| # taz.de -- Konsens über den Reformationstag: Hauptsache Feiertag | |
| > Auf der Suche nach dem Ursprung des Reformationstages als Feiertag stößt | |
| > man vor allem auf Pragmatismus. Der Anlass erscheint nebensächlich. | |
| Bild: Lieblings-Feiertags-Thema der Nordländer: Martin Luther | |
| Hamburg taz | „Es ist eine unendliche Geschichte“, sagt ein Pressesprecher | |
| zu den Ursprüngen des neuen norddeutschen Feiertags: In Bremen, Hamburg und | |
| Schleswig-Holstein ist der 31. Oktober als Reformationstag nun gesetzlicher | |
| Feiertag, in Niedersachsen hat die Regierung am Dienstag einen | |
| entsprechenden Gesetzesentwurf vorgestellt. | |
| Unendlich ist möglicherweise übertrieben, aber lang ist die Geschichte | |
| dieses neuen Feiertags schon, zumindest wenn man sie in den | |
| Legislaturzeitkategorien der Politik betrachtet. Und interessant, wenn man | |
| sie als Anschauungsbeispiel dafür nimmt, wann und warum politische | |
| Forderungen gegen alle Wahrscheinlichkeit irgendwann doch Realität werden. | |
| Die ersten Forderungen, den Reformationstag zu einem gesetzlichen Feiertag | |
| zu machen, findet man im Jahr 2014, wobei sich da eine bezeichnende | |
| Gleichgültigkeit beimischt. Die niedersächsische CDU brachte, ausgehend von | |
| dem Wunsch, die Bedeutung der Kirchen grundsätzlich zu würdigen, die | |
| Forderung im Kultusausschuss auf. Sie stieß bei den Anhörungen dazu auf ein | |
| gemischtes Echo, sowohl Vertreter der katholischen und jüdischen Gemeinde | |
| als auch der Humanistischen Union hatten Vorbehalte, woraufhin die CDU sich | |
| stattdessen den der Pflegeversicherung zum Opfer gefallenen Buß- und Bettag | |
| auf die Fahnen schrieb. Doch der Vorschlag scheiterte am Veto von SPD und | |
| Grünen. | |
| ## Die neue Einigkeit | |
| Fragt man nach den Gründen, so erhält man aus der Pressestelle der | |
| niedersächsischen CDU-Fraktion eine sehr pragmatische Antwort: Rot-Grün | |
| habe die Mehrheit gehabt und der Antrag sei von der Opposition gekommen. | |
| Frauke Heiligenstadt von der SPD dagegen ist nur bedingt eine gute Quelle, | |
| als damalige Kultusministerin hat sie zwar den Vorstoß zum Buß- und Bettag | |
| abgelehnt, im Kultusausschuss dagegen war sie nicht stimmberechtigt. | |
| Zitieren darf man sie damit, dass sie den jetzigen Vorschlag der | |
| Landesregierung unterstützt. Was hatte der Pressesprecher der CDU-Fraktion | |
| zur Erforschung der Vergangenheit gesagt: „Es war ein oppositioneller | |
| Antrag der CDU, jetzt arbeiten wir zusammen“. | |
| Pragmatismus findet sich auch bei anderen Vätern und Müttern des neuen | |
| Feiertags: die Bremer SPD fordert 2017 zwar einen weiteren Feiertag – aber | |
| schlägt gleich drei mögliche vor: den 8. Mai als Tag der Befreiung von der | |
| NS-Diktatur, den Internationalen Frauentag am 8. März oder aber den | |
| Reformationstag. Das Entscheidungskriterium: Der Feiertag „sollte möglichst | |
| breit gesellschaftlich getragen sein“. Zuvor hatte sich auch der | |
| Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, für | |
| einen weiteren kirchlichen Feiertag ausgesprochen – aber noch zwischen der | |
| Wiedereinführung des Buß- und Bettages und dem Reformationstag geschwankt. | |
| Da war 2017 die schleswig-holsteinische SPD schon eindeutiger und schrieb | |
| die Forderung nach einem gesetzlichen Feiertag am 31.Oktober in ihr | |
| Wahlprogramm – eingeleitet von der Begründung, dass Bayern 13 gesetzliche | |
| Feiertage habe, Schleswig-Holstein dagegen nur neun. Eine inhaltliche | |
| Begründung für den Reformationstag selbst gibt es nicht. | |
| Dass die fehlt, treibt unter anderem Christiane Schneider von der Hamburger | |
| Linken um. Sie hielt – vergebens – eine Rede in der Hamburgischen | |
| Bürgerschaft, um die Abgeordneten für einen Feiertag am 8. Mai zu | |
| überzeugen. Warum die Mehrheit, die sie für nicht protestantisch hält, | |
| dennoch in freier Abstimmung für den 31. Oktober votiert hat, versteht sie | |
| nicht. Schneider gesteht Luther und der Reformation durchaus aufklärerische | |
| Qualitäten zu – aber für sie wiegt seine Unterstützung der Obrigkeiten und | |
| der, so sagt sie, Verrat an dem Bauernführer Müntzer, zu stark, um ihn als | |
| Identifikationsfigur gelten zu lassen. | |
| ## Nähe zwischen SPD und Kirche | |
| Dass die vier SPD-Ministerpräsidenten sich vorab auf den | |
| Reformationsfeiertag festgelegt haben, ist für Schneider letzten Endes nur | |
| Zeichen dafür, dass sie mit eben jenem Ducken unter die Autoritäten | |
| sympathisieren. Und für eine Nähe zwischen Sozialdemokraten und Amtskirche. | |
| Fragt man bei einem solchen Vertreter nach, hört man erst einmal eine | |
| gewisse Überraschung. Eines ist sicher, sagt der Hamburger Pastor Torsten | |
| Morche, hätte die Kirche selbst den Feiertag gefordert, wäre das | |
| „sonderbar“ gewesen. So freue man sich, zumindest mehrheitlich, denn in dem | |
| vielstimmigen Haus der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) finden sich | |
| sogar Stimmen, die lieber den 27. Januar, den Tag der Befreiung des KZ | |
| Auschwitz, als gesetzlichen Feiertag gesehen hätten. Nun ist es der 31. | |
| Oktober und, zumindest für Morche, ein Tag und Luther ein Mann, der auch | |
| säkular anschlussfähig ist: als jemand, der sich für Freiheit und | |
| Gerechtigkeit eingesetzt habe. Nun, so sagt es der welterfahrene Morche, | |
| müsse man nur den Kindern erklären, warum sie an Halloween schulfrei | |
| hätten. | |
| Kehrt man zurück zur Suche nach der Wurzel, findet man erneut Pragmatismus: | |
| den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag haben gleich beide | |
| Spitzenkandidaten im niedersächsischen Wahlkampf gefordert: der SPD-Mann | |
| Weil und der CDU-Mann Althusmann. Für Althusmann eine sozusagen bewährte | |
| Idee. Ob Weil, der sich trotz Kirchenaustritts als Katholik begreift, von | |
| der allgemeinen Euphorie fürs Reformationsjubiläum profitieren wollte, | |
| lässt sich nur spekulieren. Sicher ist: Ein doppeltes Wahlversprechen lässt | |
| sich nur mühsam unter den Tisch kehren. | |
| Vermutlich hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen in seiner | |
| Mitteilung zum Gesetzesvorhaben die Zeichen der Zeit am klarsten erkannt: | |
| „Die Menschen haben sich diesen zusätzlichen freien Tag verdient“, heißt … | |
| da. Was für einer es ist, wird nicht erwähnt. | |
| 7 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
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