Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutsch-russische Beziehungen: Krieg ist Krieg und Putin ist Putin
> Zum Jahrestag der Befreiung haben sich am Mittwoch in Berlin Deutsche und
> Russen versammelt. Doch die Beziehungskrise ist auch hier zu spüren.
Bild: „Katjuscha – kleines Lied von Glück und Freude“: der 8. Mai in Ber…
BERLIN taz | „Raszwetali jabloni i gruschi“ – „Es erblühten die Äpfel…
Birnenbäume“. Das russische Lied von Katjuscha singen sie auch in
Deutschland, erst recht in Berlin Karlshorst, wo das deutsch-russische
Museum wie jedes Jahr ein Fest zum Tag der Befreiung ausrichtet.
Die deutsche, die russische, die ukrainische und die weißrussische Fahne,
sind vor der Villa hochgezogen, in dem das Oberkommando der Deutschen
Wehrmacht 1945 die bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands
unterschrieb. Sie stehen für die vier Länder, die im Trägerverein des
Museum vertreten sind. „Wir wollen heute feiern“, sagt der deutsche
Direktor Jörg Morré zur Begrüßung.
So einfach soll es sein, aber natürlich ist die Wirklichkeit komplexer,
ähnlich wie bei Katjuscha – so hieß ja nicht nur das Mädchen vom Lande,
sondern auch der sowjetische Raketenwerfer im zweiten Weltkrieg.
In den deutsch-russischen Beziehungen steckt der Wurm, der
Ukraine-Konflikt, der mit Putins Hilfe ausgetragene Krieg in Syrien und
zuletzt der Anschlag auf den russischen Ex-Spion in England halten die
Anspannung hoch. Ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland ist nicht in
Aussicht.
## Deutsche Politiker bleiben weg
Diese Unwucht der Beziehungen spiegelt sich auch in Karlshorst wieder: ein
Bus der Botschaft spuckt Kriegsveteranen mit Basecaps und Orden aus, der
russische Botschafter Sergej Netschajew, studierter Germanist, wird als
Ehrengast begrüßt – im Programm aber verschwiegen – , Vertreter der Ukrai…
und Weißrusslands sind nicht anwesend.
„Wissen Sie, wer mir fehlt“, fragt Bernhard Liebisch, ein Mann um die 60,
mit Kamera vor der Brust. „Die deutschen Politiker fehlen.“ Seit zehn
Jahren komme er am 8. Mai nach Karlshorst – kein Ort sei symbolhafter für
die Befreiung vom Faschismus. „Aber für die Politik gehört es sich nicht
mehr, sich hier zu zeigen. Das hat sich verändert.“
Stimmt nicht ganz – zum 70. Jahrestag der Befreiung vor drei Jahren sprach
Staatsministerin Monika Grütters, CDU. Doch auch eine Mitarbeiterin des
Museums registriert das Ausbleiben politischer Gäste: die Linke, die sei
nach wie vor Stammgast, auch Gruppen von CDU und SPD kämen noch vorbei –
aber die Grünen, die kämen nicht mehr. „Warum?“, fragt die Frau. Vielleic…
wegen Putins Politik? „Ach“, sagt sie: „Putin ist Putin und der 2.
Weltkrieg ist der 2. Weltkrieg.“ Beides habe nichts miteinander zu tun.
## Putins Patrioten
Mag sein. Doch die Vereinnahmung von Geschichte gehört nun mal zum
politischen Besteck von Autokraten. So tauchen in Karlshorst in diesem Jahr
auch ein Dutzend Jugendliche in beige-roter Pfadfinderuniform auf: die
Jungen und Mädchen gehören zur Junarmija. Die patriotische Jugendarmee ist
vor drei Jahren durch einen Erlass Putins gegründet worden und soll in
Russland 200.000 jugendliche Mitglieder zählen. Sie hielten die Erinnerung
und das Gedenken hoch, erzählen die Jugendlichen. Von Berlin ginge es
weiter nach Tschechien und Polen, ergänzt eine Betreuerin. Ein deutscher
Rentner mischt sich von der Seite ein: „Dit sind die Vertreter Putins“. Die
Frau lacht. „Wir sind die Vertreter Russlands – und Putin ist unser
Präsident.“
In Moskau hat Präsident Wladimir Putin gerade seine vierte Amtszeit
begonnen, Gerhard Schröder, Alt-Kanzler, gehörte zu den ersten Gratulanten,
nicht die amtierende Kanzlerin.
