| # taz.de -- GroKo-Verhandlungen: Operation gelungen, Patient halbtot | |
| > Union und SPD haben sich bei der Renten- und Bildungspolitik geeinigt. | |
| > Die SPD rutscht bei den Wählern auf ihr bislang schlechtestes Ergebnis. | |
| Bild: Union und SPD haben geschnippelt und genäht, doch den Sozialdemokraten g… | |
| Berlin dpa | Kurz vor Ende der Verhandlungen über eine erneute große | |
| Koalition ist die SPD im neuen ARD-„Deutschlandtrend“ auf 18 Prozent | |
| gefallen – den schlechtesten hier jemals gemessenen Wert. In der Partei | |
| fürchten gerade die Jusos einen beschleunigten Absturz und Profilverlust, | |
| wenn man zum dritten Mal seit 2005 CDU-Chefin Angela Merkel zur Kanzlerin | |
| wählen sollte. | |
| In mehreren Bundesländern hat sich bereits die rechtspopulistische AfD vor | |
| die einstige Volkspartei geschoben. SPD-Chef Martin Schulz rutscht im neuen | |
| „Deutschlandtrend“ nach seinem Schlingerkurs der letzten Wochen auf seinen | |
| schlechtesten Wert in dieser Umfrage – er verliert fünf Punkte und landet | |
| nur noch bei 25 Prozent Zustimmung. | |
| Überschattet von dem fragilen Zustand der ältesten Partei in Deutschland, | |
| der sich einpasst in die Krise der Sozialdemokratie in ganz Europa, | |
| erreichten Union und SPD in der Nacht zu Freitag weitere Einigungen. Die | |
| geplante Koalition von CDU, CSU und SPD will das Grundgesetz ändern, damit | |
| der Bund sich stärker am Ausbau von Ganztagsschulen und einem Digitalpakt | |
| für die Schulen beteiligen kann. Dazu solle der Paragraf 104c des | |
| Grundgesetzes geändert werden, teilten die Unterhändler in Berlin mit. | |
| Bisher ist eine Finanzhilfe des Bundes nur für finanzschwache Kommunen | |
| zulässig. Für die geplante Grundgesetzänderung ist im Bundestag eine | |
| Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig – über die eine große Koalition nicht | |
| verfügen würde. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela | |
| Schwesig (SPD), betonte, insgesamt umfasse das Bildungs-, Digital- und | |
| Forschungspaket ein Volumen von sechs Milliarden Euro. Zwei Milliarden Euro | |
| davon sollen für den Ausbau von Ganztagsschulen und für die Betreuung zur | |
| Verfügung gestellt werden, zudem soll ein Rechtsanspruch auf | |
| Ganztagsbetreuung von Grundschülern eingeführt werden. Eine Milliarde soll | |
| es für eine Bafög-Reform geben. Die Einigung auf das „Leuchtturmprojekt | |
| Bildung“ könne auch ein wichtiges Argument sein, um die SPD-Basis bei dem | |
| Mitgliederentscheid zu überzeugen, der Koalition zuzustimmen. | |
| Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Abgeordneten im Bundestag, | |
| Stefan Müller, sagte, man wolle zudem eine Gebührenfreiheit auch für die | |
| Meisterschüler einführen. „Bund und Land, Hand in Hand“, laute das neue | |
| Motto, sagte der SPD-Politiker Hubertus Heil. Bisher ist die Bildung fast | |
| ausschließlich Ländersache, das sogenannte Kooperationsverbot untersagt dem | |
| Bund bisher in weiten Teilen die Mitfinanzierung im Bildungsbereich. Das | |
| Thema solle zum „Flaggschiff“ der Koalition werden, so Heil. Zuvor war | |
| bereits ein milliardenschweres Rentenpaket verabredet worden. | |
| ## Drei Schritte gegen Altersarmut | |
| Union und SPD gehen zudem mit einem milliardenschweren Rentenpaket in die | |
| Endphase ihrer Koalitionsverhandlungen, die bis Sonntag terminiert sind, | |
| aber voraussichtlich noch verlängert werden müssen. Die gesetzliche | |
| Garantie des Rentenniveaus soll von 43 auf 48 Prozent angehoben werden. Um | |
| Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zu stark zu belasten, soll der | |
