# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Russland: „Aufstehen und wählen gehen!�… | |
> Russland hat gewählt und der neue Präsident wird der alte sein. Und doch | |
> war der Wahltag für viele Russen ein ganz besonderer. | |
Bild: Für die Wahl war alles bestens vorbereitet – und in Moskau spielte sog… | |
Moskau taz | „Guten Morgen, aufstehen und wählen gehen an diesem sonnigen | |
Tag!“, meldete sich der Conferencier vom gegenüberliegenden Wahllokal 1776 | |
in Moskau. Es war 8.30 Uhr in der Früh und die Sonne jubilierte. Blauer | |
Himmel, wolkenlos. Moskauer Zarenwetter. Im Radio setzten Schunkelmusik und | |
Sowjetschlager ein und die ersten Tänzer bewegten sich hinaus in die sonnig | |
winterliche Morgenkühle. | |
„Kommen Sie und wählen Sie unseren Präsidenten“, ließ sich der Moderator | |
davontragen und empfahl auch gleich wen: Wladimir Putin. Es war ihm einfach | |
rausgerutscht und nicht als Verstoß gegen das Reglement gedacht. Putin | |
hatte just in diesem Moment ein paar hundert Meter weiter am | |
Leninskij-Prospekt bereits gewählt – für den Kremlchef eine ungewöhnlich | |
frühe Zeit. Eigentlich zählt er zu den Spätaufstehern. | |
Diese Präsidentschaftswahl war eine Wahl für Frühaufsteher, kommentierte | |
der Antikorruptionskämpfer Alexei Nawalny, den der Kreml zur Wahl nicht | |
zugelassen hat. An vielen Orten wurden Wähler gleich morgens zentral | |
eingesammelt und zu den Urnen gefahren. | |
Auch sonst war diese Wahl etwas Besonderes. Die Wahlbeteiligung wird | |
entscheidend sein, um den Urnengang zu einem Erfolg zu machen. Dass | |
Kremlchef Putin wieder den Zuschlag erhält, steht zwar fest. Doch das | |
Wahlvolk war im Vorfeld der Wahl nicht sonderlich motiviert. Entscheidend | |
wird sein, für wie viel Bürger die Wahl auch eine Herzenssache ist. | |
## Organisierte Wähler-Rundreisen | |
So war am Sonntag alles bestens vorbereitet. Jedes Wahllokal hätte sich | |
blind ansteuern lassen. Wegweiser und Fähnchen wiesen den Weg. Auch das | |
Registrieren war in diesem Jahr einfacher. Das hatte allerdings den | |
Nachteil, dass auch der Missbrauch leichter war. Besonders beliebt war | |
diesmal wieder das „Karussel“. Organisierte Rundreisen mit Bussen zur | |
Mehrfachstimmenabgabe. Aus den entlegeneren Regionen wurden am Sonntag | |
zudem Wahlurnen gemeldet, die bei der Öffnung der Wahllokale schon Zettel | |
enthalten haben sollen. | |
Im Wahllokal 1776 in Moskau warteten Verkaufsstände auf die Besucher: | |
Lebensmittel, Toilettenartikel und Bücher zu günstigen Preisen. Draußen | |
kümmerten sich freiwillige Helfer um den Nachwuchs mit Tanz und | |
Kletterburgen. Auf dem Buffet türmten sich Piroggen und Kuchen zu | |
Niedrigstpreisen – ganz so wie in Sowjetzeiten, als Wahlen allein der | |
Bestätigung des eingeschlagenen Kurses dienten. | |
Wahlbeobachter der russischen NGO Golos waren bei den Wahlen nicht | |
zugelassen worden. Der Kreml hatte sie vorher bereits zu „ausländischen | |
Agenten“ erklärt. Im Wahllokal 1776 hatten stattdessen Beobachter aus der | |
Gesellschaftskammer Platz genommen. Die Kammer ist eine Kreml-Erfindung, | |
die die Zivilgesellschaft simulieren soll. Dennoch meldeten unabhängige | |
Beobachter von Golos 2.000 Verstöße landesweit. | |
Der Druck der Verwaltungen und staatlichen Einrichtungen scheint in diesem | |
Jahr noch stärker auszufallen als in den Vorjahren. Von Universitäten, | |
Schulen und Krankenhäusern wurde berichtet, dass sie angehalten wurden, in | |
Großverbänden wählen zu gehen. Nawalnys Beobachter berichteten, dass | |
Wahlverweigerern auch mit Gehaltsentzug gedroht wurde. Die Nowaja Gaseta | |
erwähnte Studenten, denen mit Studienplatzentzug gedroht wurde. | |
Gegen 18 Uhr am Sonntag hatten russlandweit 53 Prozent gewählt, in St. | |
Petersburg, der Heimat Putins, waren es nur 39 Prozent. | |
18 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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