## Besserung in Aussicht?
Immerhin: Angela Merkel wird am 18. Mai in Sotschi erwartet, Außenminister
Heiko Maas, SPD, fliegt bereits diesen Donnerstag nach Moskau.
Die deutsch-russischen Beziehungen werden sich verbessern, prophezeit der
ehemalige Generaloberst Anton Wladimirowitsch Terentjew, der auf Einladung
der Berliner Freunde der Völker Russlands, Nachfolger der
Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, in Berlin weilt. Am Nachmittag wird er
das Thema in einer Lichtenberger Schule mit Zehntklässlern diskutieren.
„Es gibt genügend Perspektiven, ökonomische und politische“, sagt Terentj…
und verweist auf die Büste des sowjetischen Generals Georgi Shukow, die das
Museum in diesem Jahr vom Russischen Haus in Berlin geschenkt bekommt. „In
Polen reißen sie sowjetische Denkmäler ab, in Deutschland stellen sie neue
auf“, sagt der General zufrieden und regt an die Bronzebüste des „vom Volk
geliebten und von der ganzen Welt geehrten“ Generals gleich vor dem Museum
zu platzieren. „Damit die Bürger sie nicht lange suchen müssen.“
Die Vorschläge des Generals seien nicht zu verachten, wiegelt Direktor
Morré ab. „Aber das wird doch ein Diskussionsprozess.“ Sie sind zwar
russlandphiler in Karlshorst als im Rest der Republik, doch Befehle aus
Moskau wollen sie nicht empfangen. Diese Zeiten sind vorbei.
8 May 2018
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Deutschland
Schwerpunkt Tag der Befreiung
Russland
Beziehung
deutsch-russisch
Museum
30 Jahre friedliche Revolution
WM-taz 2018: Neben dem Platz
Ukraine
Russland
Russland
Russland
Russland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Eine nie dagewesene Freundschaft: Brüderchen Russland
Ostdeutsche Ministerpräsidenten beschwören gern ein besonderes Verhältnis
zu Russland. Echte Nähe hat es nie gegeben, auch nicht zur DDR-Zeiten.
Berlins Russen und die WM: Aufstehen zur Hymne
Der 5:0-Erfolg im ersten Spiel gegen Saudi-Arabien hat den Ehrgeiz
russischer Fußballfans in Berlin angefacht. Am Dienstag folgt das zweite
Russland-Spiel.
Weltkriegsgedenken in der Ukraine: „Unsterbliches Regiment“ marschiert
Westlich orientierte Ukrainer gedenken des Sieges über den
Hitler-Faschismus am 8. Mai, Russlandfreunde erst am 9. Mai. Die Stimmung
ist aufgeheizt.
Kommentar Putins neue Amtszeit: Produktion von Stolz und Schwäche
Russland und Putin sind eine gefährliche Herausforderung für unseren Teil
der Welt. Von außen lässt sich das System nicht reformieren.
Nach den Protesten in Russland: Nawalny wieder freigelassen
Rückkehr der Härte: Mit 1.600 Festnahmen reagiert der russische Staat auf
Proteste gegen die geplante Vereidigung Putins.
Bei Protesten gegen Putins Vereidigung: Mehr als 1.000 Festnahmen
In Russland wird gegen eine weitere Amtszeit Putins demonstriert. Auch
Oppositionsführer Alexej Nawalny wird dabei wieder einmal von der Polizei
weggetragen.
Petersburger Dialog in Berlin: Immerhin, sie sprechen noch
Beim deutsch-russischen Dialog wollen beide Seiten Gemeinsamkeiten suchen.
Co-Veranstalter Ronald Pofalla spart nicht mit Kritik am Kreml.
Deutsche und russische NGOs im Austausch: Brücken ins "andere Russland"
In St. Petersburg trefen sich Vertreter der Zivilgesellschaften
Deutschlands und Russlands. Annäherungen am Rande des deutsch-russischen
Gipfels.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.