# taz.de -- Putin-Kritiker über Folgen nach Skripal: „Keine Geschäfte mit T… | |
> Bill Browder vermutet, dass mehr Länder Finanzsanktionen gegen Putins | |
> Elite verhängen werden. Doch in Deutschland sei die prorussische Lobby zu | |
> stark. | |
Bild: Fast so kalt wie St. Petersburg im Winter: die Beziehung zwischen Russlan… | |
taz: Herr Browder, [1][im Fall Skripal zeigen die britischen Behörden auf | |
Russland als Täter.] Es gebe keine andere plausible Möglichkeit, heißt es. | |
Wie schätzen Sie die Schuld der Russen an der Nervengiftattacke ein? | |
Bill Browder: Ich finde, es gibt genug Beweise. Sich dagegenzustellen, ist | |
eine gemeine Behauptung. | |
Russische Stimmen sehen das anders … | |
Entschuldigung, aber Russland hat es mit seinen eigenen Institutionen | |
getan. Der Westen ist nicht in die Krim einmarschiert oder hat meinen | |
Anwalt Sergei Magnitsky umgebracht oder das Passagierflugzeug MH17 | |
abgeschossen oder [2][Alexander Litwinenko umgebracht.] Das waren staatlich | |
getragene Verbrechen. Schauen Sie sich einfach mit Intelligenz die Fakten | |
an. Hier gibt es einen Erfahrungshintergrund. Außerdem handelte es sich um | |
ein hochgradig giftiges chemisches Produkt namens Nowitschok. Das sind | |
Prima-facie-Beweise. | |
Aber für das alles müssen wir dem Wort der Briten Glauben schenken. Wäre | |
eine gerichtliche unabhängige Untersuchung nicht besser, bevor man die | |
Schuld zuweist? | |
Dafür gibt es keine Zeit. Ein Gerichtsverfahren würde um die fünf Jahre | |
dauern und am Ende nur diejenigen verurteilen, die das Nervengift direkt | |
angewendet haben. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es viel bringt. Ich | |
meine, hat man jemals einen Gerichtsprozess zu Osama bin Laden gemacht, ob | |
er persönlich alles getan hat? Alle sind im Fall Salisbury zum gleichen | |
Schluss gekommen. | |
Was steckt Ihrer Meinung nach dahinter? | |
Die russische Wirtschaft ist so groß wie die von New York, sie ist | |
unwichtig. Niemand schert sich um Russland, außer wenn es als globale | |
Bedrohung auftritt. | |
In der Diskussion um Reaktionen auf den Skripal-Anschlag wird immer wieder | |
ein Magnitsky-Gesetz ins Spiel gebracht – das nach Ihrem in Russland zu | |
Tode gekommenen Anwalt benannte US-Gesetz, das gezielte Finanzsanktionen | |
ermöglicht. Sie sagen, das würde in diesem Fall helfen? | |
Ja. Man geht Menschenrechtsverbrechen nach, findet heraus, was Personen, | |
die etwas damit zu tun haben, an Besitz haben, und leitet rechtliche | |
Schritte ein. Das bedeutet also, und das ist wichtig, dass nicht alle | |
Menschen in Russland betroffen sind, keineswegs. Sondern nur die | |
Individuen, an die 10.000, welche schwere Verbrechen mit vollem | |
institutionellem Schutz begangen haben. Es ist die Regierung Putin, nicht | |
das russische Volk, gegen die hier vorgegangen wird. Man kann also immer | |
noch Geschäfte mit Russland machen, aber nicht mit Terroristen. | |
Was sind die Vorteile eines Magnitsky-Gesetzes? | |
Es ist ein spezifisches chirurgisches Instrument, sehr technisch, aber vor | |
allen Dingen revolutionär. Es würde die Straffreiheit, mit der Russland | |
agieren konnte, beenden. Wissen Sie, Menschen arbeiten nach dem Prinzip von | |
Risiko und Belohnung. Wenn es für unmoralisches Verhalten keine | |
Konsequenzen gibt, dann gibt es keine Gründe, es nicht wieder zu tun. | |
Sie sprechen nur von Russland oder auch von anderen? | |
Nein, von allen Ländern, egal wo. Der Fall von Dan Gertler im Kongo wäre | |
ein guter Fall. In den USA hatten wir gerade Diskussionen mit | |
Opfervertretern aus Ländern wie Vietnam, Kuba und anderen Ländern, die alle | |
