| # taz.de -- Kommentar Paragraf 219a: Schluss mit der Schikane! | |
| > Die Abschaffung des § 219a ist überfällig. Er verhindert nicht nur, dass | |
| > Frauen sich informieren können. Er ist auch eine Einladung für | |
| > Strafanzeigen. | |
| Bild: Frauen protestieren vor dem Amtsgericht in Gießen gegen den Abtreibungsp… | |
| Der Paragraf 219a muss weg. Und das aus vielen Gründen: Er ist antiquiert. | |
| Er beschneidet Frauen in ihrem Recht auf Information. Er kriminalisiert | |
| Ärztinnen und Ärzte. Vor allem aber ist er dermaßen umfassend, dass er den | |
| Missbrauch durch selbst ernannte Lebensschützer*innen geradezu provoziert. | |
| Der Paragraf im Strafgesetzbuch, der „Werbung für den Abbruch der | |
| Schwangerschaft“ verbietet, untersagt auch quasi jedes Interview mit einer | |
| Ärztin, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt – sobald sie etwa erzählt, | |
| seit wie vielen Jahren sie dies tut, flattert bei der Staatsanwaltschaft | |
| die nächste Anzeige ein. Ebenso, wenn Mediziner*innen in einer Zeitung ihre | |
| Solidarität mit einer angeklagten Kollegin bekunden. Nun brauchen sie | |
| selbst Solidarität. | |
| An dieser Schieflage kann sich nichts ändern, solange der Paragraf in | |
| seiner jetzigen Form bestehen bleibt. Die Union betont gerne, der Paragraf | |
| habe keine Relevanz – es gebe ja schließlich kaum Verurteilungen, die auf | |
| ihm beruhten. Eine solche Argumentation aber ist zynisch, da sie die Augen | |
| vor der Realität der Betroffenen verschließt. Denn auch ein | |
| Ermittlungsverfahren kann eine enorme Belastung darstellen; nicht nur | |
| emotional, sondern auch finanziell. | |
| Sich ein*e Anwält*in zu nehmen, kostet Geld. Auch werden solche Verfahren | |
| oft nur unter Auflagen eingestellt. Etwa, dass die Angezeigten eine | |
| bestimmte Summe zahlen müssen. | |
| Der Münchener Arzt Friedrich Stapf erklärte diese Woche auf einer | |
| Fachkonferenz der FDP zum § 219a, gegen ihn sei inzwischen schon mehr als | |
| zehn Mal ermittelt worden. Immer sei das Verfahren eingestellt worden – | |
| gegen eine Zahlung von 300 bis 500 Euro. Dazu seien jedes Mal Anwaltskosten | |
| in Höhe von etwa 2.000 Euro gekommen. | |
| ## Recht auf freie Entscheidung | |
| Eine solche Situation ist sowohl für Ärzt*innen als auch für Frauen in | |
| Notlagen absolut unzumutbar. Sie verunsichert, sie schikaniert, sie spricht | |
| Frauen die freie Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch | |
| ab – und sie trägt langfristig dazu bei, dass Mediziner*innen sich diesen | |
| ganzen Mist lieber gar nicht erst antun und gleich darauf verzichten, | |
| Schwangerschaftsabbrüche als ärztliche Leistung anzubieten. | |
| Doch wer steht dann an der Seite von ungewollt schwangeren Frauen? | |
| Abtreibungen wird es immer geben. Das wird sich leider durch keine noch so | |
| gut gemeinte Politik verhindern lassen. Deswegen ist es Aufgabe des | |
| Staates, dafür zu sorgen, dass sie unter medizinisch sicheren Bedingungen | |
| geschehen. | |
| Dass heimliche und unprofessionell vorgenommene Abtreibungen in ernsthaften | |
| Verletzungen und sogar mit dem Tod von Frauen enden können, zeigen andere | |
| Regionen der Welt – auch in Deutschland kam das bis zur Liberalisierung des | |
| Abtreibungsrechts noch vor. Der Paragraf 219a ist Ausdruck einer Norm, die | |
| niemandem hilft, die weder der gesellschaftlichen Wirklichkeit noch der | |
| Würde von Frauen Genüge tut – und die auch keine einzige Abtreibung | |
| verhindert. Eine solche Norm hat im deutschen Recht nichts zu suchen. | |
| 22 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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