# taz.de -- Libyens selbsternannte Nationalarmee: G7 erhöhen Druck auf General… | |
> Libyens mächtiger General Chalifa Haftar will das Land unter seine | |
> Kontrolle bringen. Er zeigt sich selbstbewusst und brüskiert die | |
> Vereinten Nationen. | |
Bild: General Haftar hatte seinen Truppen am Donnerstag den Befehl zum Vormarsc… | |
Tripolis/Dinard/Kairo dpa/ap | Die internationale Gemeinschaft erhöht ihren | |
Druck auf den libyschen General Chalifa Haftar und fordert einen Stopp | |
seines Vormarsches auf die Hauptstadt Tripolis. Die G7-Staaten zeigten sich | |
am Samstag bei einem Außenministertreffen sehr besorgt über die Lage in dem | |
nordafrikanischen Land. Es sei gut, dass der UN-Sicherheitsrat ein klares | |
Signal gegeben habe, „dass Schluss sein muss mit der militärischen | |
Eskalation“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Rande des Treffens im | |
bretonischen Küstenort Dinard. | |
Der UN-Sicherheitsrat hatte Haftar und seine selbst ernannte Libysche | |
Nationalarmee (LNA) am Freitag aufgerufen, [1][alle militärischen | |
Bewegungen zu stoppen]. „Es kann für den Konflikt keine militärische Lösung | |
geben“, sagte der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen in einer | |
Erklärung, die er im Namen des Sicherheitsrates verlas. | |
Das Signal des Sicherheitsrats sei auch klar an Haftar gerichtet, sagte | |
Maas. Die G7-Runde sei sich einig gewesen, „dass wir all unsere | |
Möglichkeiten nutzen müssen, um Druck auszuüben, insbesondere auf die | |
Verantwortlichen in Libyen, insbesondere General Haftar, dass jede weitere | |
militärische Eskalation unterbleibt“. Auch Russlands Außenminister Sergej | |
Lawrow rief die libyschen Konfliktparteien bei einem Besuch in Ägypten zu | |
einem Dialog ohne Vorbedingungen auf. | |
Die Appelle blieben zunächst ungehört. Augenzeugen meldeten am Samstag | |
Gefechte südlich von Tripolis. Haftars Gegner versuchten offenbar, dessen | |
Nachschubwege abzuschneiden. Loyal zu General Chalifa Haftar stehende | |
Kämpfer in Libyen haben nach eigenen Angaben den wichtigsten Flughafen der | |
Hauptstadt Tripolis eingenommen. Das Medienbüro des Generals teilte am | |
Samstag mit, Truppen hätten nach Gefechten mit rivalisierenden Milizen auch | |
ein Gebiet südlich der Stadt erobert. Der Flughafen ist seit 2014 außer | |
Betrieb. Bei Kämpfen wurde damals ein Großteil der Anlage zerstört. | |
## Ruf eines Militärs, für den Politik an zweiter Stelle kommt | |
Weder von der Regierung in Tripolis, deren Milizen noch den Vereinten | |
Nationen gab es zunächst eine Stellungnahme. Haftar hatte seinen Truppen am | |
Donnerstag den Befehl zum Vormarsch auf Tripolis gegeben, wo die | |
international anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch sitzt. Der 75 | |
Jahre alte General will die Hauptstadt einnehmen und das ölreiche Land | |
unter seiner Führung vereinen. Allerdings muss er in Tripolis mit starkem | |
Widerstand rechnen, weshalb Beobachter einen neuen Bürgerkrieg fürchten. | |
Die Operation des Generals bedeutet [2][eine neue Eskalation in Libyen], | |
das seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 von Krisen | |
erschüttert wird. Seit Jahren konkurrieren etliche Milizen um die Macht, | |
auch zwei Regierungen rivalisieren miteinander: eine in Tripolis, eine mit | |
Haftar verbündete im Osten. Mehrere UN-Vermittler scheiterten daran, eine | |
Lösung zu finden. | |
Haftar hat sich in den vergangenen Jahren zur einflussreichsten Figur | |
Libyens entwickelt. Er genießt den Ruf eines Militärs, für den die Politik | |
erst an zweiter Stelle kommt. Einst unterstützte er Gaddafi und gehörte zu | |
dessen Kräften, als dieser 1969 an die Macht kam. Später aber kam es zum | |
Bruch. Als Haftar 1987 im benachbarten Tschad in Gefangenschaft geriet, | |
ließ Gaddafi ihn dort sitzen. Frei kam er mit Hilfe der USA, wo er | |
anschließend über zwei Jahrzehnte im Exil lebte. Aus der Zeit stammt auch | |
der Vorwurf, ein CIA-Agent zu sein. | |
Nach seiner Rückkehr nach Libyen 2011 versuchte er schon einmal, sich an | |
die Macht zu putschen, scheiterte aber kläglich. Zuletzt konnte er aber | |
seinen Einfluss mit einigem Geschick vom Osten des Landes bis weit in den | |
Westen ausdehnen, häufig ohne großen Widerstand. Dafür setzte er auf ein | |
Bündnis mit lokalen Milizen in einem Land, das in viele Ethnien und Stämme | |
aufgeteilt ist. Sympathien findet Haftar bei Libyern, die dem jahrelangen | |
Chaos überdrüssig sind und auf einen starken Mann hoffen, der das Land | |
regiert und stabilisiert. | |
## Gute Kontakte zu Saudi-Arabien und Russland | |
Haftar inszeniert sich dabei als Vorkämpfer gegen vermeintlich | |
radikal-islamische Kräfte und kann nicht zuletzt deswegen auf Unterstützung | |
aus dem Ausland zählen, vor allem aus Ägypten und den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten (VAE). Sie sehen den General als ihren Mann, um die | |
islamistischen Muslimbrüder zu bekämpfen, die sie zur Terrororganisation | |
erklärt haben. Gute Kontakte pflegt Haftar zudem zu Saudi-Arabien und | |
Russland, auch Frankreich unterstützt ihn. Zu seinen Truppen gehören | |
Söldner aus dem Tschad und dem Sudan. | |
Doch Kritiker warnen, weil sie in dem 75-Jährigen einen wendigen Militär | |
sehen, der das Land einer autoritären Herrschaft unterwerfen will. Zwar | |
bekannte sich Haftar mit Worten zu Wahlen, unternahm aber nichts, um sie | |
umzusetzen. Stattdessen sagte er dem Magazin Jeune Afrique im vergangenen | |
Jahr, Libyen sei noch nicht reif für die Demokratie: „Vielleicht können sie | |
spätere Generationen erreichen.“ | |
Haftar scheint sich seiner Sache sicher zu sein und brüskierte sogar die | |
UN. Den Beginn der Offensive verkündete er, während UN-Chef Antonio | |
Guterres in Tripolis weilte. Dieser wollte in Libyen die | |
Versöhnungskonferenz vorbereiten, die die UN organisieren. | |
Libyen-Beobachter halten Haftar jedoch längst nicht für so stark, wie er | |
sich gibt, weil er seine Kräfte überdehnt habe. Sein Bündnis mit lokalen | |
Milizen ist lose und könnte wieder auseinanderfallen. „Haftar hat sein | |
Blatt überreizt“, [3][twitterte der Libyen-Experte] der Berliner Stiftung | |
Wissenschaft und Politik (SWP), Wolfram Lacher. | |
6 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Sorgen-vor-Gewalteskalation-in-Libyen/!5585903 | |
[2] /Konferenz-zur-Loesung-des-Libyenkonflikts/!5550829 | |
[3] https://twitter.com/W_Lacher/status/1114176396832714752 | |
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