meinten, dass das Magnitsky-Gesetz gegen Personen aus ihren Ländern | |
angewendet werden sollte. Saudi-Arabien wäre auch ein guter Fall. | |
In welchen Ländern würden Sie gerne so ein Gesetz eingeführt sehen? | |
Vor allem in Frankreich, denn hier leben in Strandorten im Süden, wie St. | |
Tropez, viele Russen. In Deutschland würde ich es auch gerne sehen, aber | |
ich habe das Land fast aufgegeben, da die prorussischen Lobbys zu stark | |
sind. Was Großbritannien angeht, wird es hier bald eingeführt werden, das | |
kann ich Ihnen schon verraten. Nach meinen Gesprächen, die ich hier in | |
London mit Parlamentariern führe, besteht hierfür eine Mehrheit. Der | |
ehemalige Premierminister David Cameron hat auch schon zugegeben, dass er | |
es bereut, es nicht schon unter seiner Führung getan zu haben. | |
Haben Sie Unterstützung bei der Lobbyarbeit für ein britisches | |
Magnitsky-Gesetz? | |
Transparency International hier in London war gut, aber generell sind die | |
größeren Organisationen nicht so hilfreich. In Kanada half mir vor allem | |
eine Person, Marcus Colga, ein estnischer Filmemacher und Journalist. Die | |
großen Organisationen wollen gerne vorsichtiger sein und nicht zu viel | |
Aufsehen erregen. Später springen sie dann doch gerne auf den Zug. | |
Was halten Sie von den bisherigen Maßnahmen in Großbritannien? Es wurden | |
ein paar Botschaftsangehörige ausgewiesen, es gab eine verbale | |
Verurteilung, man schickt keine Prinzen zum World Cup. | |
Großbritannien ist sehr zurückhaltend. Wollen die etwa Terroristen | |
unterstützen? Beim Litwinenko-Fall warfen sie gerade mal drei russische | |
Beamte raus, und sie haben jahrelang die auffälligen Tode verschiedener | |
russischer Exilanten auf britischem Boden nicht richtig untersucht, zum | |
Beispiel den meines Bekannten Alexander Perepilichny, der beim Jogging in | |
Surrey plötzlich kollabierte. Für dieses Versäumnis zahlt Großbritannien | |
nun den Preis. | |
Und auf europäischer Ebene? | |
Auch in Deutschland ist es absurd, dass man dort Geschäfte mit der | |
Gaspipeline Nord Stream II macht. Die Konsequenz ist, dass Deutschland sich | |
verletzbar macht: Russland muss nur den Gashahn zudrehen. Die | |
Schröder-Affäre, die das möglich macht, halte ich für vollkommen | |
unverständlich. In Deutschland gibt es viel zu viele Putin-nahe | |
Interessengruppen. Ich verstehe das nicht. Gerade Deutschland hat doch in | |
diesen Angelegenheiten eine moralische Verantwortung? In der EU sprach sich | |
das Europaparlament für ein Magnitsky-Gesetz aus und wurde von der | |
außenpolitischen EU-Beauftragten Francesca Mogherini verunglimpft. Das ist | |
eine Schande! | |
Herr Browder, Sie sprechen hier offen gegen Russland. Das macht Sie in | |
Russland nicht gerade beliebt. Angesichts der Art, wie Putin über Feinde | |
spricht, sind Sie ein mutiger Mann, oder? | |
Nein, ich würde eher sagen, dass es meine moralische Pflicht ist für meinen | |
verstorbenen Anwalt, der trotz Folter nichts sagte und so starb. Was soll | |
ich denn tun? Wenn ich das hier nicht machen würde, dann könnte ich erst | |
recht nicht mit mir leben. Ich muss mich für Gerechtigkeit einsetzen. | |
Wissen Sie, ich habe viele Freunde deswegen verloren, denn viele wollen | |
einfach weiter Geschäfte machen. Ich verstehe genau, wogegen ich ankämpfe, | |
und verlasse mich nur auf meine eigenen Sicherheitsvorkehrungen. Sollte mir | |
dennoch etwas zustoßen, dürfte klar sein, wer dahintersteckt. | |
26 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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