# taz.de -- Großoffensive in Libyen: „Stunde null“ gerät ins Stocken | |
> Der von Russland gestützte General Haftar will mit der Libyschen | |
> Nationalarmee Tripolis erobern. Milizen stellen sich ihm nun entgegen. | |
Bild: Mitglieder einer Miliz aus Misrata, die sich gegen die ostlibysche Armee … | |
TUNIS taz | „Stunde null“ heißt die Großoffensive, mit der General | |
[1][Chalifa Haftar], Führer der mehrheitlich aus Ostlibyen stammenden | |
Libyschen Nationalarmee (LNA), die libysche Hauptstadt Tripolis einnimmt | |
und damit nach mehreren Jahren Krieg gegen die in Tripolis basierte | |
Regierung die Macht ergreift. | |
Aber am Wochenende ist der am Donnerstag gestartete Angriff ins Stocken | |
geraten. Während Haftars Nachschubkolonnen mit Panzern und Pick-ups aus | |
dem 650 Kilometer entfernten Bengasi nach Westen rollen, vertrieb die | |
Allianz der Hauptstadtmilizen, Machtbasis der international anerkannten | |
Einheitsregierung in Tripolis, Haftars Soldaten wieder vom internationalen | |
Flughafen, den sie am Freitag eingenommen hatten. | |
Am Samstag bombardierten Kampfflugzeuge der Einheitsregierung auch die 80 | |
Kilometer südlich von Tripolis gelegene Stadt [2][Gharian], in der sich | |
Haftars Truppen festgesetzt haben. An einem 27 Kilometer westlich gelegen | |
Kontrollpunkt nahmen regierungstreue Einheiten aus der Stadt Zauwia 148 | |
Soldaten Haftar mitsamt ihren Waffen fest – peinlich für den General, der | |
behauptet, über Libyens einzige wahre Armee zu verfügen und mit dem | |
Milizenwirrwarr aufräumen zu können. | |
In einer weiteren Stärkung der Einheitsregierung wurden Berichten zufolge | |
400 Pick-ups aus dem 200 Kilometer entfernten Misrata auf der Straße zum | |
internationalen Flughafen zusammengezogen. „Wir bereiten uns auf einen | |
Gegenangriff vor“, sagt einer der Kommandeure aus der Hafenstadt, die 2011 | |
mehrere Monate von Gaddafis Truppen belagert worden war. | |
## In Tripolis wird gegen Haftar mobilisiert | |
LNA-Befehlshaber Chalifa Hafter hatte am Donnerstag letzter Woche die | |
„Stunde null“ verkündet. „Die Vertreibung der Milizen und Terroristen von | |
den Schalthebeln der Macht“ werde nun beginnen, so der 72-jährige | |
selbsternannte Feldmarschall. Tripolis wird seit Jahren von einem Dutzend | |
Milizen unterschiedlicher politischer Ausrichtung kontrolliert. | |
Gemeinsam haben sie, dass ihre Kämpfer auf den Lohnlisten von Ministerien | |
der Einheitsregierung oder Staatsfirmen stehen oder diese sogar | |
kontrollieren. Dem schon unter Muammar Gaddafi zum General beförderten | |
Chalifa Haftar dient die Anwesenheit von radikalen Islamisten unter diesen | |
Hauptstadtmilizen als Rechtfertigung für seinen Überraschungsangriff. | |
In [3][Tripolis] und den von Anti-Gaddafi-Kämpfern dominierten Städten | |
Misrata und Zauwia wird nun gegen Haftars ostlibysche Armee mobilisiert. | |
Die ehemaligen Revolutionäre fürchten, dass mit dem Vorrücken der LNA die | |
Anhänger des vor acht Jahren vertriebenen Gaddafi-Regimes zurückkehren. | |
Im Falle einer weiteren Eskalation könnte Tripolis das Schicksal der | |
ostlibyschen Hauptstadt Bengasi drohen. Die Stadt war drei Jahre lang | |
Schauplatz blutiger Straßenkämpfe zwischen Haftars Einheiten und lokalen | |
radikalen Gruppen und IS-Anhängern. Mit ägyptischer, russischer und | |
französischer Militärhilfe wurden die Extremisten schließlich nach Tripolis | |
vertrieben, der Preis für Haftars Sieg waren allerdings die großflächige | |
Zerstörung der Innenstadt und Hunderte zivile Opfer. Viele Kritiker von | |
Haftars Militärdiktatur landeten im Gefängnis. | |
## Libyer wünschen sich Rückkehr starker Institutionen | |
Die Bürger in Tripolis versuchen die Kämpfe am südlichen Stadtrand zu | |
ignorieren. Cafés und Einkaufszentren waren auch am Wochenende gut besucht, | |
der Stadtflughafen Maitiga wird weiter angeflogen. Nach Umfragen der | |
Nichtregierungsorganisation „Lapor“ aus Gharian aus diesem Januar wünschen | |
sich viele Libyer nach der Milizenwillkür der letzten Jahre die Rückkehr | |
starker Institutionen. Die in Ost und West gespaltene libysche Armee wurde | |
als wichtigste zukünftige Institution genannt. Mit Haftars Angriff auf | |
Tripolis wird ihre Vereinigung allerdings unwahrscheinlicher. | |
Der UN-Sicherheitsrat forderte die Einstellung der Kämpfe, für die | |
insbesondere Haftars LNA verantwortlich gemacht wird. Mit versteinertem | |
Gesicht kommentierte der nach Tripolis gereiste UN-Generalsekretär António | |
Guterres die Kämpfe. Der portugiesische Diplomat wollte auf einer | |
Pressekonferenz Zeitpunkt und Ziel der in zwei Wochen geplanten | |
Nationalkonferenz verkünden. | |
Auf der sollen ein Fahrplan für Wahlen und das Ende der Ost-West-Spaltung | |
Libyens diskutiert werden. Doch Haftar machte ihm mit seiner Offensive | |
pünktlich zu seiner Ankunft im Land einen Strich durch die Rechnung. Bei | |
seiner Weiterreise nach Bengasi warb Guterres erfolglos für die | |
Einstellung der Kämpfe. Die Konferenz soll nun trotzdem stattfinden – vom | |
14. bis zum 16. April in der Stadt Ghadames. | |
An einem Kompromiss dürften die Verbündeten beider Seiten kein Interesse | |
haben. Afrikas theoretisch ölreichstes Land exportiert so viel Öl wie nie | |
seit der Revolution von 2011. [4][Haftars Armee kontrolliert mittlerweile | |
die meisten Ölquellen]; Russland, die Arabischen Emirate, Ägypten und | |
Saudi-Arabien setzen auf lukrative Verträge in seinem Einflussgebiet. | |
Milizen aus Misrata und Zauwia im Westen erhalten nach einem im Dezember | |
veröffentlichten UN-Expertenbericht hingegen Waffen aus der Türkei und | |
Katar. | |
7 Apr 2019 | |
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[1] /Libyens-selbsternannte-Nationalarmee/!5586047 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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