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# taz.de -- Neue Kinderbücher: Von Krisen- und Glücksmomenten
> Ein Comic über blinkende Fußballschuhe, ein Buch mit Gedanken für
> schlaflose Nächte und eine Bilderzählung zur deutschen Teilung.
Bild: Für manche ein Wunsch, für andere nicht nachvollziehbar
Auch im aktuellen Herbstprogramm der hiesigen Kinderbuchverlage sind die
Illustratoren der Frankfurter Ateliergemeinschaft Labor stark vertreten.
Erst im Frühjahr hatte es ihre inspirierende Gemeinschaftsproduktion „Ich
so du so. Alles super normal“ in die Auswahl der für den
Jugendliteraturpreis nominierten Sachbücher geschafft.
Einer der Labor-Mitbegründer ist der Zeichner und Kinderbuchautor Philip
Waechter. Seine zahlreichen Veröffentlichungen zeugen von aufrichtiger
Neugier für die Erfahrungswelt, die Krisen- und Glücksmomente seiner jungen
Protagonisten. Ihrer Perspektive verpflichtet, lotet er mit freundlichem
Witz die oft widersprüchlichen Interessen von Kindern und Erwachsenen im
Alltag aus. Dabei gelingt ihm mit leichtem Strich auch ein zeitgenössisches
Bild von urbaner Kindheit und vielfältigem Familienleben zu skizzieren.
In seinem Buch „Toni. Und alles nur wegen Renato Flash“ erzählt der 1968
geborene Frankfurter als Comic in farblich abgesetzten Kapiteln von Toni,
einem ziemlich aufgeweckten Jungen, seiner Ballbegeisterung und der
Sehnsucht nach dem neuesten Modell blinkender Fußballschuhe. Doch die
absolute Dringlichkeit dieses Weihnachtswunsches scheint weder zu seiner
aufgeschlossenen Mutter noch zum eigentlich verbündeten Großvater
durchzudringen.
## „Renato Flash“
Ganz der tragische Held, macht sich Tim also auf den Weg, um selbst das
nötige Geld für „Renato Flash“ aufzutreiben – mal mit Flyeraustragen, m…
mit Straßenmusik oder Hundeausführen. Unterwegs macht Toni die zufällige
Bekanntschaft mit Lotte, und seine verlässlichen Freunde sind ebenfalls
stets in Reichweite. Doch wie gewonnen, so zerronnen, ergeben sich für den
fußballbegeisterten Jungen aus jedem Job neue Verpflichtungen.
Bald stellt er ernüchtert fest: „Zu Hause wusste ich mal wieder nicht, ob
ich einen tollen oder einen saudoofen Tag gehabt hatte!?“ Außerdem können
Erwachsene alle nicht mehr richtig Weihnachten feiern. Doch elterliche
Vernunft darf niemals siegen, und so liegt am Ende nicht nur für Mieze, die
Katze, eine Dose Thunfisch unterm Weihnachtsbaum.
## „Das schlaflose Buch“
Wie Waechter gehört auch Moni Port zur Ateliergemeinschaft der Frankfurter
Illustratoren. In „Das schlaflose Buch“, ihrer jüngsten Veröffentlichung,
verwandelt sie das quälende Einschlafthema in einen überbordenden Bilder-
und Gedankenstrom und macht es dadurch äußerst produktiv. „Ich kann nicht
einschlafen“, denkt das Kind in der dunklen Nacht. „Meine Gedanken hüpfen
von Ast zu Ast, vom Hölzchen aufs Stöckchen.“ Dieses kreative Prinzip
assoziierenden Denkens übersetzt die Autorin in einen bunten Mix aus
Zeichnungen, Collagen, Fotografien und gefundenem Material.
Von der schweren Zunge des Blauwals zu den Elefanten, vom VW-Käfer zu den
Insekten, von bulgarischem Hochzeitsbrauch zum Thema Geld und der Frage
nach dem Wertvollsten im Leben. Mal bereitet das Bild, mal der Text den
Übergang für die folgende Seite vor. So bildet sich ein Fluss wilder
Gedanken aus enzyklopädischem Wissen, aus Anekdoten und philosophischen
Fragen. Was ist die Welt und wer bin ich? Spielerisch (fast schon im Schlaf
) – gelingt es Moni Port, zum Nachdenken darüber anzuregen.
## „Hübendrüben“
Angenehm unverkrampft versuchen auch Franziska Gehm und Horst Klein in
„Hübendrüben“ die Geschichte der zwei deutschen Staaten und der
Wiedervereinigung als bildstarke Nummernrevue für Kinder nachvollziehbar zu
machen. Detailreich und anschaulich mit Buntstiftzeichnungen festgehalten,
erzählen die im Osten geborene Autorin und der im Westen aufgewachsene
Illustrator in „Hübendrüben“ vor allem vom Alltagsleben der Kinder in
beiden deutschen Staaten.
So genießt Max aus der BRD den Spanienurlaub und geht zum
Kommunionsunterricht, während seine Cousine Maja auf der gegenüberliegenden
Buchseite das Ferienlager oder den Pioniernachmittag in der DDR besucht.
Dabei gibt es hüben und drüben eine Menge von fast vergessenen Objekten und
Ritualen mit unterhaltsamem Nostalgiefaktor zu entdecken. Die räumlich
halbhoch im Buchfalz gestaltete Berliner Mauer ist besonders gelungen.
Glücklicherweise aber verlieren die Autoren den historischen Kontext und
die politische Realität der deutschen Teilung trotzdem nicht aus den Augen.
Verständlich und knapp liefert das Erzählbilderbuch auch zu deutschem
Nationalsozialismus und russischer Perestroika Informationen, ohne die
Anfang und Ende der DDR auch im Kinderbuch nicht zu verstehen wäre.
Als Günther Schabowski vor fassungslosen Reportern 1989 die Öffnung der
innerdeutschen Grenze verkündet, machen sich auch Maja und ihre Familie auf
den Weg, um sich mit Max und seinen Eltern auf der anderen Buchseite zu
treffen.
2 Dec 2018
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Kinderbücher
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