# taz.de -- Kommentar Putins neue Amtszeit: Produktion von Stolz und Schwäche | |
> Russland und Putin sind eine gefährliche Herausforderung für unseren Teil | |
> der Welt. Von außen lässt sich das System nicht reformieren. | |
Bild: Putin-Protz. Der Georgssaal ist der prunkvollste im ganzen Kreml | |
Fast [1][77 Prozent Zustimmung] konnte Präsident Wladimir Putin bei der | |
Wiederwahl in den Kreml im letzten März verbuchen. Ganz sauber mögen die | |
Wahlen nicht gewesen sein und auch [2][nicht ganz frei von Druck und | |
Nötigung] von Seiten der staatlichen Wahlgaranten. Doch es hilft nichts: | |
Auch ohne Manipulationen wäre der Kremlchef zum vierten Mal wiedergewählt | |
worden. Weitere sechs Jahre kann der Präsident nun bis 2024 regieren. | |
Wladimir Putin wurde indes nicht im Kreml belassen, weil er dem Volk ein | |
brauchbares Wirtschaftsprogramm präsentiert hätte. Dies wurde zwar vor der | |
Wahl versprochen, bislang hat es jedoch noch niemand gesehen. Kaum jemand | |
fordert es auch ein. Wladimir Putin ist längst zu einem Symbol geworden. Er | |
steht für Russland oder, um es mit den Worten eines Putin-Getreuen zu | |
sagen: „Ohne Putin kein Russland.“ | |
Dagegen ist nur schwer anzukommen. Der 65-Jährige ist ein Symbol, das sich | |
in den Niederungen der Politik keine Schrammen holen muss: Modernisierung, | |
Unabhängigkeit vom Energiesektor, Industriepolitik und neue Bildungsansätze | |
sind Dinge, um die sich bestenfalls andere kümmern sollen. Auch die tun es | |
nicht, da die Wähler keinen Ausblick auf eine bewältigbare Zukunft | |
verlangen. | |
Wladimir Putin beschäftigt sich dieser Tage unterdessen mit einem neuen | |
Atlas. Im Vorstand der Russischen Geografischen Gesellschaft beklagte er | |
sich über Namensveränderungen, die zum Nachteil russischer Toponyme | |
vorgenommen worden seien. So wurde aus der antarktischen Insel Borodino | |
eine Smith-Insel. Viele Beispiele hielt der engagierte Geograf bereit. | |
## Krim, Ostukraine, Syrien, Cyberspace | |
Wladimir Putins Stärke liegt in der Produktion von Stolz. Da ist ihm in den | |
letzten Jahren Bemerkenswertes gelungen. Die Annexion der Krim, die | |
Verwüstung der Ostukraine, die Einmischung als entscheidende Macht in | |
Syrien und die Eroberungen im Cyberspace zwischen Washington, Berlin und | |
Paris. | |
Putin produziert auf der einen Seite Stolz, auf der anderen Verunsicherung | |
und Schwäche. Diese Schwäche des Westens macht aus ihm einen Pantokrator, | |
einen Alles-Beherrscher. Dabei ist Russlands BIP nicht größer als das | |
Italiens. Fraglich ist überdies, ob es Moskau gelingt, wieder nennenswertes | |
Wachstum zu generieren. | |
Die letzten US-Sanktionen drohen der Wirtschaft schwereren Schaden | |
zuzufügen als jene nach der Krimbesetzung. Den Menschen geht es zwar | |
wirtschaftlich schlechter, sie begehren aber nicht auf, da sie fürchten, es | |
könnte noch schlechter werden und sie womöglich auch das verlieren, was sie | |
bereits erreicht haben. | |
Für den Kreml ist das ein Win-win-Spiel. Er hat nichts zu verlieren. Putin | |
wird sich daher auch außenpolitisch nicht bewegen. Ob in Salisbury, der | |
Ukraine, in Syrien oder gar einem neuen Konfliktfeld. Innenpolitisch sind | |
es diese Konflikte, die von der bescheidenen sozioökonomischen Leistung | |
ablenken. Die Darstellung des Westens als Feind unterstützt den | |
althergebrachten Reflex: Das Vaterland ist in Gefahr, unsere Interessen | |
sind unwichtig. | |
## Wie im 19. Jahrhundert | |
Das bedeutet: Auch in der nächsten Amtsperiode wird sich kein Tauwetter | |
abzeichnen. Das System Putin hängt von dieser intakten Konfrontation ab. | |
Über die Jahre wird es neue Konflikte unterschiedlicher Hitzegrade geben. | |
Gutes Zureden und Kompromisse wertet der Kreml als Schwäche und wird diese | |
nur nutzen, um den Westen weiter unter Druck zu setzen. | |
Putin ist nur aufzuhalten, wenn er eine rote Linie erkennt und deren | |
Überschreiten auch umgehend geahndet wird. Moskau und Putin bewegen sich in | |
vielem noch im 19. Jahrhundert. Gespräche schließt das jedoch nicht aus. | |
Putins Russland ist ein autoritäres System wie fast alle vorangegangenen | |
russischen Regime. Öffnet es sich, setzt es sich dem Risiko aus, den | |
Zugriff auf die Gesellschaft und das außenpolitische Erpressungspotenzial | |
zu verlieren. Das würde der Herrschaft der Geheimdienste im Innern ein Ende | |
bereiten. Den Reifegrad hat Russland jedoch noch nicht erreicht. | |
Die Kontakte zu allen staatlichen Agenturen müssen aufrechterhalten und die | |
Verbindungen zur Zivilgesellschaft sollten möglichst noch verstärkt werden. | |
Von außen lässt sich das russische System jedoch nicht reformieren. Eine | |
friedensfördernde Maßnahme wäre daher, Russland und Putin als das zu | |
würdigen, was sie sind: eine gefährliche Herausforderung für unseren Teil | |
der Welt. | |
7 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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