 Euro die | |
Stunde nicht mehr aufgefangen.“ | |
Das Streikcafé an der FU nutzt das freundliche Wetter am Wochenanfang und | |
platziert sich gleich auf der Wiese vor der Silberlaube. Felix sitzt neben | |
der Musikanlage in der Sonne. Er arbeitet als Mentor für Studierende in der | |
Orientierungsphase und betont ebenfalls die insgesamt prekären | |
Lebensverhältnisse vieler Studierender. Aber ihm ist noch anderes wichtig | |
in diesem Arbeitskampf: „Wir streiken ja nicht einfach nur für mehr Geld. | |
Es geht doch insgesamt um mehr Anerkennung und Teilhabe, darum, mehr | |
einbezogen zu werden in das Gesamtgefüge der Universität.“ | |
## Abstimmung für verschärften Arbeitskampf | |
Dieses Gesamtgefüge bestimmt auch die Zusammensetzung der Streikaktiven. | |
Die meisten arbeiten in zentralen Einrichtungen wie Rechenzentren und | |
Bibliotheken. Nicht nur können die sich besser vernetzen, auch sind die | |
individuellen Abhängigkeiten nicht so groß, wie es häufig für Hilfskräfte | |
an Lehrstühlen der Fall ist. Celia, Streikende an der HU, bezeichnet das | |
als „feudale Verhältnisse“. Sie berichtet von Bürorundgängen der Aktiven, | |
die hier wie an allen Hochschulen dazu dienen, möglichst viele, gerade auch | |
die eher vereinzelten Beschäftigten an ihren Arbeitsplätzen zu erreichen. | |
Der Zuspruch zum Warnstreik wird über die Fortsetzung des Arbeitskampfs | |
entscheiden. Die Versammlung am Dienstagnachmittag in der HU gibt nach | |
ausführlicher Diskussion die Richtung vor: Sollte der Warnstreik bis | |
Samstag messbar kraftvoller sein, wird ein zeitnaher Erzwingungsstreik | |
angestrebt. Ein vorläufiger Test für die Stärke der ArbeitnehmerInnen | |
dürfte jetzt die zentrale Streikdemo am Donnerstag (15 Uhr, ab | |
Leopoldplatz) sein. | |
*Namen sind der Redaktion bekannt | |
15 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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