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# taz.de -- Wissenschaftler zu Pflegeroboter-Einsatz: „Körperpflege ist zu i…
> Der Roboter kann Menschen nicht ersetzen, aber unterstützen, sagt Heiner
> Friesacher. Dazu müssen sich Forscher aber mehr mit Pflegeberufen
> beschäftigen.
Bild: Paro ist ein Therapieroboter, der seit den 90er-Jahren in Japan für Deme…
taz: Herr Friesacher, laufen in 20 Jahren vor allem Pflegeroboter durch
Altersheime?
Heiner Friesacher: Ich hoffe nicht. Das wäre eine Horrorvision.
Aber die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland steigt,
gleichzeitig gibt es immer weniger PflegerInnen pro PatientIn.
Die Roboter können keine Pflegekraft ersetzen. Sie können höchstens
unterstützend und begleitend eingesetzt werden. Da sind wir in Deutschland
gerade in den Anfängen – bei der Rentnergeneration der Babyboomer könnte
Robotik dann zur Routine gehören.
Welche Aufgaben könnten Roboter denn übernehmen?
Alle, die nicht mit direkter menschlicher Zuwendung zu tun haben. Roboter
können dokumentierende Aufgaben übernehmen, zum Beispiel Fotos machen oder
Wunden vermessen. Sie können Medikamente ausliefern. Und Roboter könnten
als Unterstützung im Haushalt dienen. Der Roboter Care-O-bot vom
Fraunhofer-Institut kann Getränke bringen und den Fernseher einschalten.
Der Roboter Armar aus Karlsruhe räumt die Spülmaschine ein und aus. Es gibt
Roboter, mit denen man telefonieren kann. Solche Tätigkeiten können
Pflegekräfte entlasten und älteren Menschen länger Selbstbestimmung
ermöglichen. Doch auch hier muss man vorsichtig sein.
Warum?
Pflegebedürftige Menschen haben einen bestimmten Pflegegrad. Der Pflegegrad
bemisst sich daran, wie groß die Fähigkeit einer Person ist, Aktivitäten
eigenständig auszuführen. Hat man einen Roboterassistenten, heißt es
vielleicht, dass die Pflegebedürftigkeit sinkt. Finanzielle Unterstützung
könnte heruntergefahren, der Pflegegrad herabgesetzt und die persönliche
Zuwendung weniger werden.
Dennoch wird zurzeit an Robotern geforscht, die mehr können sollen, als
Pflegekräfte nur zu unterstützen. Einige Modelle etwa reichen Essen an oder
übernehmen das Waschen.
Diese Bereiche sind ethisch fraglich. Pflege ist ein Kommunikations-,
Interaktions- und Berührungsberuf. Jeder Mensch hat beim Essen ein eigenes
Tempo, darauf kann ein Roboter nur schwerlich sensibel genug reagieren.
Außerdem hat Essen eine soziale Komponente, es geht ja nicht nur darum, wie
man Kalorien in jemanden hineinbekommt. Kaum jemand isst gern allein oder
allein mit einem Roboter.
Beim Waschen aber könnte ein Roboter doch für mehr Intimsphäre sorgen,
oder? Er ist ja schließlich nur eine Maschine.
Das sehe ich anders. Waschen ist eine der intimsten und sensibelsten
Tätigkeiten. Körperwäsche heißt auch, für eine halbe Stunde oder länger in
einen ganz engen persönlichen Kontakt zu gehen. Ich kann beobachten: Wie
ist die Empfindlichkeit der Haut? Wie ist die psychische Stabilität?
Versuchen Sie mal, einen Menschen mit Demenz in einer Geschwindigkeit zu
waschen, die seinem Rhythmus nicht angemessen ist. Das funktioniert nicht.
Diese Tätigkeiten werden häufig als „einfach“ abgetan, sie sind aber
hochkomplex.
Einige Pflegeroboter sind mit einem Lernalgorithmus ausgestattet, also
künstlicher Intelligenz. Ist es nicht denkbar, dass Roboter irgendwann auch
derart hochkomplexe Tätigkeiten beherrschen?
Ein Roboter kann nur das, was man ihm einprogrammiert. Es gibt Bereiche,
die können Roboter nicht erlernen – zumindest nicht nach dem heutigen
Wissensstand. Was Mensch und Maschine unterscheidet, ist: Der Mensch kann
reflektieren und Stellung beziehen. Da betreten wir das Feld „impliziter
Wissensbereiche“. Eine Intuition, eine Ahnung, ein Gespür, das lässt sich
nicht formalisieren oder als Regel für einen Computer bestimmen. Wenn Ihnen
jemand gegenübersitzt und sagt: „Bei mir ist alles in Ordnung“, dann lesen
Sie zwischen den Zeilen, dass es vielleicht nicht so ist. Die Pflegekraft
fragt dann noch mal nach. Es geht hier um nonverbale Signale im Umgang mit
Menschen, die oftmals mehrere Einschränkungen haben, chronisch krank,
kognitiv eingeschränkt und meist über 80 Jahre alt sind. Diese Menschen
benötigen einen ganz spezifischen Zugang.
