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# taz.de -- Recht auf Schwangerschaftsabbruch: Rote Bete gegen „Lebensschütz…
> 40 Tage am Stück demonstrierten Abtreibungsgegner in Frankfurt am Main –
> und das ausgerechnet vor der Beratungsstelle von Pro Familia.
Bild: Zu Saft gepresst – ein Hilfsmittel im Protest gegen sogenannte Lebenssc…
Frankfurt/Main taz | Ein Platz im Frankfurter Westend an einem Vormittag im
März: Ein Dutzend Frauen und drei Männer haben sich auch heute eingefunden,
um „für das Leben zu beten“. Im Schneegestöber lassen sie Rosenkränze du…
ihre Handschuhe gleiten, murmeln Gebete, ab und an erklingt ein frommes
Lied. Um den Hals tragen sie Schilder. Auf einem ist ein ungeborener Fötus
abgebildet, vermeintlich aus der 10. Schwangerschaftswoche, an dem Hände,
Füße und ein kleines Gesicht zu sehen sind. Die Demonstrant*innen setzen
erkennbar auf Emotion.
„Niederträchtig und gemein“ nennt Beatrix Baumann, Vorstandssprecherin der
Frankfurter Grünen, die „Mahnwachen“, mit denen seit Aschermittwoch
militante Abtreibungsgegner*innen Tag für Tag gegen das Recht auf
Abtreibung demonstrieren – und das ausgerechnet vor der Beratungsstelle von
Pro Familia. Bis zum Ende der Fastenzeit an diesem Donnerstag protestieren
sie vor der Einrichtung, in der unter anderem Frauen, die vor einem
Schwangerschaftsabbruch stehen, ihr gesetzlich vorgeschriebenes
Beratungsgespräch absolvieren.
Die Fundamentalist*innen stehen aber nicht allein in der Kälte: Ein
überparteiliches „Bündnis für Frauenrechte“ organisiert seit Aschermittw…
täglich eine Gegendemonstration.
Thorsten Herget, im Zivilberuf Erzieher, kommt jeden Tag. Er hält es für
ein Unding, dass die „Mahnwachen“ vor der Beratungsstelle stattfinden
dürfen. „Die Frauen sind doch ohnehin in einer schwierigen Lebenskrise,“
sagt er der taz. Immerhin hat das Ordnungsamt, anders als im Vorjahr, den
selbsternannten Lebensschützer*innen aufgetragen, Abstand zum Eingang von
Pro Familia einzuhalten. Trotzdem seien die Gebete und Gesänge in den
Beratungsräumen zu hören, berichten Berater*innen.
## Mit Pippi gegen Abtreibungsgegner*innen
Herget hält sich bewusst nicht an die Regeln. Diesmal hat er sich eine
Regenbogenfahne umgehängt und stört die Betenden mit ironischen Parolen.
Wenn sie singen, pfeift er die Melodie der aufsässigen Pippi Langstrumpf.
Einmal habe er sogar aus Protest vor den „Mahnwächter*innen“ Rote-Bete-Saft
in den Schnee gegossen und sei prompt in Polizeigewahrsam genommen worden,
berichtet er feixend der taz. „Religion ist heilbar“, steht in roten
Lettern auf dem Pflaster.
Die Stadtgesellschaft wissen die Demonstrierenden des Gegenbündnisses
hinter sich. Eine Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung hatte sich am
vergangenen Donnerstag die Forderung des Bündnisses zu eigen gemacht, den
„Mahnwächter*innen“ einen anderen Ort zuzuweisen und sie von der
Beratungsstelle von Pro Familia zu verbannen. Nur Frankfurts
Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) sah dafür zwar rechtlich zunächst
keinen Spielraum.
Ebenfalls gegen die „Mahnwachen“ aktiv ist eine Gruppe von Frauenärzt*innen
aus ganz Hessen, unter ihnen viele, die einen Solidaritätsaufruf für ihre
Gießener Kollegin Kristina Hänel gestartet hatten. Die war im November
wegen angeblicher Werbung für Abtreibung nach Paragraf 219a zu einer
Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Die Kolleg*innen unterstützen
Hänel ebenso, wie die Kasseler Ärzt*innen Nora Szász und Natascha Nicklaus,
die im Februar angeklagt wurden, die ihren Prozess also noch vor sich
haben.
## Ermittlungen wegen taz-Titel
Besonders irritiert hatte in Hessen zuletzt, dass sogar Ärzt*innen ins
Fadenkreuz der Ermittler gerieten, [1][die sich lediglich auf dem taz-Titel
vom 18. November] unter der Schlagzeile „Wir machen
Schwangerschaftsabbrüche“ mit ihrer Kolleg*in Hänel solidarisiert hatten.
Während dieser Auftritt in vielen anderen Bundesländern als
Meinungsäußerung bewertet wurde, nahmen die hessischen
Strafverfolgungsbehörden in mindestens drei Fällen Ermittlungen auf. Zwei
Ärzt*innen aus Offenbach wurden aufgefordert, zu entsprechenden
Strafanzeigen Stellung zu beziehen. Die schalteten ebenso einen Anwalt ein
wie eine längst pensionierte Ärzt*in aus Marburg, die eine Vorladung zu
Polizei erhalten hatte.
Immerhin konnte ihre ebenfalls pensionierte Kollegin Ursula Maaßen aus
Kassel der taz am Dienstag berichten, die für sie zuständige Staatsanwältin
habe das Verfahren inzwischen eingestellt. Die taz hatte in diesem
Zusammenhang die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU)
gebeten, zu den sich in Hessen häufenden Ermittlungen wegen des Paragraf
219a Stellung zu beziehen. Die Ministerin lehnte das ab, „mit Rücksicht auf
die Unabhängigkeit der Justiz.“
29 Mar 2018
## LINKS
[1] /Weitere-Anzeigen-wegen-Paragraf-219a/!5484017
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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Jens Spahn
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Kristina Hänel
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Männer dran, solidarisch zu sein. Spahn tut das Gegenteil.
Weitere Anzeigen wegen Paragraf 219a: Verstoß: Solidarität
Weil sich Ärzt*innen mit ihrer Kollegin Kristina Hänel solidarisierten,
wurden sie von einem Abtreibungsgegner angezeigt.
Debatte um den Paragrafen 219a: Neue Ermittlungen gegen Ärzt*innen
Nach einer Solidaritätsbekundung in der taz für das Recht auf Information
über Abtreibungen wurden mehrere Mediziner*innen angezeigt.
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