| Beitragssatz aber auf 20 Prozent des Lohns gedeckelt werden. Beides soll | |
| bis 2025 gelten. Für die Sicherung der Renten bis 2045 soll eine | |
| Rentenkommission mit Experten und Wissenschaftlern bis März 2020 Ergebnisse | |
| vorlegen. | |
| Drei Schritte sollen Altersarmut vorbeugen: Erstmals sollen alle nicht | |
| anders abgesicherten Selbstständigen in der gesetzlichen Rente oder privat | |
| für das Alter vorsorgen. Eingeführt werden soll ein an die Rentenansprüche | |
| gekoppelter Aufschlag auf die Grundsicherung für Menschen, die 35 Jahre | |
| lang Beitragszeiten vorweisen, aber nicht über die Grundsicherung | |
| hinauskommen. Künftige Erwerbsminderungsrentner sollen deutlich | |
| bessergestellt werden als heute. | |
| Nach der Renten-Einigung räumten SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und die | |
| Sozial-Verhandlungsführer der Union, Karl-Josef Laumann (CDU) und Barbara | |
| Stamm (CSU), hohe Kosten ihres Pakets ein. „Dass das, was wir hier an | |
| Verbesserungen machen, weil es Millionen von Menschen betrifft, auch | |
| Milliardensummen kosten wird, kann ich prognostizieren“, sagte Nahles, die | |
| für ihre Partei die Verhandlungen im Sozialen führt. „Dafür kriegen die | |
| Leute auch was.“ | |
| ## Heiße Phase der Verhandlungen | |
| Anders als der SPD schadet der Union dem „Deutschlandtrend“ zufolge die | |
| schwierige Regierungsbildung bisher nicht. Sie kommt wie Anfang Januar auf | |
| 33 Prozent. Die AfD käme auf 14 Prozent (plus 1), die FDP auf 10 Prozent | |
| (plus 1), die Linke auf 11 Prozent (plus 2) und die Grünen auf 11 Prozent | |
| (unverändert). In einer Forsa-Umfrage war die SPD im Januar sogar nur auf | |
| 17 Prozent gekommen. | |
| Mit dem ersten Treffen der mehr als 90 Unterhändler starten Union und SPD | |
| am Freitagnachmittag in die heiße Phase der Verhandlungen. Auch alle 18 | |
| Arbeitsgruppen sollen in der SPD-Zentrale jeweils etwa 20 Minuten lang ihre | |
| Ergebnisse präsentieren. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte, | |
| dass die AG's „10 Seiten plus“ vorgelegt hätten – erklärtes Ziel ist es, | |
| einen schlankeren Vertrag als die rund 180 Seiten beim letzten Mal | |
| vorzulegen. Es gebe aber eine Einigungsbereitschaft auf allen Seiten – ob | |
| über das bisher geplante Ende am Sonntag hinaus verhandelt werden muss, | |
| stehe noch nicht fest. Eine Verlängerung bis Dienstag gilt in | |
| Teilnehmerkreisen als möglich. | |
| Vor dem Eintritt der Sozialdemokraten in eine neue Bundesregierung müssten | |
| die SPD-Mitglieder noch über den Koalitionsvertrag abstimmen. Juso-Chef und | |
| GroKo-Gegner Kevin Kühnert gibt sich zuversichtlich, dass die Basis alles | |
| noch kippt. „Im Moment bin ich optimistisch, dass die Mehrheit der | |
| SPD-Mitglieder bei der bevorstehenden Abstimmung Nein sagen wird, weil | |
| selbst das Führungspersonal das Rennen für offen hält“, sagte er der | |
| Rheinischen Post. Andernfalls werde Deutschland erneut „eine Regierung des | |
| kleinsten gemeinsamen Nenners und des billigsten Kompromisses“ bekommen. | |
| Aber auch in der CDU wächst die Kritik an der Ausrichtung der eigenen | |
| Partei. Die Menschen erwarteten „mehr als ein Wortspiel über ein Land, in | |
| dem wir gut und gerne leben“, schrieb Thüringens CDU-Chef Mike Mohring in | |
| einem Focus-Gastbeitrag. „Die Menschen wollen wissen, welches Bild von | |
| Deutschland ihre Politiker haben: in zehn, in 20, in 30 Jahren. Als | |
| Gesellschaft, als Staat, als Nation“. | |
| 2 Feb 2018 | |
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