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# taz.de -- Arbeitsverhältnisse in Bremen: Hochburg der Befristung
> In Bremen ist der Anteil befristetet Beschäftigter deutlich höher als
> bundesweit. Besonders betroffen von der prekären Lage sind Migranten und
> unter 35-Jährige.
Bild: Besonders hoch ist der Anteil befristeter Beschäftigungen bei Reinigungs…
BREMEN taz | Als sei es geplant gewesen, hat die Arbeitnehmerkammer
gleichzeitig mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD Daten über
befristete Arbeitsverhältnisse in Bremen vorgelegt. Was reiner Zufall ist,
verdeutlicht allerdings, wie dringend der Handlungsbedarf ist: Denn vor
allem junge ArbeitnehmerInnen werden überdurchschnittlich oft nur befristet
eingestellt.
Dabei ist der Anteil befristet Beschäftigter in Bremen insgesamt bereits
überdurchschnittlich hoch: Während bundesweit, je nach
Berechnungsgrundlage, zwischen 7 und 8,5 Prozent der ArbeitnehmerInnen
keinen unbefristeten Vertrag haben, sind es in Bremen zwischen 9 und 9,7
Prozent.
Allerdings fußen diese Zahlen lediglich auf statistischen Ergebungen wie
dem Mikrozensus oder auf Arbeitgeber-Befragungen. Hier werden teilweise
bestimmte Altersklassen nicht erfasst oder keine vollständigen Angaben
vonseiten der Betriebe gemacht.
Aus diesem Grund hat die Arbeitnehmerkammer Daten ihrer repräsentativen
ArbeitnehmerInnen-Erhebung „Koordinaten der Arbeit im Land Bremen“, für die
das Institut Infas 2.000 Beschäftigte befragte, gesondert ausgewertet und
ist zu dem Ergebnis gekommen: In Bremen und Bremerhaven arbeiten sogar rund
12 Prozent der Beschäftigten befristet.
Besonders häufig betroffen sind die Jüngeren unter ihnen: „18 Prozent der
unter 35-Jährigen haben einen befristeten Arbeitsvertrag“, sagt Regine
Geraedts, Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei der
Arbeitnehmerkammer. „Und die Befristungsquote für Arbeitnehmer mit
Migrationshintergrund ist genauso hoch wie bei den unter 35-Jährigen.“
## Im Durchschnitt drei Jahre befristete Arbeit
Durchschnittlich drei Jahre arbeiten BremerInnen befristet, wobei es unter
den Befragten auch Menschen gegeben habe, die 20 Jahre bei einem einzigen
Arbeitgeber mit Kettenverträgen tätig gewesen seien, sagt Geraedts.
Nicht zu wissen, ob man danach weiterbeschäftigt wird, keinen Kredit oder
keine Wohnung zu bekommen, keinerlei Planungssicherheit für die Zukunft zu
haben – all das geht mit befristeten Verträgen einher. Und das belastet:
„42 Prozent der befristet Beschäftigten fühlen sich in hohem oder sehr
hohem Maße belastet“, sagt Geraedts.
Genauso hoch ist der Anteil jener, der befürchtet, nach Ende der Befristung
keine neue Arbeitsstelle zu finden. Fast die Hälfte erwartet, im Alter auf
die Unterstützungsleitungen Dritter angewiesen zu sein, also von
Sozialleistungen oder Familienangehörigen abhängig zu sein. Zum Vergleich:
Von sämtlichen Befragten der „Koordinaten der Arbeit“ hegte diese Sorgen
nur ein knappes Drittel.
## Auch Akademiker-Jobs werden befristet
Dabei sind es beileibe nicht nur prekäre Jobs, die befristet werden: Die
Auswertung zeigt, dass einerseits zwar überdurchschnittlich viele
ArbeitnehmerInnen ohne Berufsabschluss betroffen sind, andererseits aber
auch überdurchschnittlich viele Beschäftigte mit Universitätsabschluss.
Branchenspezifisch bedeutet das: Besonders hoch ist der Anteil befristet
Beschäftigter bei Reinigungsberufen, bei Berufen in Verkehr und Logistik
und bei sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen. Letzteres bedeutet
vor allem Beschäftigte in der sozialen Arbeit, die in den Bereichen
Beratung, Aus- und Weiterbildung, Betreuung und Erziehung tätig sind,
außerdem sprach-, literatur-, geistes-, gesellschafts- und
wirtschaftswissenschaftliche oder darstellende und unterhaltende Berufe.
„Die Große Koalition hat sich zwar auf den richtigen Weg gemacht mit der
Begrenzung sachgrundloser Befristungen“, sagt Ingo Schierenbeck,
Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, „aber die Regelung ist wenig
praxisgerecht.“ Denn für Betriebe mit mindestens 75 Beschäftigten dürfen in
Zukunft noch immer 2,5 Prozent der Stellen ohne Grund befristet werden.“
Das sei unfair, weil hier nicht geregelt sei, wen die Quote warum treffe.
„Sachgrundlose Befristungen sollten vielmehr gänzlich verboten werden und
die Gründe für Befristungen sollten abschließend und verbindlich
aufgeschrieben werden“, sagt Schierenbeck. Denn das sei bisher nicht
geschehen.
12 Feb 2018
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Prekäre Arbeit
Befristete Beschäftigung
Migration
Bremen
Arbeitsmarkt
prekäre Beschäftigung
Arbeitsrecht
FDP
Befristete Beschäftigung
Schwarz-rote Koalition
Befristete Beschäftigung
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Gleichberechtigung
Arbeitsbedingungen
Agentur für Arbeit
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