# taz.de -- Groko und Einwanderungsgesetz: Fachkräfte? Ja, aber … | |
> Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auf ein Einwanderungsgesetz | |
> verständigt. Bei der Ausgestaltung sind sich die Parteien jedoch uneins. | |
Bild: Werden dringend gesucht: Pflegekräfte | |
Berlin taz | Eigentlich hat die deutsche Wirtschaft allen Grund zur Freude. | |
Sie wuchs vergangenes Jahr so stark wie in sechs Jahren nicht mehr. Dennoch | |
haben viele Unternehmen eine drängende Sorge: Sie finden keine | |
qualifizierten Arbeitskräfte. 1,1 Millionen Stellen sind derzeit unbesetzt | |
– und das bei Rekordbeschäftigung. | |
Über die Sorgen heimischer Betriebe ist der SPD-Bundestagsabgeordnete | |
Karamba Diaby bestens informiert. In jeder sitzungsfreien Woche, erzählt | |
Diaby, besucht er „mindestens ein Unternehmen“ in seinem Wahlkreis Halle in | |
Sachsen-Anhalt. Seit Jahren hört der Bildungspolitiker: Lasst endlich mehr | |
Fachkräfte aus dem Ausland rein. | |
Die Hürden sind hoch: Wer in Deutschland arbeiten will, benötigt einen | |
Arbeitsvertrag und anerkannte Abschlüsse, oft auch sehr gute | |
Sprachkenntnisse. 2016 reisten gerade mal 17.362 Hochqualifizierte per | |
„Blue Card“ ein – viel zu wenig, sagen Arbeitsmarktexperten. Derzeit fehl… | |
akut Mechatroniker, Software-Entwickler und Altenpfleger, in manchen | |
Gegenden auch Heizungsbauer oder Lokführer. | |
Für die heimischen Unternehmer hat Diaby endlich eine gute Nachricht. Denn | |
im Koalitionsvertrag haben sich SPD und Union auf ein Einwanderungsgesetz | |
geeinigt. „Unser Land braucht geeignete Fachkräfte in großer Zahl. Kein | |
Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften mangelt“, heißt | |
es in dem Papier, das CDU, CSU und SPD vergangene Woche vorgestellt haben. | |
Wie dieses Versprechen erreicht werden soll, muss jedoch erst noch | |
ausgearbeitet werden. | |
## Punkte des Aufenthaltsgesetzes sind zu unübersichtlich | |
Weitgehend einig sind sich die Parteien nur in einem Punkt: dass die mehr | |
als 50 Stellen im Aufenthaltsgesetz, die die Arbeits- und | |
Einreisebestimmungen für Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten regeln, zu | |
unübersichtlich sind. „Wahnsinn“, findet das Diaby, der bei den | |
Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß. „Ärgerlich“, sagt dazu der | |
CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer. Damit endet jedoch der Konsens über das | |
Einwanderungsgesetz – selbst innerhalb der Parteien. | |
„Das Thema Fachkräftezuzug wird in der Union kontrovers diskutiert“, sagt | |
Zimmer, der in der CDU-Fraktion stellvertretender Vorsitzender der | |
Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales ist. Geht es nach ihm, läge die Priorität | |
darauf, Langzeitarbeitslose nachzuqualifizieren. Arbeitsmigration soll | |
nicht zu Lasten heimischer Jobsuchender gehen. Dennoch sagt Zimmer: „Wir | |
haben als Union erkannt, dass es eine Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts | |
braucht, um das Fachkräfteproblem zu lösen.“ | |
Das war bis vor Kurzem noch anders. Erst vor zwei Jahren hatte die Union | |
ein Einwanderungsgesetz abgelehnt – vorgeschlagen hatte es ihr damaliger | |
Koalitionspartner SPD. Die Sozialdemokraten wollten ein Punktemodell nach | |
kanadischem Vorbild einführen. Der Gesetzentwurf beinhaltete drei | |
einschneidende Neuerungen: Erstens können auch Fachkräfte für eine | |
bestimmte Zeit nach Deutschland einreisen, ohne bereits einen | |
Arbeitsvertrag zu haben. Dafür müssen sie bei anderen Kriterien wie | |
Sprachkenntnissen oder Berufsabschluss voll punkten. | |
Zweitens können sich Interessierte aus Nicht-EU-Ländern von ihrem | |
Heimatland aus online um die Einreise bewerben, und drittens würde der | |
Bundestag je nach Bedarf der Wirtschaft ein Kontingent festlegen. Die SPD | |
wollte damals mit 25.000 Genehmigungen im Jahr starten. „Das ist immer noch | |
unsere Vorstellung, wie wir Fachkräfte gezielter nach Deutschland holen“, | |
sagt Diaby, der damals federführend am Gesetzentwurf der SPD beteiligt war. | |
Er gibt sich „optimistisch“ dass es dieses Mal zu einer Einigung mit der | |
Union kommt. | |
## SPD-Modell fällt durch | |
Dabei ist der jüngste Testlauf für das SPD-Punktemodell ordentlich in die | |
Hose gegangen. Keine drei Monate – kurz nach der Bundestagswahl 2017 – ist | |
es her, da brachte die SPD im Alleingang ihren Entwurf zum | |
Einwanderungsgesetz in den Bundestag ein und erntete Kritik von allen | |
Seiten. Nur die FDP lobte den Entwurf. | |
Der CDU-Abgeordnete Stephan Mayer lehnte das SPD-Modell kategorisch ab: | |
„Wir wollen, dass die Arbeitgeber, die Unternehmer, entscheiden, wer für | |
sie der richtige Mitarbeiter oder die richtige Mitarbeiterin ist, und | |
nicht, dass mittels eines hochkomplexen Punktesystems entschieden wird, | |
wer nach Deutschland kommen darf, ohne dass er einen konkreten | |
Arbeitsvertrag in der Tasche hat.“CDU-Sozialpolitiker Matthias Zimmer ist | |
ebenfalls gegen ein kanadisches Modell. Der Widerstand gegen das SPD-Modell | |
scheint in der Union ungebrochen. | |
Auch Arbeitsmarktexperte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und | |
Berufsforschung (IAB) spricht sich dagegen aus: „Punktesysteme bringen das | |
Risiko der Überregulation mit sich, wie beispielsweise der Vorschlag der | |
SPD-Bundestagsfraktion. Ein Einwanderungsgesetz müsste die bestehenden | |
Regeln hingegen radikal vereinfachen.“ | |
Brücker würde etwa darauf verzichten, dass Fachkräfte, die einen Berufs- | |
oder Hochschulabschluss und schon einen Arbeitsvertrag in Deutschland | |
haben, noch aufwändig die Gleichwertigkeit der Qualifikation nachweisen | |
müssen. Zudem sollte man die Blue Card öffnen für nichtakademische Berufe. | |
Brücker: „Wer nicht an dieser Stelle schraubt, wird den Fachkräftemangel | |
nicht beheben.“ | |
13 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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