# taz.de -- Umstrittener Paragraf 219a: Ändern oder abschaffen? | |
> Der Bundestag diskutiert zum ersten Mal über die Streichung des | |
> Paragrafen §219a, der Werbung für Abtreibungen verbietet. | |
Bild: Ein zugeklebter Mund ist online und auf der Straße zum Zeichen des Prote… | |
BERLIN taz | Es wäre ein Meilenstein: Zum ersten Mal seit mehr als 20 | |
Jahren könnte in den kommenden Monaten die deutsche Gesetzgebung zum | |
Schwangerschaftsabbruch geändert werden. Am 22. Februar diskutiert der | |
Bundestag über den Paragrafen 219a, der das Werben für den Abbruch von | |
Schwangerschaften verbietet. Hintergrund ist das Gerichtsurteil gegen die | |
Ärztin Kristina Hänel, [1][die im November zu einer Strafe von 6.000 Euro | |
verurteilt wurde], weil auf ihrer Website das Wort | |
„Schwangerschaftsabbruch“ auftaucht. | |
Ob es eine Mehrheit für die Abschaffung des Paragrafen geben wird, ist noch | |
unklar. Union und AfD sind dagegen, Grüne und Linkspartei, die | |
entsprechende Gesetzentwürfe bereits eingebracht haben, dafür. Die SPD hat | |
einen Entwurf erarbeitet, der die Streichung vorsieht, ringt aber mit ihrem | |
Koalitionspartner um eine Einigung. | |
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl sagte nun, sie halte auch | |
eine „Kompromisslösung“ für möglich, nach der der Paragraf 219a zwar nic… | |
gestrichen, aber das Recht auf sachliche Information über | |
Schwangerschaftsabbrüche für betroffene Frauen gewährleistet würde. | |
Auch die FDP plädiert für einen Kompromiss: Änderung statt Abschaffung. | |
Noch am Montag hatte die Fraktion zum Fachgespräch geladen, um sich über | |
ihre Position klar zu werden. Danach habe eine deutliche Mehrheit | |
zugestimmt, den von ihm vorgeschlagenen Gesetzentwurf einzubringen, so | |
Vize-Fraktionschef Stephan Thomae. | |
SPD und FDP erwägen Kompromiss | |
Demnach verbliebe der Paragraf zwar im Strafgesetzbuch, ÄrztInnen dürften | |
aber künftig für Abbrüche werben, sofern dies nicht in grob anstößiger | |
Weise passiert. Die Liberalen Frauen hatten noch Anfang der Woche | |
gefordert, den 219a komplett zu streichen. „Die Fraktionsentscheidung hat | |
bei mir persönlich zu erheblichen Irritationen geführt“, sagte die | |
Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, Katja Grosch, der taz. | |
„Ich werde massiv dafür argumentieren, das außerhalb des Strafgesetzbuchs | |
zu regeln“, meint auch Ulle Schauws, die frauenpolitische Sprecherin der | |
Grünen-Fraktion. „Sonst können ÄrztInnen weiter angezeigt werden.“ | |
Die frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der | |
Linksfraktion, Cornelia Möhring, sagte, sie finde es „bedauerlich“, dass | |
die SPD den eigenen Gesetzesantrag nicht einbringe. Sie gehe dennoch davon | |
aus, dass die SPD sich nicht der „rückwärtsgewandten Position“ von Union | |
und AfD anschließen und man zusammen mit Grünen und FDP zu einer | |
gemeinsamen Lösung kommen werde, an deren Ende „hoffentlich die Abschaffung | |
dieses überalterten Paragrafen stehen wird“. | |
Kurz vor dem Bundestagstermin meldeten sich zudem mehrere Berufs- und | |
Interessenverbände zu Wort, darunter der der Frauenärzte, der sich in der | |
bisherigen Debatte auffällig zurückgehalten hatte. Nun fordert auch der | |
Verband eine Streichung des Paragrafen. „Wir stehen Frauen in allen | |
Lebenslagen bei, von Geburt bis Tod“, sagte Matthias Bloechle, Vorsitzender | |
des Berliner Regionalverbands. „Das schließt auch ungewollte | |
Schwangerschaften mit ein.“ | |
Verbände solidarisieren sich | |
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin erklärte | |
sich solidarisch mit der verurteilten Ärztin Kristina Hänel und fordert | |
„die politischen Entscheidungsträger auf, dafür zu sorgen, dass die | |
sachliche Information über die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche | |
durchgeführt werden, nicht mehr strafbewehrt ist. | |
Und auch der Verband Evangelischer Frauen in Deutschland forderte am Montag | |
das Ende des Paragrafen. „Das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf | |
freie Arztwahl werden damit eingeschränkt. Mit Blick auf unser | |
freiheitlich-demokratisches Grundgesetz halte ich das für | |
verfassungswidrig“, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Kahl-Passoth. | |
Auch hier entspricht die Position der Frauen im Verband allerdings nicht | |
der Verbandsposition: Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte sich im | |
Januar gegen eine Streichung von 219a ausgesprochen. | |
Nach der Plenumsdebatte im Bundestag werden sich vorerst die Ausschüsse mit | |
dem Thema beschäftigen. Parallel dazu soll es auch weiter interfraktionelle | |
Gespräche geben. Möglich ist, dass es schließlich einen interfraktionellen | |
Entwurf gibt – oder einen Gruppenantrag, bei dem die Abgeordneten nicht | |
nach Fraktion, sondern nach Gewissen abstimmen. | |
Die Grüne Schauws hofft, dass die zweite und dritte Lesung im Bundestag | |
noch vor dem Sommer stattfinden. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung | |
ruft am 22. Februar zu einer [2][Kundgebung vor dem Bundestag] auf, um | |
Solidarität mit den betroffenen ÄrztInnen zu zeigen und für das | |
Informationsrecht von Frauen einzustehen. | |
22 Feb 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133 | |
[2] https://www.facebook.com/events/1974527409481197/ | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
Patricia Hecht | |
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