# taz.de -- Debatte Künstliche Intelligenz: Wir können noch Frühstück machen | |
> Stelbstfahrende Autos und Pflegeroboter – KIs machen oft Angst. Dem | |
> können wir entgegenwirken: mit Regeln und dem Fokus auf menschliche | |
> Fähigkeiten. | |
Bild: Künstliche Intelligenz: Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen der Menschheit | |
Es ist nicht leicht in diesen Tagen, künstliche Intelligenz zu mögen. Ein | |
autonom fahrendes Auto des Fahrdienstanbieters Uber tötete vor Kurzem eine | |
Frau in den USA, als sie im Dunkeln eine Straße überquerte. Dass ein Mensch | |
einen Pkw in vielen Situationen nicht kontrollieren kann, das wissen wir. | |
[1][Aber ein digitales Programm? Das sollte doch bitte schön unfehlbar | |
sein]. | |
Ähnliche Schockwellen löste das Online-Netzwerk Facebook aus. Der | |
US-Konzern [2][lässt Daten sammeln und beeinflusst damit offenbar die | |
Entscheidungen der Nutzer*]. Wenn uns online Produkte vorgeschlagen oder | |
Dienstleistungen angeboten werden, mag uns das gefallen oder auch ärgern. | |
Aber wir haben immer noch das Gefühl, selbst über Kauf oder Ablehnung | |
entscheiden zu können. Dieses Empfinden wurde durch die Enthüllungen über | |
die Kooperation von Facebook mit der Datenanalysefirma Cambridge Analytica | |
erschüttert. Schließlich geht es um mutmaßliche Manipulationen im | |
US-Wahlkampf und bei der Brexit-Abstimmung. | |
Auf die Vorfälle folgen verzweifelt wirkende Reaktionen. Tests mit autonom | |
fahrenden Autos wurden in etlichen US-Bundesstaaten verboten. Und die | |
Forderung, den Tech-Giganten Facebook zu zerschlagen, wird auch hierzulande | |
lauter. Der Tenor: Die Macht künstlicher Intelligenz, kurz KI, müsse | |
eingedämmt werden, bevor sie außer Kontrolle gerate. Die Akzeptanz für | |
lernende Systeme, für digitale Programme, die eigenständig Probleme | |
bearbeiten, schwindet. | |
Die Skepsis ist berechtigt – aber nur teilweise. Beim Einsatz künstlicher | |
Intelligenz geht es in der Regel darum, den wirtschaftlichen Wettbewerb | |
anzufeuern, also um Innovationsfähigkeit, wie es so schön heißt. Es geht | |
schlicht ums Geld. Denn: KI sei die Zukunft, mahnen Wissenschaftler*, | |
Unternehmer*, Politiker*. Ja, das ist sie. Doch nicht, weil die Technologie | |
Jobs schafft und die Kassen der Unternehmen füllt. Sondern weil sie unseren | |
Lebensalltag entscheidend verbessert. | |
## Jede Menge freie Zeit – dank künstlicher Intelligenz | |
Zum Beispiel, wenn es um unsere Gesundheit geht. Künstliche Intelligenz | |
analysiert und bewertet Röntgenbilder schneller und präziser als jeder | |
Arzt. Komplizierte Operationen übernehmen digitale Programme. Bei der | |
Auswertung medizinischer Daten helfen lernende Systeme den Menschen, die | |
beste Therapie für die Patienten* zu finden. Dass der Robo-Pfleger im | |
Altenheim eingesetzt werden könnte, wirkt einerseits befremdlich. Aber er | |
kann kranke und alte Menschen unermüdlich aus dem Bett hieven, Essen | |
verteilen, Wäsche sortieren, Personalpläne aufstellen, die | |
Pflegedokumentation erledigen und nebenbei Medikamente nachbestellen. Das | |
Pflegepersonal könnte sich dann auf die Dinge konzentrieren, die die KI | |
nicht kann: menschlich sein. | |
Auch unsere Mobilität und Logistik verbessert das lernende System. Derzeit | |
