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# taz.de -- Kommentar Tarifeinigung der IG Metall: Mehr Zeit schlägt mehr Lohn
> Die IG Metall kann mit dem erreichten Tarifabschluss zufrieden sein, auch
> wenn sie den Arbeitgebern reichlich Konzessionen machen musste.
Bild: Die IG Metall darf die Fahne hoch halten. Gleichwohl ist der erreichte Ab…
Die Einigung in der Metall- und Elektroindustrie hat es in sich. [1][Der
Pilotabschluss in Baden-Württemberg] ist in seiner trickreichen Komplexität
ein Festschmaus für Tariffeinschmecker. Er ermöglicht es, dass sowohl die
IG Metall als auch die Arbeitgeber ihn als Erfolg verkaufen können. Und
beide haben recht.
Das Besondere dieser Tarifrunde war, dass dieses Mal nicht vorrangig über
Lohnforderungen gestritten wurde. Über die hätte es angesichts der
hervorragenden wirtschaftlichen Lage der Branche wohl schnell eine
Verständigung gegeben. Durch die Verknüpfung der Lohn- mit der
Arbeitszeitfrage wurden die Verhandlungen nicht nur für Außenstehende erst
spannend, sondern eben auch kompliziert.
Denn während die Arbeitgeber Arbeitszeitverlängerungen nach
Unternehmensbedarf erreichen wollten, hatte sich IG Metall die Durchsetzung
eines individuellen Anspruchs auf eine temporäre Verkürzung der
Wochenarbeitszeit auf bis zu 28 Stunden auf die Fahne geschrieben. Diese
nicht gerade deckungsgleiche Interessenlage erklärt die Härte des
Arbeitskampfes. Dabei bewies die IG Metall mit ihren erstmalig angewendeten
[2][24-Stunden-Streiks] höchst wirkungsvoll, weil für die Unternehmen
äußerst teuer, ihre immer noch vorhandene Kampffähigkeit. Diese
demonstrative Entschlossenheit hat die Verständigungsbereitschaft der
Arbeitgeberseite entscheidend beflügelt.
Gleichwohl ist der erreichte Abschluss einer mit Haken und Ösen. Von einem
„Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“
spricht IG Metall-Chef Jörg Hofmann. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger
freut sich über die vereinbarte „Flexibilisierung nach unten und nach
oben“, die dem entsprechen würde, was die Arbeitsgeberseite angestrebt
hätte. Damit würden mehr bedarfsgerechte Arbeitzeitvolumen ermöglicht. Das
eine wie das andere stimmt.
## Auf die Umsetzung kommt es an
Sicherlich kann es die IG Metall als großen Erfolg verbuchen, dass
Vollzeitbeschäftigte ab dem nächsten Jahr für maximal 24 Monate ihre
Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken können. Hier wird es letztlich
allerdings auf die praktische Umsetzung ankommen, denn es gibt eine
Obergrenze, ab der ein Arbeitgeber ein solches Begehren ablehnen kann.
Ebenfalls auf der Habenseite steht die Regelung, dass Beschäftigte mit
erhöhten privaten und beruflichen Belastungen sich künftig zwischen dem für
alle vereinbarten tariflichen Zusatzgeld oder acht zusätzlichen
Urlaubstagen entscheiden können.
Auf der anderen Seite musste die Gewerkschaft für diese individuellen
Reduzierungsmöglichkeiten einen hohen Preis zahlen: Zum Ausgleich wird den
Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die eigentlich in der Metall- und
Elektroindustrie gültige 35-Stunden-Woche wesentlich stärker als bisher
schon auszuhöhlen. Zurückstecken musste die IG Metall auch in puncto
Lohnerhöhungen, die deutlich geringer ausfallen als von ihr gefordert. Die
lange Laufzeit des Tarifvertrages von 27 Monaten ist ebenfalls etwas, über
das sich die Arbeitgeber freuen können.
Unter dem Strich bleibt trotzdem, dass die IG Metall zufrieden mit dem
Erreichten sein kann. Denn tatsächlich ist der Einstieg in eine stärker an
den Interessen der Beschäftigten orientierten Arbeitszeit gelungen. Die
Tarifauseinandersetzungen in anderen Branchen in diesem Jahr werden sich
daran messen lassen müssen.
6 Feb 2018
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## AUTOREN
Pascal Beucker
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