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# taz.de -- Die Wahrheit: Deutsche Apokalypse: Und basta!
> Längst ist nicht mehr alles schwarz-rot-gold, was glänzt. Momentan spielt
> sich im Bund ein politisches Fanal ab. Ganz recht so.
Ein Land steht still. Nichts geht mehr. Demokratie am Abgrund. Irgendwann
im vorigen Jahr wurde ein neuer Bundestag gewählt – doch der alte steht
immer noch am selben Ort. Nichts bewegt sich. Ein paar neue Stühle wurden
herangeschafft und in den Boden des Reichstags gedübelt, dann ging beinahe
alles so weiter wie immer.
Es wurden ein paar neue Köpfe im Rund begrüßt, ein Platz für eine neue
Fraktion geschaffen, irgendwo rechts außen, rechts von der CSU, wo
eigentlich nie wieder jemand mehr sitzen sollte, während sich „die da oben“
schnell in irgendwelche herrschaftlichen Bauten zurückzogen, um zu
„sondieren“ und sich zwischendurch telegen auf Balkonen zu präsentieren.
Aber hat jemand dabei eine neue Republik ausgerufen? Wie anno dunnemals
Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags? Pustekuchen. Statt einem
Aufbruch kam nur ein Abbruch, und die eingebundenen Marginalliberalen zogen
sich beleidigt wegen nix aus den ausufernden Sondierungsgesprächen zurück.
Und es wurde Advent, und es wurde Weihnachten, und es wurde Neujahr, und es
gab immer noch keine neue Regierung in Berlin.
## Fehlende Logik
„Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“, begründete
Patrick Lindner den Ausstieg seiner Ein-Mann-Partei FDP – was bekanntlich
„Für den Patrick“ heißt. Ein Bonmot, das jedem Jamaika-Witz den Joint
ausblies! Obwohl der Volksmusiksänger Patrick mit seinem Namensvetter
Christian Lindner ja gar nichts zu tun hat. Nur: Wo blieb da die Logik?
Wäre nicht jede Regierung unter Beteiligung der FDP eine schlechte gewesen?
Also eine, die schlecht regiert? Und ist nicht nach Adam Riese eine
gelungene Herrschaft nicht noch schlimmer als eine schlechte, armselige,
misslingende, vertrottelte? Oder fehlte am Ende da nicht einfach ein a im
Verb? Es ist besser, nicht zu reagieren, als schlecht zu reagieren. Hm. Das
artet fast schon in Philosophie aus.
Bleiben wir also lieber bei den Fakten. In Deutschland hat sich eine Art
Untergangsstimmung breitgemacht. Die deutschen Städte sind so verschmutzt,
grau und vollgestunken wie seit den siebziger Jahren nicht mehr; die
deutsche Industrie hat Dreck am Stecken wie schon seit
Reichskübelwagenzeiten nicht; und am Ende des Jahres stieg ausgerechnet die
untergangsbereite SPD wieder ins Rennen um einen Platz in der Regierung,
die sich doch eigentlich unter dem „Mann mit den Haaren im Gesicht“ bei der
Operation Opposition schön gesunden wollte. Auskurieren von dieser
krankmachenden Macht.
Eine SPD, die in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen in der
Wortspielhölle bei „Das Ende ist Nahles“ angelangt ist und sich so sehr
nach dem Ende der „Chaostage“ sehnt, die doch sonst immer in Hannover
stattfinden. Weshalb man ständig ein Mantra ausstößt: „Keine
Personaldebatten! Wichtig sind die Inhalte!“ Frage aus dem Publikum: Welche
Inhalte denn?
## Merkel färbt
Und Angela Merkel färbt sich indes im Bundeskanzlerinnenamt die Haare. Das
Alter, das Alter. Mit Blick in den Spiegel ist sie sich sicher: Sie wird
das Schiff schon schaukeln, auch diesmal wieder. Deutschland geht unter?
Nicht vor 2028, wenn der Meeresspiegel Cuxhaven unter sich gelassen hat.
Helmut Kohl hat 16 Jahre regiert, Belgien 541 Tage ohne gewählte Regierung
hinter sich gebracht. Und das belgische Bruttoinlandsprodukt ist in dieser
Zeit sogar gestiegen! Pah, alte Rekorde! Angela Merkel wird sie zur Not
brechen.
