# taz.de -- Schottisches Poptrio Young Fathers: In jeder Hinsicht aufregend | |
> Sie sind schwer gehypt und werden kontrovers diskutiert: die Young | |
> Fathers haben mit „Cocoa Sugar“ ein neues Album veröffentlicht | |
Bild: Verhaltsensauffällige Musikarbeiter: Young Fathers | |
„Musikmachen ist wie ein Antibiotikum“, sagt Graham „G“ Hastings vom | |
schottischen Trio Young Fathers, „sobald wir uns an etwas gewöhnt haben, | |
wirkt es nicht mehr.“ | |
Bei den Young Fathers handelt es sich um eine viel gehypte Band, sie wurden | |
etwa von der New York Times zu den 25 „kommenden“ Künstlern und Bands des | |
Jahres 2018 gezählt. Um den Sound des Trios aus Edinburgh zu mögen, darf | |
man Extreme nicht scheuen, denn ihre Songs sind rau, polternd – und werden | |
gleichzeitig von lieblichen Melodien unterlegt. | |
Sie klingen wie spirituelle Gospels, die durch Punk- und HipHop-Elemente | |
verfremdet werden. Was eine Mischung ergibt, die selbstbewusst beansprucht, | |
dass sie überhaupt nicht abwegig ist: Übersteuertes Lo-Fi trifft auf | |
wohlige Klavierklänge, abgehackte Rapreime auf poetische Vorträge und | |
tanzbare Club-Beats auf konfuse Synthie-Einlagen. | |
Und dann singen sie auch noch von unbehaglichen Themen wie Rassismus und | |
Bigotterie. Wie auf den beiden Vorgängeralben scheuen die drei Musiker auch | |
auf dem neuen Werk die Provokation bei politischen Diskursen nicht. Im Song | |
„Border Girl“ zum Beispiel, der klanglich an R&B-Clubbanger aus den | |
Neunzigern erinnert, geht es um die Flüchtlingskrise, und in „Tremolo“ | |
thematisieren sie Privilegien und Reichtum. | |
## Die Causa BDS | |
Doch das offensive Zurschaustellen ihres politischen Anspruchs führt | |
manchmal auch geradewegs aufs Abstellgleis. Im vergangenen Jahr waren Young | |
Fathers als Headliner beim Berliner Pop-Kultur-Festival gebucht. Aber sie | |
zogen ihre Teilnahme im Zuge einer Aktion der israelfeindlichen Lobby BDS | |
wieder zurück. Weil die israelische Botschaft im Logo der Festival-Homepage | |
als Sponsor genannt wurde und eine israelische Künstlerin finanziell mit | |
500 Euro unterstützt hatte. | |
BDS stiftet Künstler seit Jahren zum Israelboykott an. Zahlreiche | |
angloamerikanische Künstler lassen sich dafür einspannen. Alloysius empfand | |
die verständnislosen Reaktionen deutscher Fans nach ihrer Absage durchaus | |
schmerzhaft: „Wir sind doch eine antifaschistische Band“, beteuert er. | |
Inzwischen räumen Young Fathers immerhin ein, dass Kritik an Israel im | |
Kontext des Holocaust und der deutschen Verantwortung an dem Völkermord nur | |
behutsam geäußert werden kann. Soll man ihnen das abnehmen? | |
„Da, wo es ungemütlich ist, wird’s aufregend“, behauptet Kayus Bankole | |
großspurig, da sie sich mit Vorliebe an komplizierte Themen wagen. | |
Zugegeben, sie machen sozialkritische Texte in einer Ära, in der jeder | |
zweite Pop-Act „woke“ ist und politische Botschaften höchstens auf Social | |
Media verkündet. Das macht es schwierig, die Grenze zwischen | |
Vermarktungsstrategie und aufrichtiger Haltung zu ermitteln. Was bedeutet | |
es also, wenn sich die drei Schotten vor allem als „Antiestablishment“ | |
definieren? | |
## Reitende Bettler | |
Vor einigen Jahren hatten Young Fathers gegenüber dem britischen | |
Musikmagazin NME noch kritisiert, dass Radiosender nur privilegierte weiße | |
Indie-Acts spielten und keine Bands aus der Arbeiterschicht mehr, so wie | |
sie, die angeblich größere Credibility hätten. „If wishes were horses / | |
Then beggars would ride“ („Wenn Wünsche Pferde wären, gäbe es reitende | |
Bettler“), zitieren die Young Fathers im Song „Lord“, der ersten | |
Veröffentlichung aus dem neuen Album, ein schottisches Sprichwort. In | |
Poesie gepackte Nüchternheit. | |
Bei den Young Fathers geht es weniger um musikalische Kategorien als um | |
Emotionen: Wut, Schmerz und Liebe. Auch um ihre Sucht nach Konfrontation. | |
Als sie 2014 den begehrten britischen Mercury Prize für ihr Debütalbum | |
„Dead“ erhielten, sagten sie bloß, dass sie diesen selbstverständlich | |
verdient hätten. Vielleicht doch ein wenig zu klischeehaft: die | |
Ungehobelten aus der Arbeiterschicht. | |
Der Guardian bezeichnete Young Fathers einmal als Band, die wenig lacht. | |
Darauf angesprochen, brechen die drei in Gelächter aus. „Wenn Liam | |
Gallagher mal etwas pöbelnder daherkommt, sagt kein Mensch was, aber bei | |
uns ist es gleich verhaltensauffällig“, kommentiert „G“ den Satz. | |
Sie gestehen allerdings, dass sie anfangs, als man sie noch eine | |
„HipHop-Crew aus Schottland“ nannte, durch eine aufgesetzte Ernsthaftigkeit | |
glaubwürdiger erscheinen wollten. Heute seien sie davon abgerückt, auch von | |
der überzeichneten und fehlgeleiteten Männlichkeit, die HipHop als Genre | |
ausmacht. | |
In ihren neuen Songs geben sie sich auffällig gefühlsbetont, in ihren | |
Videos, wie im aktuellen „In My View“, wirken sie – trotz aller Derbheit | |
von Sound und Songtexten – sanft und offenbaren tiefe Emotionen. „Wir | |
wollen einfach nie selbstgefällig werden“, sagt Kayus, „dazu müssen wir d… | |
alles ausleben.“ | |
KORREKTUR 3.05.: In einer früheren Version des Textes hieß es, BDS habe | |
antisemitische Züge. Diese Bewertung stammte nicht von der Autorin Osia | |
Katsidou, sondern sie entstand im Redigat. Ihr ist es wichtig, dass sie | |
eine differenzierte Haltung zum BDS vertritt: „Ich halte BDS für | |
grobschlächtig – vor allem, wenn die Bewegung von Menschen ausgeht, die | |
nicht in besetzten palästinensischen Gebieten leben oder aus diesen stammen | |
– und denke, dass der Boykott von Kultur den versöhnlichsten aller | |
zwischenmenschlichen Bereiche angreift. Allerdings bin ich auch keine | |
ausdrückliche BDS-Gegnerin und halte es nicht für antisemitisch, die | |
israelische Politik zu kritisieren und gegen sie zu protestieren. Dieses | |
Thema bedarf eines komplexen und aufklärerischen Diskurses, der durch die | |
verhärteten Fronten, die Unterstützer*innen und Gegner*innenaufbauen, | |
meiner Ansicht nach nicht ermöglicht wird.“ | |
18 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Osia Katsidou | |
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