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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Russland: Putins größter Sieg
> Der russische Präsident ist mit über 76 Prozent im Amt bestätigt. Stimmen
> für Gegenkandidaten bleiben im einstelligen Bereich.
Bild: Der alte Neue: Wladimir Putin
Moskau taz | „Glauben Sie, dass ich hier sitze, bis ich 100 bin?“,
antwortete Wladimir Putin nach [1][seiner Wiederwahl zum russischen
Präsidenten am Sonntag] auf eine Frage nach seinen Plänen für die Zeit nach
dem Ende der neuen Amtszeit 2024. „Das ist lächerlich“, meinte der
Kremlchef. Diese Überlegung bewegt jedoch nicht nur das politische Umfeld
des Präsidenten einen Tag nach der Wahl.
Davon dürfte das innenpolitische Klima in Russland in den nächsten Jahren
abhängen. Viele Bürger erwarten, dass Putin auch nach 2024 an der Spitze
bleiben möchte. Dazu wäre es nötig, eine Verfassungsreform vorzunehmen, die
die Amtszeitbeschränkung aufhebt. Möglich wäre aber auch ein Überwintern
auf einem anderen Posten, wie es der Kremlchef 2008 schon einmal im Tausch
mit Präsident Dmitrij Medwedjew vorexerziert hatte.
Nach seinem höchsten Wahlsieg mit 76,6 Prozent Zustimmung wollte Putin auf
solche Fragen indes nicht eingehen. Er gab sich vor seinen Anhängern auf
der Wahlfeier gutgelaunt und selbstbewusst. Nichts erinnerte an die
Emotionen von 2012, als ein angeschlagener Präsident Tränen der
Erleichterung nach dem Sieg nicht verbergen konnte. „Wir sind auf dem
richtigen Weg“, beteuerte er. Das Land brauche Einigkeit, rief er seinen
Parteigängern zu, die sich auf dem Manege-Platz vor dem Kreml bei
empfindlichen Minusgraden versammelt hatten. Ganze zwei Minuten Zeit nahm
er sich, bevor er sie in der Kälte stehen ließ und selbst in die Wärme
entschwand.
An einem Sieg Wladimir Putins hatten nie Zweifel bestanden. Mehr als 76
Prozent sind auch für ihn ein hervorragendes Ergebnis. Es reicht knapp an
die Zustimmungswerte heran, die vor den Wahlen in Umfragen konstant bei 80
Prozent lagen. Weit abgeschlagen erreichte mit etwas mehr als elf Prozent
der Kandidat der KPRF, der Kommunistischen Partei, Pawel Grudinin, ein
respektables Ergebnis.
Sechs weitere Mitbewerber mussten mit einstelligen Ergebnissen Vorlieb
nehmen. Darunter auch die vom Kreml ins Rennen geschickte liberale
Kandidatin und TV-Journalistin, Xenia Sobtschak, die zur Belebung des
spannungslosen Wahlkampfes in das aussichtslose Kräftemessen ging. Die
liberale und demokratische Anhängerschaft war über diesen Schritt
zerstritten. Der Antikorruptionskämpfer und oppositionelle Herausforderer
Putins, Alexei Nawalny, war vom Kreml wegen einer fadenscheinigen Vorstrafe
zur Wahl nicht zugelassen worden. Er rief seine Mitstreiter zum einem
„Wahlstreik“ auf. Sobtschaks Kandidatur durchkreuzte diese Strategie und
vertiefte das Zerwürfnis innerhalb der russischen Opposition.
## Hohe Wahlbeteiligung als Ziel
Wladimir Putin war vor allem an einer hohen Wahlbeteiligung gelegen.
Zunächst waren 70 Prozent Beteiligung von den Polittechnologen des Kreml
den Provinzgouverneuren vorgegeben worden. Die Zahl wurde später auf 65
Prozent gesenkt. Putin wollte in einer Wahl von möglichst vielen Bürgern
bestätigt werden, die ihm überdies ausreichend Legitimation verleihen
konnten.
Die Wahlbeteiligung lag bis Mitternacht Moskauer Zeit immer noch bei 60
Prozent. In der Nacht schnellte die Marke dann auf 67 Prozent hoch. Mit 76
Prozent für Putin und 67 Prozent Wahlbeteiligung liegt das Ergebnis in der
Nähe des ursprünglich anvisierten Verhältnisses von 70 zu 70 Prozent. Diese
Zahl war der Richtwert für eine Wahl, die ursprünglich als Referendum
vorgesehen war.
Den Kampf um den Bürger bestätigte auch der Bürgermeister der
Millionenstadt Jekaterinburg Jewgenij Roisman. Mitarbeiter der Verwaltung
hätten Befehle von höherer Stelle erhalten, dafür zu sorgen, dass die
Beteiligung bei mehr als 60 Prozent liege. „Der Kampf um die Beteiligung
ist beispiellos“, meinte der Bürgermeister.
## Hunderte Verstösse
Davon berichteten auch Mitarbeiter im Staatsdienst, Beamte, Studenten,
Arbeiter in Großbetrieben und Soldaten. Sie alle waren angehalten,
geschlossen in Formationen zur Wahl anzutreten. Mit einem Anteil von einem
Viertel aller Beschäftigten im Staatsdienst und Rentnern, die von
staatlichen Zuwendungen abhängig sind, erreichen die Wahlstrategen schon
eine Beteiligung von 48 Prozent. Am Abend bestätigte das
Verteidigungsministerium, dass 98 Prozent der Soldaten an der Wahl
teilgenommen hätten.
Wahlbeobachter meldeten Hunderte Verstösse. Vor allem das „Karussel“ sei
häufig beobachtet worden. Dahinter verbirgt sich die Organisation von
Mehrfachabstimmungen. Alles in allem dürften Verletzungen des Reglements
und Manipulationen aber keinen wahlentscheidenden Einfluss ausgeübt haben.
Mit Ausnahme vielleicht jener Wähler, die zum formationsmäßigen Abstimmen
genötigt wurden. Aber auch unter ihnen werden Putin-Anhänger gewesen sein.
Der Präsident ist auch nach 18 Jahren Herrschaft noch beliebt. Bald dürfte
er auch den Langzeitrekord Josef Stalins im Amt brechen.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 9.12 Uhr.
19 Mar 2018
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## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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