Trotzdem stecken Politik und Wirtschaft viel Geld in die Forschung zu
Pflegerobotik.
Momentan sind ungefähr 170 Robotiksysteme in der Erprobung. Die Wirtschaft
sieht hier einen großen wachsenden Markt. Es gibt kaum einen Bereich im
Pflegesektor, der so gut mit Drittmitteln versorgt wird. Immerhin begleitet
die Technisierung den Sektor von Anfang an: Krankenhausbetten,
Infusionsapparate, Lifter. Und viele Entwicklungen im Gesundheitsbereich
sind sinnvoll, etwa Exoskelette, die Menschen helfen, die nicht mehr
richtig laufen können. Aber es laufen eben auch viele Dinge falsch.
Was denn?
Was bisher fehlt, ist die ethische Reflexion des Ganzen. Was macht das
eigentlich mit uns, in einem helfenden Beruf? Führen wir hier nicht auch
eine ablenkende Debatte? Die Pflegerobotik ist nicht die Lösung für den
Pflegekräftemangel. Wir sollten lieber überlegen, wie wir den Pflegeberuf
attraktiver machen können. In vielen anderen Ländern ist das bereits der
Fall. Der Beruf ist angesehener und besser bezahlt, die Leute sind besser
qualifiziert. Wir haben eines der niedrigsten Bildungsniveaus in der Pflege
in Europa.
Wie sähe eine sinnvollere Entwicklung von Robotern aus?
Es müssten Personen aus verschiedenen Bereichen einbezogen werden. Aus der
Sozialwissenschaft, der Philosophie, der Pflegewissenschaft, außerdem
Pflegende, Betroffene und Angehörige. Und das, noch bevor die Roboter
erprobt werden und die Wirtschaft mitmischt und Marktinteressen einbringt.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung, Ingenieure und Informatiker sind oft
verwundert, welche ethischen Anmerkungen Pflegewissenschaftler haben, etwa
zur Datensicherheit.
Die Roboter können lauschen, filmen, messen, tracken. Diese Daten könnten
an Firmen, Krankenkassen und andere Dritte weitergegeben werden.
Es gibt viele weitere moralische Fragen, die ungeklärt sind: Wer bezahlt
ein aufwendiges Unterstützungssysstem in Altenpflegeeinrichtungen? Führt
das dann zu einer Zweiklassenpflege? Wer haftet letztendlich, wenn etwas
passiert? An wen dürfen Daten weitergegeben werden? Das ist eine
gesamtgesellschaftliche Frage, an vielen Stellen ist das noch nicht zu Ende
durchdacht.
Wie reagieren eigentlich die Pflegekräfte auf Robotik?
Hier ist die Skepsis relativ groß. Das hat auch damit zu tun, dass viele
Pflegekräfte in diesen Beruf gegangen sind, um etwas Soziales zu machen –
und nicht, um mit technischen Systemen zu arbeiten.
Es gibt Studien, die besagen, dass nichtmenschlich aussehende Maschinen
besser von Menschen angenommen werden, weil man da weniger erwartet. Die
meisten Pflegeroboter sehen aber ziemlich humanoid aus. Wie kommt das bei
pflegebedürftigen Menschen an?
[1][In Deutschland ist die Skepsis noch groß]. In Japan zum Beispiel wird
sich bei Pflegerobotern weit mehr getraut, aber dort hat man von jeher eine
andere Beziehung zu den Dingen. Senioren hier in Deutschland finden es oft
nicht gut, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen eine Wirklichkeit
vorgespielt wird. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen es anders ist,
etwa bei der Kuschelrobbe Paro. Hier ist die Akzeptanz relativ hoch.
Paro ist ein Therapieroboter, der seit den 90er Jahren in Japan für
Demenzkranke entwickelt wird. Ein Robbenbaby aus Plüsch, das mit taktilen
Sensoren ausgestattet ist, die auf Berührungen reagieren. Die Robbe ist
auch in Deutschland im Einsatz.
Bei der Robbe ist auch Menschen mit einer Demenz klar, dass das kein
lebendes Tier ist. Paro ist zuerst einmal ein Türöffner. Er macht Zugang zu
demenzkranken Menschen möglich, die bisher jedes Kommunikationsangebot
verweigert haben. Das ermöglicht Teilhabe, das finde ich okay. Es führt
nicht dazu, dass der Mensch verdinglicht wird. Es gibt zwar auch echte
Therapietiere, aber Hunde etwa werden müde, und manche Menschen haben Angst
vor ihnen. Da ist Paro unkomplizierter, außer dass er 5.000 Euro kostet.
Paro ist ein gutes Beispiel für Chancen und Grenzen der Robotik – vor
allem, wenn es um Gefühle und Emotionen geht.
6 May 2018
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## AUTOREN
Christine Stöckel
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künstliche Intelligenz
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