# taz.de -- Kinderbücher für die Sommerferien: Auf nach Neukölln oder Kolumb… | |
> Überraschende Freundschaften, mutige Alleingänge und Urlaub fast vor der | |
> eigenen Haustür: die Neuerscheinungen im Kinderbuchregal. | |
Bild: Bunt und witzig: eine Szene aus dem Bildband „Wartet auf mich“ von Do… | |
Die Zeugnisse sind verteilt, die Sommerferien können beginnen. Doch für den | |
schüchternen Anton läuft alles anders als erhofft. Sein Vater ruft an, um | |
die gemeinsame Reise mit dem Jungen abzusagen. Die alleinerziehende Mutter | |
eröffnet dem Achtjährigen, dass ihr Auto kaputt ist und sie ihre Arbeit | |
verloren hat. Diesen Sommer muss gespart werden. Doch in „Zelten mit | |
Meerschwein“, dem Kinderbuch von Mareike Krügel, erlebt Anton dann | |
überraschend doch einen unvergesslichen Urlaub. Und das sogar fast vor der | |
eigenen Haustür. | |
Denn gemeinsam mit seiner Mutter und Pünktchen, dem Meerschweinchen, | |
kampiert er bald, abseits des überfüllten Campingplatzes und versteckt | |
hinter Brombeersträuchern, auf einer Lichtung im Stadtwald. Überzeugend und | |
humorvoll gelingt es der Autorin, aus Antons Perspektive von den für ihn | |
heilsamen und aufschlussreichen Ereignissen dieses Sommers zu erzählen. | |
Wichtige Details in dem Wald, Badeschlappen, Baumstumpf, Campingkocher oder | |
Pünktchens Meerschweinparcours hat Illustratorin Nele Palmtag in kleinen | |
Vignetten festgehalten. | |
Dass der Sommer für Anton zu einer abenteuerlichen Unternehmung wird, liegt | |
nicht zuletzt an der Bekanntschaft mit Liane. Die ist drei Jahre älter, | |
trägt verdreckte Flipflops und schmeißt großzügig mit Kraftausdrücken um | |
sich. Ihre furchtlose, zornige Art irritiert und beeindruckt den | |
Außenseiter, der von seinen Klassenkameraden oft genug als „Baby“ | |
beschimpft wird. | |
## Weg von den nervigen Eltern | |
Doch umgekehrt scheint es Liane mit dem einfallsreichen Anton im Wald | |
besonders zu gefallen, weit weg von den nervigen Eltern und dem jüngeren | |
Bruder im Wohnwagen. Ohne Angst trifft er nach den Ferien nun gelassen auf | |
die größten Quälgeister seiner Klasse. | |
Auch der zehnjährige Pedro aus Kolumbien macht in den Ferien eine wichtige | |
Bekanntschaft. In „Das Glück ist ein Fisch“ erzählt die in Bogotá lebende | |
Autorin Melba Escobar de Nogales von dem sehr behütet aufwachsenden Jungen, | |
der erstmals ans Meer, auf die Karibikinsel Providencia reist. Dort aber | |
erfährt er von seiner Mutter von der Trennung der Eltern. Traurig und | |
wütend rennt Pedro los, immer den Strand entlang. | |
Als er nach Einbruch der Dunkelheit, erschöpft und orientierungslos von | |
Jonny Tay, einem mürrischen alten Seemann, aufgegriffen wird, hält Pedro | |
den mageren schwarzen Mann mit dem sprechenden Papageien zunächst für einen | |
Piraten. Tatsächlich wurde die Insel Providencia einst von britischen | |
Piraten erobert, die später afrikanische Sklaven nach Kolumbien brachten. | |
## Ein köstliches Mahl mit Brotbaumfrucht | |
Jonny Tay nimmt den kleinen Jungen über Nacht bei sich auf und bereitet ihm | |
in seiner Strandhütte ein köstliches Mahl mit Brotbaumfrucht und | |
Krebsfleisch. Durch ihn lernt Pedro auch, in Korallenriffen zu tauchen und | |
mit der Harpune zu jagen. Als die Mutter ihn am nächsten Tag wieder in die | |
Arme schließt, stellt sie fest, dass ihr schmächtiger Sohn ein ganzes Stück | |
gewachsen ist. | |
In deutscher Übersetzung herausgegeben wurde diese Erzählung aus Kolumbien | |
von dem Schweizer Verlag Baobab Books, der mit seinen Kinderbüchern | |
interkulturelle Lesekompetenz fördern will. So beschreibt Melba Escobar de | |
