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# taz.de -- Kämpfe am Flughafen in Tripolis: Libysches Absurdistan
> Nach Kämpfen in Tripolis ist nur noch ein Flughafen teils geöffnet. Das
> Verteidigungsministerium bezahlt Milizen. Staaten in der Region mischen
> mit.
Bild: Ein nach Kämpfen demoliertes Flugzeug am Mitiga Flughafen in Tripolis
Tripolis taz | Die ehemalige Wheelus-Luftwaffenbasis, die jetzt ein ziviler
Flughafen ist, trennt zwei Welten. Auf der einen Seite hinter hohen Mauern
liegt der weiße Strand der 2.300 Kilometer langen Mittelmeerküste. Tagsüber
baden hier Familien, keine zwei Kilometer von der Innenstadt von Tripolis
entfernt. Nachts schicken die Schmuggler aus der libyschen Hauptstadt
Schlauchboote mit Migranten nach Italien.
Auf der anderen Seite der ehemaligen amerikanischen Militärzone liegt der
Suk al-Juma, der Freitagsmarkt. Aus der 200.000-Einwohner-Vorstadt stammen
viele der religiös-konservativen Milizen, die 2011 Langzeitdiktator Muammar
al-Gaddafi und seine Anhänger aus Bab al-Azizya, einer sechs
Quadratkilometer großen Stadt in der Stadt, vertrieben hatte.
In dem Gefängnis auf dem von der US-Armee 1970 evakuierten Flughafen
bewachen die Männer von Abdulrauf Kara rund 2.400 Gefangene. Aktivisten,
IS-Kämpfer und Gegner des zum Salafisten gewandelten Milizenführers fristen
einen trostlosen Alltag in dem Hochsicherheitstrakt, der offiziell der
Kontrolle der Einheits-regierung von Premierminister Fajis al-Sarradsch
untersteht.
Am vergangenen Freitag versuchten die Kämpfer der 32. Brigade, die Karas
untersteht, aus Bengasi stammenden Radikale des sogenannten Schura-Rates zu
befreien. Die mit Luftabwehrgeschützen ausgerüsteten Kontrollpunkte Karas
wurden an belebten Straßenkreuzungen von der sich als Armee ausgebenden
Miliz von Mohammed al-Bugra aus dem Hinterhalt angriffen. Über 30
Uniformierte und Zivilisten starben in dem 24 Stunden dauernden
Häuserkampf.
Sieben von rund zwölf Boing- und Airbus-Passagierflugzeuge der drei
libyschen Fluggesellschaften wurden von Kugeln und Luftabwehrsalven
getroffen. Seitdem ist der in Mitiga umbenannte Flughafen, die einzige
internationale Verbindung zur Außenwelt, nur noch eingeschränkt geöffnet.
Trotz eines von Stammesältesten ausgehandelten Waffenstillstands rechnen
viele in Tripolis mit einem weiteren Angriff der Kämpfer von
Brigade-Kommandeur al-Bugra, „die Kuh“.
Dass Tripolis überhaupt noch mit der Außenwelt verbunden ist, verdanken
Tausende in Tunis und Istanbul festsitzende Reisende unter anderem zwei
Piloten von Libyan Airways, die zwei Passagierjets inmitten des Chaos
starteten und auf dem 2014 bei einem Milizenkrieg zerstörten
internationalen Flughafen in Sicherheit brachten.
Dass sich Karas- und Bugras-Männer überhaupt bekämpfen, spiegelt die
absurde Lage in Libyen wider. Beide unterstehen der Einheitsregierung von
Premier al-Sarradsch, Bugra schlug sich jedoch auf die Seite der
Islamisten.
Der von der von der UNO und der EU, aber nicht dem libyschen Parlament
anerkannte ehemalige Geschäftsmann löste die Brigade 32 nun auf. Die
Kämpfer „der Kuh“ werden aber weiterhin aus dem Etat des
Verteidigungsministeriums bezahlt – so wie fast alle verfeindeten Gruppen
im Land.
„Solange die internationalen Diplomaten und unsere eigene Regierung die
Kultur der Milizen finanzieren, wird es keinen Frieden geben. Im Gegenteil,
Libyen wird immer mehr zu einem Afghanistan am Mittelmeer“, sagt der nach
Tunis geflohene Aktivist Mohammed Bulifa aus Tripolis.
## Italien verstärkt Truppen
Dass der Krieg in Libyen nach relativer Ruhe jederzeit wieder eskalieren
könnte, zeigt auch der Fall eines vergangene Woche von der griechischen
Küstenwache abgefangenen Frachters mit 30 Tonnen Sprengstoff an Bord. Die
„Andromeda“ war auf dem Weg von Izmir in die libysche Hafenstadt Misrata.
Während die Türkei und Katar die Milizen aus Misrata – nach Libyen
geflohene Muslimbrüder – unterstützen, setzen die saudische Führung,
Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate auf die ostlibysche Armee
von Chalifa Haftar. Diplomaten der EU wollen hingegen die Einheitsregierung
von al-Sarradsch stärken, der sich jedoch mangels eigener Truppen mit allen
Milizen arrangiert hat.
Auch um die nach Tripolis zurückgekehrten Diplomaten zu schützen, hat
Italiens Regierung am Freitag beschlossen, die im 200 Kilometer von der
Hauptstadt entfernten Misrata stationierten eigenen Truppen mit offiziell
40 Spezialkräften zu verstärken. 470 Kampftruppen werden laut
Verteidigungsministerin Roberta Pinotti nahe der libyschen Grenze in den
Niger verlegt. Dafür werden italienische Soldaten aus dem Irak und
Afghanistan abgezogen.
23 Jan 2018
## AUTOREN
Mirco Keilberth
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