# taz.de -- DDR-Lebenswelten im Kinderbuch: Abweichung von der Norm | |
> Das Kinderbuch „Gertrude grenzenlos“ erzählt von einer | |
> Mädchenfreundschaft unter schwierigen Bedingungen in der DDR. | |
Bild: In „Gertrude grenzenlos“ beschreibt Judith Burger den Alltag aus der … | |
Erstaunlich, dass auch heute, fast 30 Jahre nach dem Fall der Berliner | |
Mauer, der Alltag in der DDR noch kaum Thema im deutschsprachigen Kinder- | |
und Jugendbuch ist. Die Autorin Judith Burger, die 1989 siebzehn Jahre alt | |
war, in Halberstadt aufwuchs und heute für den Mitteldeutschen Rundfunk | |
arbeitet, hat mit ihrem Kinderbuchdebüt versucht, diese Leerstelle zu | |
füllen. In „Gertrude grenzenlos“ erzählt sie vom Aufwachsen in der DDR – | |
von Straßen der Besten, Pioniertreffen und Timurhilfe. | |
Sie erzählt von zwei Mädchen in einer ostdeutschen Kleinstadt Ende der | |
1970er Jahre, die eine ganz besondere Freundschaft erleben und gegen alle | |
Widerstände zu verteidigen lernen. | |
Ina Damaschke, im Roman die Erzählerin, ist keine Vorzeigeschülerin im | |
Klassenkollektiv. Ständig eckt sie ungewollt an, bei der Lehrerin und den | |
Mitschülern. Als dann ein neues Mädchen zu ihr in die Klasse kommt und | |
neben sie gesetzt wird, ist Ina sofort fasziniert. Gertrude heißt anders | |
und sieht anders aus als alle anderen Kinder. Sie trägt Westkleidung, singt | |
im Kirchenchor und wohnt mit ihrer Familie in einem Altbau. Dort gibt es | |
keine der üblichen Schrankwände, stattdessen steht ein Sofa in der Küche | |
und der Tee wird aus handgetöpferten Tassen getrunken. | |
Für Ina, die allein mit ihrer Mutter in einer stets aufgeräumten | |
Plattenbau-Wohnung lebt, öffnet sich mit Gertrude eine neue Welt. Doch | |
dieser Welt haftet etwas Verbotenes an. Ina kommt erst allmählich dahinter, | |
warum ihre Mutter über die neue Freundin nicht glücklich ist und warum die | |
unsympathische Klassenlehrerin Frau Wendler Gertrude für einen schlechten | |
Umgang hält. Denn Familie Leberecht hat einen Ausreiseantrag gestellt, | |
nachdem Gertrudes Vater als Schriftsteller in der DDR nicht mehr | |
veröffentlichen darf. | |
Judith Burger schildert diese verstörenden Ereignisse aus der Sicht des | |
jungen Mädchens und bemüht sich gleichzeitig einen Eindruck von dem | |
politischen Klima jener Jahre zu vermitteln. In diesem Zwiespalt gefangen | |
hält die Autorin die eingeschränkte Erzählperspektive nicht immer | |
konsequent durch und lässt mit vielsagenden Andeutungen zusätzliche | |
Informationen einfließen. Trotzdem gelingt ihr mit der einfühlsam erzählten | |
Außenseiter-Geschichte von Ina und Gertrude auch eine atmosphärisch | |
glaubwürdige Darstellung vom Leben in der damaligen DDR. Zusätzliches | |
Hintergrundwissen liefert Burger im Anhang mit einem Nachwort und einem | |
interessanten Glossar, das zeithistorische Begriffe wie „Frösi“, „Konsum… | |
„Staatsbürgerkunde“, „Stasi“ oder „VEB“ erläutert. | |
1 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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