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# taz.de -- Streit bei Hannover 96: Wenn Fußball-Fans schweigen
> Die Fronten zwischen den Ultras und dem Präsidium von Hannover 96 sind
> verhärteter denn je. Trotz des sportlichen Erfolgs versagen die Fans den
> Spielern die Unterstützung.
Bild: Krise in der Fanszene: Bei Hannover 96 ist die Stimmung derzeit im Keller
HANNOVER taz | Eine Fußball-Mannschaft steigt in die Bundesliga auf und
schafft es auf Anhieb, sich zu behaupten und zwischenzeitlich sogar an die
Europapokal-Plätze anzuklopfen. Trotz des sportlichen Erfolgs werden die
Spieler jedoch nicht etwa vom Publikum hofiert, sondern mit Schweigen
bestraft – und zwar nur, weil ein Großteil der Fans Differenzen mit der
Führungsetage hat. So unwirklich diese Geschichte klingen mag: Bei Hannover
96 ist sie Realität und seit Beginn der Saison fester Bestandteil eines
jeden Kneipengesprächs vor dem Spiel.
Der Auslöser des Stimmungsboykotts der Ultras zog bundesweit Kreise. Die
Anhänger lehnen das Vorhaben ihres Präsidenten Martin Kind ab, die
50+1-Regel fallen zu lassen, die besagt, dass die Mehrheit an der
Profiabteilung von den Mitgliedern kontrolliert werden muss. Kind verfolgt
das Ziel, den Profifußball vom Verein zu lösen, um Tür und Tor für
Investoren zu öffnen.
Die schlechte Stimmung auf den Rängen nimmt von Woche zu Woche jedenfalls
größere Ausmaße an und spiegelt sich inzwischen auch in der Leistung der
„Roten“ wieder. Der Auftritt beim 0:1 im Heimspiel gegen Borussia
Mönchengladbach am vergangenen Samstag wirkte ähnlich lethargisch wie die
Atmosphäre in der HDI-Arena. Nach nur zwei lautstark begleiteten Partien
(gegen Freiburg und in Köln) hatte die „Aktive Fanszene Hannover 96“ kurz
vor dem Anpfiff verkündet, zum Stimmungsboykott zurückkehren zu wollen.
Als Grund dafür nannten die Ultras die Absage einer für den gestrigen
Montag angesetzten Podiumsdiskussion durch die Vereinsführung. Die
96-Verantwortlichen hätten sich dort den Fragen der Fans stellen sollen,
argumentierten aber, dass eine solche Diskussion bei der aktuellen
Stimmungslage nicht zielführend sei. Nach diesem „kindschen Lügenballett“,
wie die Ultras in einer Mitteilung schrieben, „werden wir heute die
Mikrofone leise und die Fahnen im Sack lassen“.
Getreu dem Motto „Nichts verschafft uns mehr Gehör als unser Schweigen“
ließ ein Großteil der Kurve diesen klaren Worten Taten folgen. Stumm
blieben die gekränkten Fans während der 90 Minuten dennoch nicht: Für ihre
obligatorischen „Kind muss weg“-Rufe stellten sie ihre Stimmen dann doch
zur Verfügung.
## Das Geschehen auf dem Rasen rückt in den Hintergrund
Ein Großteil der anderen Fans in der Arena quittierte dies wiederum mit
lautstarken „Ultras raus“-Sprechchören. Dass unterdessen auf dem grünen
Rasen ein Bundesligaspiel stattfand, rückte von Minute zu Minute mehr in
den Hintergrund.
Dem 96-Manager Horst Heldt platzte nach der Niederlage vor dem Sky-Mikrofon
der Kragen: „Wir haben verloren. Die erste Halbzeit war nicht gut.
Ansonsten kotzt mich hier alles an. Wir beschäftigen uns mit allem anderen
nur nicht mit Fußball. Deswegen haben wir es auch nicht anders verdient“,
sagte er.
Noch vehementer fiel die Einschätzung des Mannes aus, gegen den sich die
Fan-Wut hauptsächlich richtet. „Die Hardcore-Fans sind dogmatisch und
radikal, da wird man mit Argumenten nichts mehr erreichen“, sagte Martin
Kind gegenüber dem Sportportal Sportbuzzer. Und fragte: „Warum kommen sie
überhaupt? Sie reden immer von Unterstützung und wirken doch nur
destruktiv. Das Einfachste ist doch, dass sie wegbleiben.“
## Die Ultras fühlen sich verraten
Mit dieser Ansage und der Absage der Podiumsdiskussion hat der Bundesligist
klargemacht, dass er sich keine Forderungen einzelner Fan-Gruppierungen
diktieren lässt. Die Ultras hingegen fühlen sich von der Klubführung
verraten und bemängeln die „bekannte Ignoranz“ der handelnden Personen.
Die Lage spitzt sich zu, denn die Stimmung bei Spielen von Hannover 96 ist
„so schlecht wie nie“, wie der Trainer der Mannschaft, André Breitenreiter,
sagt. Eine Besserung ist seit dem Rücktritt vom Rücktritt des
Stimmungsboykotts nicht in Sicht.
Fest steht unterdessen, wer unter dem Gezanke zwischen Präsidium und Ultras
leidet: die Spieler, die zwischen den Stühlen stehen und rein gar nichts
mit der hitzigen Debatte zu tun haben. Sie haben den Anhängern den Traum
vom Aufstieg erfüllt und können für einen Liga-Neuling bereits jetzt auf
eine beachtliche Saison zurückblicken.
Der Dank dafür wird Philipp Tschauner, Salif Sané, Niclas Füllkrug und den
anderen Spielern jedoch verwehrt, weil Einzelinteressen über allem stehen.
Damit die Sportler ihre Motivation nicht ganz verlieren, wäre es an der
Zeit, den Streit zu beenden – ehe es zu spät ist.
27 Feb 2018
## AUTOREN
Dennis Ebbecke
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Fußball
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