# taz.de -- Metall- und Elektroindustrie: Pilotabschluss im Südwesten | |
> IG Metall und die Arbeitgeber in Baden-Württemberg haben sich auf einen | |
> Tarifvertrag geeinigt. Der Abschluss ist allerdings sehr kompliziert. | |
Bild: Sieht müde aus: Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Ba-Wü,… | |
Stuttgart dpa | Mehr Geld, eine lange Laufzeit und ein Kompromiss in der | |
umstrittenen Arbeitszeitfrage: Nach einem erneuten Verhandlungsmarathon von | |
13 Stunden haben sich die Tarifparteien der Metall- und Elektrobranche in | |
Baden-Württemberg am frühen Dienstagmorgen auf einen Abschluss verständigt. | |
Das zähe Ringen bis zur sechsten Verhandlungsrunde hatte seinen Grund. | |
Angesichts der zahlreichen geforderten Neuerungen mussten die Vertreter des | |
Arbeitgeberverbandes Südwestmetall und der IG Metall Baden-Württemberg an | |
vielen Stellschrauben drehen, um schließlich jeweils mit Kompromissen leben | |
zu können. | |
Eine Laufzeit von 27 Monaten, 4,3 Prozent mehr Geld, dazu jährliche | |
Einmalzahlungen – das ist nur ein Teil des nun vorliegenden | |
Pilotabschlusses. Die Beschäftigten können darüber hinaus künftig für bis | |
zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken. Im Gegenzug | |
dürfen Betriebe dann mit mehr Beschäftigten als bisher 40-Stunden-Verträge | |
abschließen. Darüber hinaus wurde über zahlreiche zusätzliche, weniger | |
kostspielige Änderungen entschieden. | |
Die Vier vor dem Komma schmerze, sagte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf im | |
Anschluss an die Verhandlungen. Immerhin habe man aber mit der langen | |
Laufzeit von 27 Monaten für Planungssicherheit gesorgt. „Ich glaube, das | |
neue Tarifsystem ist vernünftig ausbalanciert.“ Allerdings werde nicht nur | |
die Höhe des Abschlusses, sondern auch seine Komplexität für viele Betriebe | |
schwer zu tragen sein. | |
„Wir haben um jedes Detail hart gerungen“, bilanzierte auch | |
IG-Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger. Die Gewerkschaft hat | |
durchgesetzt, dass die Beschäftigten zusätzlich zur Entgelt-Erhöhung von | |
4,3 Prozent ab April 2018 für die Monate Januar bis März 2018 eine | |
Einmalzahlung von 100 Euro erhalten. Außerdem gibt es von 2019 an jährlich | |
ein neues tarifliches Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseinkommens | |
sowie einen Festbetrag von 400 Euro. Letzterer – das haben die Arbeitgeber | |
durchgesetzt – kann in wirtschaftlich schweren Zeiten gesenkt oder | |
gestrichen werden. | |
Einigung wurde auch im hart umkämpften Bereich der Arbeitszeit erzielt – | |
mit dem Ergebnis, dass beide Parteien diesen Faktor künftig flexibler | |
handhaben können. Auch ein besonders strittiger Punkt wurde schließlich | |
geklärt: die Forderung der IG Metall, dass bestimmte Gruppen wie | |
Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder im Falle | |
solch einer Arbeitszeitreduzierung einen Zuschuss für entgangenen Lohn | |
erhalten sollen. Sie können nun statt dem für alle vereinbarten tariflichen | |
Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts acht freie Tage wählen. | |
## Flexibles Arbeitszeitsystem | |
Die Bundesvorstände der Tarifparteien lobten die Lösungen. „Wir haben heute | |
den Grundstein für ein flexibles Arbeitszeitsystem für das 21. Jahrhundert | |
gelegt“, sagte Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger. Die schmerzhafte | |
Kostenbelastung spiegele die im Schnitt gute wirtschaftliche Lage der | |
Branche. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sah den Tarifabschluss als einen | |
„Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“. | |
Viel zu lange sei Flexibilität bei der Arbeitszeit ein Privileg der | |
Arbeitgeber gewesen. | |
Wie der Tarifabschluss sich in der Praxis bewährt, wollen die Tarifparteien | |
in zwei Jahren prüfen, weil bisher nicht klar ist, wie viele Beschäftigte | |
beispielsweise eine reduzierte Arbeitszeit von 28 Stunden oder Verträge | |
über 40 Wochenstunden in Anspruch nehmen. | |
Kritische Töne kamen indes vom Arbeitgeberverband in Bayern. Zwar begrüße | |
der Verband den Tarifabschluss, der den Unternehmen besonders lange | |
Planungssicherheit verschaffe. Aber: „Wir hätten uns einen weniger | |
komplexen Tarifvertrag gewünscht“, teilte der Hauptgeschäftsführer des | |
Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, Bertram Brossard, | |
mit. | |
Der Verband sprach sich für eine Übernahme des Vertrags in Bayern aus. Dort | |
beginnen die Verhandlungen an diesem Donnerstag. Die Einigung in | |
Baden-Württemberg gilt als Pilotabschluss für die deutschlandweit rund 3,9 | |
Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. In der Regel | |
übernehmen die übrigen sechs Tarifbezirke den Abschluss des Pilotbezirks. | |
6 Feb 2018 | |
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