| # taz.de -- Die Wahrheit: Ich, die Verwechslungskomödie | |
| > Französische Woche der Wahrheit: Einen frankophonen Namen zu besitzen, | |
| > kann auch seine Ursache in einer holländischen Modewelle haben. | |
| Eine wichtige journalistische Regel lautet: Namenswitze verbieten sich. Das | |
| gilt sogar dann, wenn sie auf eigene Kosten gehen. Kein Wort also davon, | |
| dass sich einst eine junge Dame namens Uli Busch erdreistete, sich über | |
| meinen Vornamen lustig zu machen: Er sei ostproletarisch und klinge nach | |
| Mietskasernen in Vororten. Ganz unrecht hatte sie nicht: Ich bin | |
| tatsächlich in suburbanen Mietskasernen aufgewachsen, zumindest bis zum | |
| zehnten Lebensjahr; allerdings im Westen dieses schönen Landes, nicht | |
| unweit der französischen … – ach, stimmt nicht, der niederländischen | |
| Grenze. | |
| In den Niederlanden war René nämlich eine Zeitlang ein verbreiteter | |
| Modename, was zumindest in die deutschen Zollgrenzbezirke der siebziger | |
| Jahre überschwappte. Man denke nur an den Fußballgott René van de Kerkhof, | |
| der im Finale der WM 1978 in Argentinien stand. | |
| Meine Mutter mochte also französische Vornamen. Wäre es nach meinem Vater | |
| gegangen, hätte ich Marcel geheißen. Um allerdings seiner Frau einen | |
| Gefallen zu tun, meldete er mich im Standesamt Solingen-Ohligs als René an; | |
| während Mutter mich im Krankenhaus St. Lukas in ein mit dem | |
| Namensschildchen „Marcel“ beschrifteten Körbchen legen ließ. Eine heitere | |
| Verwechslungskomödie folgte, die mich noch heute manchmal stutzig macht: | |
| Bin ich überhaupt der Richtige? | |
| Die mütterliche Vorliebe für französische Namen kam aus der Lameng. In | |
| Lille oder Amiens heißen nur alte, dicke Wirte René – in Frankreich ist | |
| das ein altmodischer Name, ähnlich wie hierzulande Helmut oder Wilhelm; | |
| Namen, wie sie recht bald jedoch wieder in den modischen Zyklus gelangen | |
| könnten, wenn es so weitergeht. | |
| Dicke Wirte vögeln gewöhnlich die halbe Belegschaft – wie der Wirt René | |
| Artois in der merkwürdigerweise britischen Sitcom “’allo, ’allo“, die … | |
| Frankreich der deutschen Besatzungszeit spielt, was Wikipedia liebevoll so | |
| umschreibt: „Artois ist gezwungen, mit der ausschließlich aus Frauen | |
| bestehenden gaullistischen Résistance zusammenzuarbeiten.“ Seine Frau heißt | |
| übrigens Edith und nicht etwa Stella. | |
| Der Name meines Bruders stand also schon lange vorher fest – Marcel kam | |
| spät und war doch eine Frühgeburt; sein Name lag schon für ihn bereit, das | |
| hatte sich in zehn Jahren nicht geändert. Vorher spukte er bereits als mein | |
| imaginärer Bruder durch mein Leben. Er war entweder meine schlechtere, böse | |
| Hälfte, oder er holte mich als Superheld aus kniffligen Situationen – | |
| eingekickte Treibhausscheibe, Hausaufgaben vergessen et cetera. | |
| In Avignon oder Reims musste ich also komisch wirken: ein junges Hemd mit | |
| dem wiedergeborenen Namen eines alten Wirts. Meine zweite Freundin aus | |
| Grenoble erfand auch rasch Kosenamen und nannte mich lieber „Reni“, weil | |
| das so klang wie der modischere Rémy. Mein Bruder machte später als | |
| „Marcello“ die italienische Frauenwelt unsicher. Wo ein Name ist, kann kein | |
| anderer sein. | |
| 10 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Vornamen | |
| Queen Elizabeth II. | |
| Sexualität | |
| Feuer | |
| Deutsche Politik | |
| Fußball | |
| Fußball-Bundesliga | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Im Reich der Blütenträume | |
| London 2048. Ein Tennisroboter gewinnt Wimbledon. Auf der Tribüne: | |
| Kronprinz Louis. Allein mit seinen Erinnerungen an eine Traumhochzeit. | |
| Die Wahrheit: Die vier Elemente: Wasser | |
| Der Blick streift durchs Hallenbad und erfasst sphinxhafte Frauen, | |
| schlaksige Japaner und andere, die das Tableau des Schwimmbads bereichern. | |
| Die Wahrheit: Die vier Elemente: Feuer | |
| Es brennt im Haus! In irgendeiner Wohnung über der eigenen! Wer lebt dort | |
| eigentlich? Wird die Feuerwehr den Brand in den Griff bekommen? | |
| Die Wahrheit: Deutsche Apokalypse: Und basta! | |
| Längst ist nicht mehr alles schwarz-rot-gold, was glänzt. Momentan spielt | |
| sich im Bund ein politisches Fanal ab. Ganz recht so. | |
| Die Wahrheit: Ich habe nie von Päpsten geträumt … | |
| … von Chefredakteurinnen und Trägern entlegener Fußballtrikots hingegen | |
| schon. Aber bei Päpsten, da ist wirklich Schluss. | |
| Die Wahrheit: Hälfte der 1. Liga | |
| Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Diesmal kann sich die | |
| Leserschaft an schönen Reimen zur Sommerpause der Bundesliga erfreuen. |