Eine Regentschaft, die zwei Dekaden dauert; eine Regierungsfindungszeit,
die 555 Tage dauern wird – da ist doch noch jede Menge Spielraum nach
unten: Wenn die SPD-Basis die Groko ablehnt, wird die SPD sich noch einmal
im Grabe umdrehen, einen chaotischen Parteitag im April abhalten und ihre
zwei Flügel erneut zweiteilen. Die kleinere Hälfte wird mit Merkel weiter
regieren, wenn auch in einer Minderheitsregierung, die sich dann erst im
Jahr … – rechne, rechne, ach egal, es wird sich schon alles finden!
## Verdammte Opposition
Und die Opposition? Also, die echte jetzt? Die im Bundestag? Gibt die
zumindest ein ordentliches Bild eines politischen Deutschlands ab, zum
Beispiel im Ausland? Manchmal schärft ja der Blick in den Spiegel der Ferne
die Augen für das, was offensichtlich vorgeht. Die größte Oppositionspartei
AfD zum Beispiel wirkt von außen wie eine Meute zu spät kommender Kinder
beim Topfschlagen. Aber diese Art von verdammten Kindern, wie sie in
Horrorfilmen in abgelegenen Dörfern vorkommen: mit eisleeren Augen,
aschblonden Haaren und der übernatürlichen Fähigkeit, jedem Betrachter die
Nackenhaare aufzustellen mit ihren gruselig abstrusen Äußerungen.
Die Grünen, Aufsteiger in der Wählergunst, zumindest was Straßenumfragen
betrifft, wirken – von weit her betrachtet –, als seien sie entschieden vom
Zeitgeist überholt: Entweder kommt die Apokalypse am Ende tatsächlich, oder
aber das Kapital reagiert, weil es muss, und stellt noch gerade rechtzeitig
auf umweltbewusst um. Kostenloser Nahverkehr in Essen, Bonn und Herrenberg!
Was in Neapel schon alle machen, weil eh keiner zahlt. So oder so kommt man
außerhalb Schwabens und Trans-Schwabens, womit der Prenzlauer Berg in
Berlin gemeint ist, fürderhin ganz gut ohne die Grünen aus.
Selbst vom Mond aus gesehen, erkennt man bei der FDP sofort: Die Liberalen
sind nicht machtgeil genug und so selbstverliebt, dass man sie gern allein
in ihrem erdig ranzigen Saft schmoren lässt. Und bei der Linkspartei fällt
– mit dem Fernglas betrachtet – auf, dass sie nicht weiß, was sie will.
Nation hier, Multikulti da, Gerechtigkeit für alle oder doch nur für die,
die eh schon hier sind, man weiß es nicht.
Einerseits setzt man auf Dogmatik, andererseits soll der Laden am besten
aufgelöst werden zugunsten einer linken Sammelbewegung. Ein Konflikt,
bestens personifiziert durch die Ehe von Frau Kipping und Herrn Riexinger
samt ihrer ewig nörgelnden Schwiegertante Sahra Wagenknecht. Eine
schrecklich schöne Familie.
Es ist also längst nicht mehr alles schwarz-rot-gold, was glänzt.
Deutschland, ein Schauermärchen. Ein Fanal. Aber vielleicht ist das ja auch
ganz gut so? Müssen wir denn immer und überall die Ersten und Besten sein?
Wo hat uns dieses Wunschdenken denn schon hingeführt? Genau. Hören wir doch
einer alten Schallplatte der Münchener Formation F.S.K. zu, die
unvermittelt wieder heiß und brandaktuell geworden ist. Die besingt in
ihrem grandiosen Smashhit „Flagge verbrennen (Regierung ertränken)“ aus dem
Jahr 1993 den wahren Untergang der Regierung: „Die Flagge brennt hell
lichterloh / Regierung fällt zum Ultimo / Hier kommt mein Colt, Pflugschar
als Schwert / Schwarz, rot und gold / Gar nichts mehr wert / Das Parlament
stürzt in den Rhein / Am Firmament ein Hoffnungsschein.“
Darauf einen Rüdesheimer.
17 Feb 2018
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Deutsche Politik
Apokalypse
Parteien
Queen Elizabeth II.
Wetter
Sexualität
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Schwerpunkt Frankreich
Fußball
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