# taz.de -- Der selbsternannte Feldmarschall: Wo ist Libyens „starker Mann“? | |
> „Feldmarschall“ Haftar, der eine Gegenmacht zu Libyens Hauptstadt bildet, | |
> liegt in einer Pariser Klinik. Sein Schicksal bestimmt das seines Landes. | |
Bild: Sein Schicksal ist noch ungewiss: Chalifa Haftar (M.; Archivbild von 2017) | |
Tunis taz | Er ist der starke Mann der ostlibyschen Gegenregierung, die die | |
in der libyschen Hauptstadt Tripolis residierende international anerkannte | |
Übergangsregierung bekämpft und sich selbst als Garant der Rückkehr eines | |
starken Staates in Libyen sieht: der selbsternannte Feldmarschall Chalifa | |
Haftar, der schon unter Diktator Muammar al-Gaddafi Armeechef war, dann in | |
die Opposition ging und sich 2011 der Revolte gegen Gaddafi anschloss. Aber | |
seit zwei Wochen wird der von Ägypten, Russland und einigen Golfstaaten | |
unterstützte Warlord in einem Militärkrankenhaus bei Paris behandelt. | |
Laut französischen Medien erlitt der 75-Jährige einen Schlaganfall und | |
wurde angeblich nach schweren Hirnblutungen operiert. Einem Bericht zufolge | |
wurde Haftar zunächst nach Jordanien gebracht und aufgrund der Schwere der | |
Erkrankung mit Hilfe der französischen Luftwaffe in das Militärspital | |
Val-de-Grâce gebracht, die bewährte Exklusivklinik für mit Frankreich | |
befreundete afrikanische Generäle und Staatschefs, wo er zeitweise im Koma | |
gelegen haben soll. | |
Dass Haftar gesundheitliche Probleme hatte, ist bekannt. Laut Insidern | |
leidet er an hohem Blutdruck und Diabetes. Als er von der Bildfläche | |
verschwand, wurde gemunkelt, er sei tot. Während Medien in Saudi-Arabien | |
und den Arabischen Emiraten empört von einer Kampagne der Muslimbrüder, der | |
al-Qaida und des IS sprachen, sahen exillibysche TV-Sender in Istanbul und | |
Katar bereits das Ende der zurückgekehrten „Militär- und Gaddafi-Diktatur“ | |
gekommen, die sie mit Haftar verbinden. | |
In Haftars Umgebung wird sein Gesundheitszustand mittlerweile als gut | |
bezeichnet und sein Klinikaufenthalt als Routineuntersuchung. Der | |
UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, bestätigte, mit Haftar | |
gesprochen zu haben. Sogar seine unmittelbar bevorstehende Rückkehr nach | |
Libyen wird nicht ausgeschlossen. | |
Doch sollte Haftar stattdessen von Libyens politischer Bühne verschwinden, | |
könnten radikale islamistische Gruppen, die er in den vergangenen zwei | |
Jahren mit seiner Armee aus dem gesamten Osten Libyens vertrieben hatte, in | |
die Region zurückkehren und die Ölfelder angreifen, Libyens einzig | |
verbliebene Einnahmequelle. Die Allianz um Haftar ist fragil: eine Mischung | |
aus Freiwilligen, traditionellen Stammesmilizen und Salafisten. | |
Der Haftar-treue Parlamentspräsident Aguila Saleh in Ostlibyen und | |
Diplomaten aus Abu Dhabi und Kairo haben sich bereits getroffen, um einen | |
möglichen Nachfolger für den Feldmarschall zu bestimmen. Die Armeen der | |
Emirate und Ägyptens liefern unter Umgehung des UN-Waffenembargos gegen | |
Libyen High-Tech-Ausrüstung, an Haftars Armee, die gegen angeblich von | |
Katar und der Türkei unterstützte Gruppen verwendet wird. | |
Die Nummer zwei der Armee, Generalleutnant Abdulrazik al-Nadori gilt als | |
besonnener Mann und wurde wie Haftar vom libyschen Parlament gewählt, das | |
im ostlibyschen Tobruk residiert. Ob Nadori im Falle des Ablebens Haftars | |
in dessen Fußstapfen treten kann, scheint allerdings fraglich, da dessen | |
Allianz auf Absprachen mit Stammesältesten beruht. | |
Eine Stärkung der anderen libyschen Regierung in der Hauptstadt Tripolis im | |
libyschen Westen ist derweil ebenfalls nicht in Sicht. Vielmehr gewinnen in | |
diesem Landesteil Islamisten weiter an Einfluss. Letzte Woche hat Khaled | |
al-Mishri Abdurrahman Shwehli an der Spitze des Hohen Staatsrats abgelöst. | |
Der Staatsrat ist ein aus 145 Mitgliedern bestehendes Gegengewicht zum | |
Tobruk-Parlament. Al-Mishri ist ein radikaler Muslimbruder aus Zawiya | |
westlich von Tripolis; sein Aufstieg lässt die Perspektive einer Annäherung | |
zwischen Ost und West in weite Ferne rücken. | |
27 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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