# taz.de -- Medien und Künstliche Intelligenz: Lokaljournalismus von Robotern | |
> Anstatt von Journalisten könnten Texte in Lokalredaktionen künftig von | |
> Bots geschrieben werden. Doch das birgt eigene Risiken. | |
Bild: Ein Roboterkopf versteckt unter künstlicher Haut | |
Lokalredaktionen sind die Bienen des Journalismus: Während ihr | |
Massensterben beklagt wird, scheint niemand in der Lage, die Misere zu | |
beheben. In Deutschland verschwanden in den letzten Jahren 30 Prozent der | |
Stellen – die Lokalredaktionen als triste Räume, in denen nach und nach die | |
Schreibtische verschwinden. | |
In Großbritannien sieht die Realität noch trister aus, seit 2005 sind knapp | |
200 Publikationen eingestellt worden, Premierministerin Theresa May sprach | |
kürzlich [1][von einer Gefahr für die Demokratie.] | |
Deshalb sollen Lokalredaktionen der Zukunft anders sein, wenn es nach der | |
britischen Presseagentur Press Association geht. Ein vorgestelltes Projekt | |
namens [2][Radar], Reporters and Data and Robots, malt dank Finanzspritze | |
von Google ein anderes Bild: Räume, die zwar ähnlich menschenleer sind, | |
aber in denen wie von Geisterhand betrieben Tastaturen klackern und Artikel | |
generieren. Zauberwort: künstliche Intelligenz. | |
Textbots sind nichts Neues. [3][Neun europäische Presseagenturen] arbeiten | |
mittlerweile mit automatisch generierten Texten. Insbesondere Finanz- und | |
Sportnachrichten werden von den Robotern übernommen. In Deutschland | |
betreibt die Stuttgarter Zeitung einen [4][Feinstaubmonitor], bei Correctiv | |
wird eine [5][Übersicht über Pflegeheime] vom Algorithmus erstellt. | |
## Datenwühler Robojournalist | |
Diese datenbasierte Herangehensweise treibt auch den Bot von Radar an, der | |
sich allerdings nicht mehr durch Sporttabellen und Börsenkurse frisst, | |
sondern sich das statistische Material der Region vornimmt. „Die große | |
Chance liegt darin, auch große Datenmengen individuell zu erschließen. | |
Themen, über die man vorher kaum berichten konnte“, sagt Prof. Dr. Thomas | |
Hestermann von der Macromedia-Hochschule. | |
Auch in San Francisco verfolgt ein Projekt namens [6][Hoodline] einen | |
ähnlichen Ansatz. So können schnell und einfach Artikel erstellt werden, | |
deren Überschriften sich dann etwa so lesen: Die Hälfte aller | |
frischgebackenen Mütter in Wolverhampton sind unverheiratet. | |
Diese Meldung zeigt aber auch die Probleme auf: Nicht nur, dass die | |
tatsächlichen Zahlen nur bei Weglassung anderer Parameter und Aussagen eine | |
solche Lesart zulassen. „Verhängnisvoll ist, wenn man den Computer als | |
autonomes Instrument begreift. Die Entscheidungsmuster werden von Menschen | |
angelegt und nur maschinell ausgeführt“, sagt Hestermann. Und auch die | |
Daten werden nicht im neutralen Raum gewonnen. | |
„In jedem Fall müssen Menschen Daten auf ihre Plausibilität prüfen und die | |
Schlussredaktion bei maschinell erstellten Texten übernehmen“, sagt | |
Hestermann. Eine größere Bedrohung von Stellen, als es das Aussterben der | |
Branche ist, stellt er also nicht da. „Roboterjournalismus ist kein | |
Allheilmittel, sondern nur ein Instrument.“ Vielleicht ein Aufatmen für | |
Journalist*innen, die entgegen der Bienen nicht vom Aussterben, sondern vom | |
Stellenmangel bedroht sind. | |
24 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/media/2018/feb/06/decline-of-local-journalism-t… | |
[2] https://www.pressassociation.com/company-news/trial-automated-news-service-… | |
[3] https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/2017-09/Fant… | |
[4] https://www.stuttgarter-zeitung.de/feinstaub | |
[5] https://correctiv.org/recherchen/pflege/wegweiser/ | |
[6] https://hoodline.com/ | |
## AUTOREN | |
Arved Clute-Simon | |
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