# taz.de -- Kommentar Antisemitismus in Frankreich: Nicht entschuldbar | |
> Der neue Antisemitismus ist nicht harmloser als der alte. Ihn zu | |
> bekämpfen, kann der Integration des Islam nur nützen. | |
Bild: Der neue Antisemitismus wird oft mit „Israelkritik“ umschrieben | |
Jedes rassistische Verbrechen stellt das optimistische Bild eines | |
harmonischen Zusammenlebens infrage. Es ist unüberhörbar in den offiziellen | |
Stellungnahmen in Frankreich nach einem mutmaßlich [1][antisemitischen | |
Anschlag oder Mord], wie peinlich es den politisch Verantwortlichen ist, | |
solche möglichen Tatmotive einräumen zu müssen. Als ob der Antisemitismus | |
bloß ein ärgerliches Gespenst aus der Geschichte wäre! Gerade einem Land | |
wie Frankreich, das durch eine beflissene staatliche Kollaboration an der | |
Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg mitbeteiligt war, ist es tatsächlich | |
nicht möglich, heute über ein antisemitisches Verbrechen zu reden, ohne | |
gleichzeitig an die Geschichte zu denken. | |
Umso fahrlässiger klammert man dann gern den aktuellen Bezug zur Gegenwart | |
aus. Ist der „neue Antisemitismus“ in den gemischten Wohnsiedlungen mit | |
vorwiegend Familien aus muslimischen Ländern etwa entschuldbar, weil die | |
antijüdischen Klischees dort so „traditionell“ sind wie früher und (zum | |
Teil heute noch) die Ressentiments von Christen, die während Jahrhunderten | |
die Juden für die Kreuzigung des Heilands verantwortlich machten? Der „neue | |
Antisemitismus“ ist nicht besser oder harmloser als der alte aus der Zeit | |
der Dreyfus-Affäre oder der Schoah. | |
Die Politiker, die Medien und die ganze Gesellschaft schauen | |
desinteressiert oder betreten weg, wenn eindeutig pejorative Bezeichnungen | |
oder „Witze“ in den Jargon der jungen Generation Eingang finden. Banal sind | |
diese jedoch nicht. Das müsste man spätestens seit dem Prozess gegen die | |
„Gang der Barbaren“ begreifen. Für die jungen Mitglieder dieser kriminellen | |
Bande war es nicht nur ausgemachte Sache, dass Juden reich und darum ideale | |
Opfer seien, sie fanden es geradezu legitim, aus solchen Motiven den jungen | |
Ilan Halimi zu entführen und zu Tode zu quälen. | |
Auch wenn die mutmaßlichen Täter auch im Fall der Tötung von Mireille Knoll | |
junge Muslime sind, hat das nichts mit einem vermeintlich schwelenden | |
Religionskrieg zu tun, sondern mit einer sträflichen Untätigkeit angesichts | |
politisch oder religiös verbrämten rassistischen Dummheiten. | |
## Nicht zu zögerlich sein | |
Der gemeinsame Kampf gegen den speziell aggressiven Antisemitismus | |
radikaler Islamisten hingegen kann der Integration des Islam in der | |
Französischen Republik nur förderlich sein. Frankreich hat dafür eine | |
besonders ausgefeilte Gesetzgebung, um Anstiftung zu Rassismus und | |
Antisemitismus oder Hasspropaganda wie die Leugnung oder Rechtfertigung der | |
Judenverfolgung zu ahnden. Dieses Arsenal wird aber nur zögerlich | |
eingesetzt. | |
27 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-in-Europa/!5492388 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Antisemitismus | |
Shoa | |
Islam | |
Integration | |
Antisemitismus | |
Antisemitismus | |
Micha Brumlik | |
Antisemitismus | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Antisemitismus | |
Antisemitismus | |
Auschwitz | |
Schwerpunkt Iran | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Judenhass in Frankreich: Duldung ist Beihilfe zum Rückfall | |
Frankreich hat eine lange Geschichte des Antisemitismus. Das kann sich nur | |
ändern, wenn auch keine Schmiererei mehr geduldet oder relativiert wird. | |
„Neuer Antisemitismus“ in Frankreich: 300 unterzeichnen Manifest | |
Vertreter der französischen Gesellschaft prangern einen „neuen | |
Antisemitismus“ an. In einem Manifest kritisieren sie die „islamistische | |
Radikalisierung“. | |
Kolumne Gott und die Welt: Muslime, Juden und Israelkritiker | |
Juden und Jüdinnen in der Diaspora sollen sich nicht zur aktuellen | |
israelischen Politik äußern? Dieser Ratschlag des Historikers David Ranan | |
ist problematisch. | |
Mord an der Jüdin Mireille Knoll: Kein Einzelfall | |
In nur fünf Jahren haben 30.000 Juden Frankreich verlassen – aus Angst um | |
ihr Leben. In besorgniserregend kurzen Abständen werden dort Juden | |
attackiert. | |
Kundgebungen gegen Antisemitismus: „Ermordet, weil sie Jüdin war“ | |
Franzosen demonstrieren nach dem Mord an der Jüdin Mireille Knoll in | |
mehreren Städten gegen Antisemitismus. Doch dabei sind nicht alle | |
willkommen. | |
Kommentar Antirassismus in Frankreich: Solidarität ohne Spaltung | |
Der Repräsentativrat der jüdischen Institutionen will weder Le Pen noch | |
Mélenchon beim Gedenken dabei haben. Doch das greift zu kurz. | |
Antisemitismus in Europa: Mord an Jüdin schockiert Frankreich | |
Die 85-jährige Holocaust-Überlebende Mireille Knoll wurde am Freitag tot | |
aufgefunden. Die Ermittler gehen von einem antisemitischen Motiv aus. | |
Michel Friedman über Menschenhass: „Sie sind genau so gemeint“ | |
Wer sich gegen Antisemitismus nur einsetzt, weil er Juden helfen will, hat | |
nicht begriffen, was Menschenhass ist, sagt Michel Friedman. | |
Buch zur iranischen Politik: Die Bevölkerung will die Mullahs nicht | |
Die Deutschen machen weiter Geschäfte mit einer totalitären Theokratie, die | |
die Menschen unterdrückt und deren Israelfeindschaft notorisch ist. |