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# taz.de -- Weitere Anzeigen wegen Paragraf 219a: Verstoß: Solidarität
> Weil sich Ärzt*innen mit ihrer Kollegin Kristina Hänel solidarisierten,
> wurden sie von einem Abtreibungsgegner angezeigt.
Bild: Aus Solidarität mit Kristina Hänel sitzen bald womöglich elf weitere �…
Für sie hat die Debatte im Bundestag zu Paragraf 219a StGB am
Donnerstagabend ganz persönlich Bedeutung: jene Ärzt*innen, gegen die wegen
des Paragrafen ermittelt wird. Gegen mindestens elf Mediziner*innen aus
verschiedenen Bundesländern [1][laufen derzeit Verfahren.] Sie hatten auf
der Titelseite der taz vom 18. November 2017 – in Anlehnung an den
berühmten Stern-Titel „Wir haben abgetrieben“ aus dem Jahr 1971 – erklä…
„Wir machen Schwangerschaftsabbrüche.“
Anlass für die damalige Solidaritätsaktion war der bevorstehende Prozess
gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die auf der Webseite ihrer Praxis
angegeben hatte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Paragraf 219a
Strafgesetzbuch verbietet die „Werbung“ für Abtreibungen – aber eben auc…
dass eine Ärztin öffentlich erklärt, sie vorzunehmen. So entschied das
Gießener Amtsgericht am 24. November 2017, Hänel habe mit ihrer Webseite
gegen den Paragrafen verstoßen, [2][und verurteilte sie zu einer Geldstrafe
von 6.000 Euro.]
Hänel hat inzwischen Berufung eingelegt. Wenn nötig, will sie bis vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen, um § 219a zu kippen. „Mit Entsetzen habe
ich gehört, dass Kolleg*innen, die sich öffentlich mit mir solidarisiert
haben, angezeigt worden sind“, sagte sie der taz, als die ersten
Ermittlungen bekannt geworden waren.
Die aktuellen Verfahren in Sachsen, Hessen, NRW, Bremen und Hamburg zeigen
einmal mehr, wie weit der Paragraf ausgelegt werden kann: Keine*r der
Betroffenen hatte auf einer Webseite Schwangerschaftsabbrüche angeboten.
Einige von ihnen sind längst pensioniert und haben ihren letzten
Schwangerschaftsabbruch Anfang der 1990er Jahre durchgeführt. Es gibt
schlichtweg keine solche Leistung, die sie jetzt bewerben könnten. Die
Anzeigen beziehen sich also nur auf die Solidaritätsbekundungen in der taz.
Bei der Bremer Staatsanwaltschaft etwa gingen 2017 das erste Mal seit zehn
Jahren wieder Anzeigen wegen § 219a ein – ihnen beigefügt war die
taz-Titelseite.
Anzeigensteller drangsalierte Ärt*innen schon lange
Auch gegen fünf Hamburger Ärzt*innen wird ermittelt, weil sie in der taz
abgebildet waren. Das bestätigte die Hamburger Staatsanwaltschaft auf
Nachfrage. Eine der Betroffenen ist Ingeborg Möller. Sie sagt: „Ich bin
überrascht, damit habe ich nicht gerechnet.“ Post von Polizei oder
Staatsanwaltschaft hat sie bisher keine erhalten, und zwangsläufig
passieren muss das auch nicht: „Wenn die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss
kommt, dass die Vorwürfe haltlos sind, kann sie das Verfahren einstellen,
ohne die Betroffenen je informiert zu haben“, so ein Sprecher. Vier
Ärzt*innen aus NRW und Hessen haben aber bereits Vorladungen oder die
Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme erhalten und sich einen
Anwalt genommen.
Hinter vermutlich allen Anzeigen steht die Initiative „Nie wieder“ um den
Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen aus dem baden-württembergischen
Weinheim. Das geht unter anderem aus Aussagen der Hamburger
Staatsanwaltschaft sowie einer Vorladung hervor, die der taz bekannt ist.
Seit Jahren drangsaliert Annen Ärzt*innen und überzieht sie mit Anzeigen.
Auf seinen Seiten babykaust.de und abtreiber.com bezeichnet er
Schwangerschaftsabbrüche als den „neuen Holocaust“, denunziert
Mediziner*innen als „Tötungsspezialisten“ und verbreitet Bilder
zerstückelter Embryonen. Ausdrücklich erwähnt Annen in seinen Anzeigen die
Titelseite der taz. „Dass solche Anzeigen möglich sind, muss aufhören“,
sagt der betroffene Offenbacher Arzt Samuel Fischmann. „Leute wie Klaus
Günter Annen müssen endlich in ihre Schranken gewiesen werden.“
Gegen Nora Szász und ihre Kollegin Natascha Nicklaus aus Kassel wird
unterdessen bereits seit August 2017 wegen Verstoßes gegen § 219a
ermittelt. Auch sie wurden von Klaus Günter Annen angezeigt. Sollte sich am
bestehenden § 219a nichts ändern, rechnen sie mit einer Verurteilung wie im
Fall Kristina Hänel. Denn auf ihrer Webseite bieten Szász und Nicklaus
sowohl operative als auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche an. Beide
Ärzt*innen warten noch auf eine Anklageerhebung.
Eingeschüchtert sind sie deshalb nicht: „Je aufmerksamer die Öffentlichkeit
ist, desto weniger spürt man die Bedrohung“, sagt Szász. Sie hofft, dass
der Bundestag den Paragrafen in den kommenden Monaten streichen wird. Den
Eintrag über Schwangerschaftsabbrüche hat sie nicht von ihrer Seite
genommen.
21 Feb 2018
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## AUTOREN
Dinah Riese
Hanna Voß
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Kristina Hänel
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