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# taz.de -- Roboter als Hilfskraft in der Pflege: „Wollen wir singen?“
> Forscher untersuchen, wie Roboter in der Altenpflege eingesetzt werden
> können. Dafür ist vor allem eines nötig: mehr Akzeptanz.
Bild: Pepper begrüßt in einem Stuttgarter Kaufhaus einen Kunden
Berlin taz | Die Fabriken haben sie schon erobert; jetzt dringen die
Roboter in neue Anwendungsfelder vor. Dazu zählt auch die Altenpflege, die
Betreuung der Hochbetagten in Heimen und auch im privaten Umfeld. Im Rahmen
des Wissenschaftsjahres „Arbeitswelten der Zukunft“ touren derzeit Forscher
der Universität Siegen und der Fachhochschule Kiel mit ihrem Roboter Pepper
durch die Bundesrepublik. Sie zeigen, welche Tätigkeiten die stählernen
Gehilfen heute schon in den Seniorenheimen ausführen können. Und sie
ermitteln die gesellschaftliche Akzeptanz für die Pflegerobotik. Am
Mittwoch machten die Forscher Station in der Amerika-Gedenkbibliothek in
Berlin.
Roboter Pepper – zwei Arme, zwei Beine, 1,20 Meter groß, runder weißer Kopf
mit zwei großen Glubsch-Augen, ein Display vor der Brust – hat wie immer
gute Laune. Er wendet sich denen zu, die ihn ansprechen. „Wollen wir
singen?“ Schon kommt die Melodie „Hoch auf dem gelben Wagen“. Ein
Volkslied, das nur noch die Alten kennen. Dann sind Lockerungsübungen dran:
Arme ausbreiten, langsam drehen und alle mitmachen. Zuletzt noch ein
Quizspiel: In welcher Stadt fuhr die erste U-Bahn? Bitte den Bildschirm
berühren. So wird es im Altersheim der Zukunft zugehen.
Der Wirtschaftsinformatiker Felix Carros und sein Team haben den Roboter an
der Uni Siegen auf diese Tätigkeiten programmiert. „Es geht uns dabei
primär um die Aktivierung der alten Menschen“, erklärt Carros. „Es handelt
sich um keine pflegerische Tätigkeit.“ Pepper und seine Kollegen eignen
sich nicht als Service-Roboter für die Kernaufgaben in den Pflegeheimen der
Nationen. Aber sie können dort mit ihrem Entertainment-Angebot dafür
sorgen, dass die menschlichen Betreuer mehr Zeit haben für die schweren
Aufgaben und die schweren Fälle, etwa Demenzkranke.
## Roboter mit Seele
Und von der realen Situation in den Altersheimen steuert alles auf die
Robotik zu. Neuen Schätzungen zufolgen fehlen 36.000 Pflegekräfte in
Deutschland; auf 100 offene Stellen kommen nur 21 Bewerber. Lösungen sind
gefragt. In Japan, einer Gesellschaft mit einem noch höheren Anteil alter
und pflegebedürftiger Menschen, ist die Pflegerobotik schon weiter
fortgeschritten. Dort ist aber auch das sozio-technische Umfeld für neuen
Technologien ein anderes, bemerkt Carros. „Die Menschen dort glauben, dass
auch Maschinen eine Seele haben können.“ Keine abwehrende Angst, mehr
Wesensverwandtheit ist die Folge.
In ihrer Forschungsgruppe „Anwendungsnahe Robotik in der Altenpflege“
(AriA) wollen die Wissenschaftler in Testläufen und Gesprächen mit
Pflegefachkräften, Pflegebedürftigen und Angehörigen herausfinden, welche
Anwendungen für den Roboter entwickelt werden sollten und wie sie ankommen.
Dabei arbeiten die deutschen Forscher auch mit der japanischen
Waseda-Universität in Tokio zusammen.
Dort wird untersucht, wie die Akzeptanz der Menschen gegenüber Robotern im
Alltagsleben noch erhöht werden kann, wenn diese zum Beispiel spirituelle
Musik oder religiöse Symbole aus dem japanischen Kulturkreis benutzen, um
die Menschen besser zu erreichen. „Wir müssen noch viel gemeinsam forschen,
bis die Roboter uns semi-autonom oder sogar in Teilbereichen voll-autonom
in der Pflege unterstützen können“, sagt Rainer Wieching, der Projektleiter
am Fachbereich Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Universität
Siegen. Es gehe in der Zukunft dann viel mehr auch um ethische, rechtliche
und soziale Fragestellungen und nicht nur um die technische
Robotik-Programmierung.
Auch andere Forscher-Teams sind unterwegs. In Bayern hat jetzt das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, das bisher
Roboterforschung für Weltraumeinsätze durchführt, eine Kooperation mit der
Caritas abgeschlossen, die in Garmisch-Partenkirchen mehrere Einrichtungen
der Altenpflege betreibt. Ziel sind Szenarien für die robotische Assistenz
der Zukunft im Pflegebereich. Das Land Bayern unterstützt das Projekt mit 6
Millionen Euro. „Wir wollen, dass Bayern in der wichtigen Zukunftsbranche
der Roboterassistenzsysteme eine Vorreiterrolle einnimmt“, erklärte
CSU-Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer.
11 May 2018
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Alten- und Pflegeheime
Akzeptanz
Roboter
Arbeit
Internet
Senioren
Pflege
Pflegenotstand
Wie weiter, Germans?
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