| # taz.de -- Petition der Woche: Zurück zum alten Pressekodex | |
| > Der Presserat hat eine Richtlinie zur Benennung der Herkunft von Tätern | |
| > geändert. Eine Initiative will zur alten Regelung zurück. | |
| Bild: Betrifft nicht nur sie: gedruckte Tageszeitungen | |
| Auf eins können sich bestimmt alle einigen: Es macht einen Unterschied, ob | |
| in der Zeitung steht: „Rentner überfällt Bistro“ oder „Pakistaner über… | |
| Bistro“. Und deswegen gibt es im Pressekodex Regeln dafür, wann die | |
| Herkunft von Personen zu erwähnen ist und wann nicht. Allerdings sind diese | |
| Regeln heute weniger streng als früher. Das stört die AktivistInnen der | |
| Initiative Fair Radio. Sie wollen zurück zum alten Pressekodex. | |
| Der Pressekodex ist eine freiwillige Selbstverpflichtung von | |
| ZeitungsmacherInnen. Der Presserat, der über den Kodex wacht, kann | |
| niemanden bestrafen oder exkommunizieren, er kann nur den Zeigefinger | |
| heben. Trotzdem ist der Pressekodex wichtig genug, dass seit zwei Jahren | |
| viel um ihn gestritten wird. | |
| Es geht um Artikel 12.1, einen Passus gegen Diskriminierung. Ursprünglich | |
| stand dort, dass die Herkunft von Verdächtigen nur dann erwähnt werden | |
| soll, wenn ein „begründbarer Sachbezug“ zur Tat besteht. Dann also, wenn | |
| die Herkunft als Motiv eine Rolle spielt oder bei der Strafverfolgung. So | |
| sollte verhindert werden, dass Vorurteile gegen Minderheiten geschürt | |
| werden. Denn in der Regel liest man nur die Herkunft der „anderen“, also | |
| Ausländer – bei dem weißen Deutschen aus Westfalen heißt es schlicht | |
| „Rentner“. | |
| Dann kamen die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln 2015 und die Angst | |
| vieler JournalistInnen vor dem Vorwurf der Zensur. Der Presserat reagierte: | |
| Seit März 2017 braucht es statt „begründbarem Sachbezug“ ein „begründe… | |
| öffentliches Interesse“. | |
| Die InitiatorInnen der [1][Petition] nervt das. Sie verlangen, die Änderung | |
| zurückzunehmen. Aus ganz pragmatischen Gründen. „Der Sachbezug war eine | |
| journalistisch sinnvolle Kategorie“, sagt Sandra Müller, freie | |
| Radiojournalistin und Mitbegründerin von Fair Radio. „Aber ‚begründetes | |
| öffentliches Interesse‘ – was soll das heißen? Dass sich genug Leute auf | |
| Facebook aufgeregt haben?“ Entstanden ist die Idee einer Petition bei einer | |
| Tagung von JournalistInnen und MedienwissenschaftlerInnen in Darmstadt im | |
| November 2017, die Petition selbst wurde Ende Januar gestartet und wurde | |
| bislang von rund 160 Menschen unterschrieben. | |
| ## Richtig oder falsch? | |
| Die Deutsche Presseagentur, einer der wichtigsten Quellen für Nachrichten, | |
| ist anderer Meinung als die Initiatoren. „Außer Zweifel steht für uns, dass | |
| die Reform der Richtlinie 12.1 und die daraus abgeleiteten dpa-internen | |
| Leitlinien zu mehr und nicht zu weniger Handlungs- und | |
| Entscheidungssicherheit geführt haben“, sagt Nachrichtenchef Froben | |
| Homburger. Er betont, dass die klassischen Medien heute nicht mehr darüber | |
| entscheiden, welche Informationen die Runde machen. Man solle lieber | |
| einordnen, statt weglassen. „Die Initiatoren der Petition behaupten, dass | |
| öffentliches Interesse erst durch die Medienberichterstattung hergestellt | |
| werde. Das trifft meines Erachtens in dieser Absolutheit nicht mehr zu.“ | |
| Ist eine Richtlinie wie 12.1 also noch das Richtige, um im | |
| Internetzeitalter Rassismus zu bekämpfen? Wenn ja, in der alten oder in der | |
| neuen Variante? Darüber zu diskutieren ist wichtig. Es geht um | |
| verantwortungsvollen Umgang mit der Macht journalistischer Texte. Worum es | |
| nicht geht: Wohlfühlzensur auf Anweisung Angela Merkels, um eine | |
| ausländische Sexverschwörung zu vertuschen. Das ist ja bestimmt allen klar. | |
| 9 Feb 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.change.org/p/pressekodex-richtlinie-12-1-zur%C3%BCck-zur-alten-f… | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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