Nogales zum einen Pedros Aufbruch aus der durch Fürsorge stark | |
reglementierten Welt, macht aber gleichzeitig mit den Einflüssen und der | |
Geschichte kreolischer Kultur in Kolumbien bekannt. | |
Auf der für sie als Andenbewohner so fremd anmutenden Insel bewegen sich | |
Mutter und Sohn mit vorsichtiger Neugier. Ihre verhaltene Annäherungen | |
finden ihren Ausdruck auch in den zart anmutenden Illustrationen der in | |
Medellín arbeitenden Zeichnerin Elizabeth Builes. | |
## Matti, Otto und Bruda Berlin | |
In der temporeichen Berlingeschichte „Mein Freund Otto, das wilde Leben und | |
ich“ wird durch die unverhoffte Freundschaft mit Horst Zimmermann, genannt | |
„Hotte“, und Mahmoud Al Jabiri alias „Bruda Berlin“ einiges im Leben von | |
Matti und Otto auf den Kopf gestellt. Die beiden Fünftklässler wohnen in | |
Berlin-Mitte. Otto geht nachmittags zum Yoga, Matti spielt Klavier. Beste | |
Freunde sind sie, seitdem ihre Mütter sich nach ihrer Geburt in einem | |
Rückbildungskurs kennengelernt haben. | |
Schonungslos, aber wohldosiert bemüht die in Berlin lebende Autorin Silke | |
Lambeck hier klassische Haupstadtklischees von bloggenden | |
Latte-macchiato-Müttern und ihren wohlstandsverwahrlosten Kindern in gelben | |
Retroregenmänteln. Aus der Perspektive des elfjährigen Matti klingen sie | |
trotzdem ziemlich lustig. Wirkungsvoll entwickelt Lambeck durch die | |
Zuspitzung von vermeintlichen Gegensätzen die Dramaturgie ihres spannenden | |
Stadtabenteuers. | |
Als Matti und Otto im Musikunterricht auf YouTube ein Video mit 120.000 | |
Klicks des gleichaltrigen Gangsta-Rappers „Bruda Berlin“ sehen, wissen sie, | |
dass sie entschieden zu harmlos sind. Um das zu ändern, nehmen die Jungen | |
bald Herrn Zimmermann, den verhassten Späti-Besitzer und letzten | |
Ureinwohner im Stadtteil, ins Visier. | |
## Die Immobilienspekulanten kommen ins Spiel | |
Inspiriert von „Bruda Berlin“, rappen sie: „Der Hotte Zimmermann, der | |
schreit die Kinder an, der ist ein fieser Mann, der uns nicht leiden kann.“ | |
Doch dann werden sie Zeuge, wie Schlägertypen im Kiosk von Horst Zimmermann | |
randalieren, um den alten Mann im Auftrag von Immobilienspekulanten | |
rauszuekeln. Plötzlich sieht alles ganz anders aus. | |
Also ändern Matti und Otto kurzfristig ihren Plan. Um den aber wirkungsvoll | |
umsetzen zu können, brauchen sie erfahrene Unterstützung. Die hoffen sie in | |
Neukölln zu finden – bei Mahmoud Al Jabiri aka Bruda Berlin. So nehmen | |
Matti und Otto am Samstagabend allein die U-Bahn und stellen als Erstes | |
überrascht fest, dass ihre Weltreise bis Rathaus Neukölln nur eine halbe | |
Stunde dauert – „Wir sind Kinder, keine Trottel, keine Rinder, nein: | |
Kinder. Die Herren Kinder!“ | |
Für die jüngeren Kinder hat der Berliner Comicverlag Reprodukt pünktlich | |
zum Sommer und der Strandsaison eine weitere umwerfende Episode der | |
Bunte-Hunde-Bande von Dorothée de Monfreid im Pappbilderbuchformat | |
herausgebracht. Mit wenigen Sprechblasen, in kontrastreichen Farben und | |
lebendigen Szenen inszeniert die französische Zeichnerin in „Wartet auf | |
mich“ die ganze verpatzte Dynamik eines Badeausflugs. | |
Der kleine Omar versucht noch, in die Badehose zu steigen, als die anderen | |
Hunde schon mit Schwimmflügeln im Boot Kurs aus die Insel nehmen. Allein | |
bleibt er erst mal am Strand zurück. Monfreids zuvor erschienener | |
Hundecomic „Schläfst du?“ ist inzwischen für den Deutschen | |
Jugendliteraturpreis 2018 in der Kategorie Bilderbuch nominiert. | |
2 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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