wird getestet, wie mithilfe einer autonom fahrenden Lkw-Kolonne Waren von | |
einem Ort zum anderen gebracht werden. Tempo und Fahrverhalten sind gleich, | |
es gibt weniger Staus und keine übermüdeten Fahrer* mehr. Auch im | |
öffentlichen Nahverkehr der Zukunft soll KI eine Rolle spielen. Je nach | |
Lebenslage und Ziel denkt das digitale System mit und macht passende | |
Vorschläge. Dank der Technologie wird jede Menge Zeit frei. Zeit, nach der | |
sich so viele Menschen sehnen. | |
Die Angst muss raus aus der Debatte, nicht aber die Sorglosigkeit. Ganz | |
gleich, wer über künstliche Intelligenz debattiert, Wirtschaft, Politik und | |
Wissenschaft fordern dasselbe: mehr Forschung und mehr Aufklärung. Die | |
künstliche Intelligenz ist nicht unfehlbar. Das haben die Vorfälle der | |
vergangenen Wochen auf eindrückliche Weise gezeigt. Ja, es mangelt an der | |
Sicherheit vieler Anwendungen. Und auch beim Schutz der Daten der Nutzer* | |
nehmen es viele Unternehmen nicht so genau. | |
Wir brauchen eine Art Kodex, ein gemeinsames Grundverständnis, das | |
Verbraucher* schützt und Dos und Don’ts definiert, wenn künstliche | |
Intelligenz zum Einsatz kommt. Wissen die Nutzer*, dass ein Chatbot ihre | |
Beschwerde aufnimmt? Oder ein lernender Algorithmus ihr Röntgenbild | |
auswertet? Das sollte transparent sein – am besten per Gesetz verordnet. | |
Wenn die Nutzer* wissen, mit wem sie es zu tun haben, handeln sie | |
bewusster. Und: Entscheidungen, die auf der Basis von lernenden Systemen | |
getroffen wurden, sind anfechtbar. Das bedeutet, es zählt ausnahmslos der | |
menschliche Widerspruch. | |
## Bessere Regeln schaffen mehr Vertrauen | |
Doch wie könnte ein solcher KI-Kodex aussehen und wer soll ihn | |
aufschreiben? Vor wenigen Tagen haben Frankreich und Deutschland gemeinsam | |
den Startschuss für ein Zentrum für künstliche Intelligenz gegeben. Die | |
Beteiligten wollen Forschungsergebnisse austauschen, den Einsatz von KI | |
kontrollieren und die ethisch-moralischen Anforderungen an solche Systeme | |
prüfen. Außerdem ist eine Ethikkommission auf Bundesebene geplant, die sich | |
mit der künstlichen Intelligenz befasst. Das steht sogar im | |
Koalitionsvertrag. Die Politik schafft also Gremien, die sich abseits von | |
wirtschaftlichen Interessen mit der KI auseinandersetzen sollen. | |
Das alles ist ein Anfang, um die diffuse Furcht zu schmälern, der Technik | |
ausgeliefert zu sein. Regeln schaffen Vertrauen. Die Kernbotschaft: | |
Intelligente Systeme unterstützen die Menschen. Sie bereiten Entscheidungen | |
vor, die dann von Menschen getroffen werden. Aber eben nur in dem Bereich, | |
in dem sie trainiert wurden. Der Mensch ist nach wie vor derjenige, der | |
mehr als eine Fähigkeit hat. | |
Eine künstliche Intelligenz mag in Sekundenschnelle medizinische Befunde | |
auswerten, ein Roboter kann unermüdlich und präzise komplizierte Bauteile | |
prüfen, Ersatzteile bestellen oder Schach spielen. Der Mensch kann all das | |
auch, zwar nicht so gut wie das Maschinenprogramm. Aber er kann auch noch | |
Frühstück machen, seinen Kindern eine Geschichte erzählen und sich über | |
gutes Wetter freuen. Die künstliche Intelligenz ist eben nur ein Helfer in | |
einer immer komplizierter werdenden Welt. | |
3 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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